Lob des Trolleybusses: Schienen am Himmel

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Er weist die beste Ökobilanz auf. Wohnliche Städte kennen kein sanfteres Verkehrsmittel als ihn. Die Genfer Verkehrsbetriebe haben den Wert des Trolleybusses erkannt - die Basler leider nicht.

Seit Montag ist in Basel der Abstimmungskampf zum öffentlichen Verkehr (ÖV) lanciert. Zwei neue Gesetze sollen «klare Strukturen» für die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) und den übrigen ÖV bringen, meinte Regierungsrat Ralph Lewin vor den Medien. Der VPOD sowie die linke Partei Basta! und die Grünen bekämpfen die beiden Gesetze, die nach ihrer Meinung den Abbau des Service public erleichtern und beschleunigen könnten bis hin zur Privatisierung der BVB.

Sichtbar geworden ist die Abbaupolitik der BVB im Herbst 2003. «Umweltschutz ist passé», hatte es hinter vorgehaltener Hand geheissen. Also entschied man, die Trolleybuslinien «aus Spargründen» in (Diesel-)Buslinien umzuwandeln und erst neunjährige Fahrzeuge auszurangieren. Kurz danach legten die Grünen bei den Nationalratswahlen und den meisten folgenden Gemeindewahlen zu, ein Jahr später auch im Basler Grossen Rat, und vor Monatsfrist wählten die Baslerinnen und Basler auf Kosten der Bürgerlichen den ersten Grünen in den nunmehr mehrheitlich rot-grünen Regierungsrat.

Auch jetzt, zu Jahresbeginn, zeigt man sich bei den BVB vom «aggressiven» Widerstand gegenüber ihrem «rein betrieblichen» und «vermeintlich unproblematischen» Entscheid zur Trolleybusabschaffung irritiert. Vor Jahresfrist hatten gut 3000 Personen aus der ganzen Region spontan eine Petition unterzeichnet. Später waren über 7000 Unterschriften für die breit abgestützte Volksinitiative Ja zum Trolleybus zustande gekommen.

Weniger Trolleys, mehr Schadstoffe

Der Trolleybus verkehrt zum grossen Ärger der politischen und betrieblichen ÖV-Führung in Basel noch immer, was mit der seither in Basel entstandenen hyperaktiven Bürgerinitiative ProTrolleybus zu tun hat. Allerdings mutet die abtretende Basler Regierung ihrer Bevölkerung für das laufende Jahr zusätzliche Schadstoffe von erheblichem Umfang zu: 5,7 Tonnen zusätzlicher Menge Stickoxide, 86 Kilogramm zusätzlicher Schwefeldioxide, 242 Zusatzkilos der tückischen Feinpartikel und 0,9 Tonnen mehr an flüchtigen organischen Verbindungen. So viel macht es schätzungsweise aus, dass zum grossen Fahrplanwechsel vor Weihnachten eine der beiden letzten Trolleybuslinien in Basel verdieselt worden ist.

Die Schadstoffzahlen sind hochgerechnet aus einer Studie, die der Zweckverband ÖVL für Luzerner Verhältnisse erarbeitet hat. Demnach würde eine Verdieselung des gesamten Luzerner (Trolley-)Busnetzes - bei der heutigen Euro-Abgasnorm 3 - gut 37 Tonnen Stickoxide pro Jahr freisetzen. Bei der von Optimisten per 2020 angestrebten Euro-Norm 5 wären es noch immer knapp neun Tonnen zusätzlich.

Wer nun glaubt, der Trolleybusbetrieb sei dank Rot-Grün gerettet und die BVB-Spitze sei ihrer Fehleinschätzung wegen in Schwierigkeiten, verkennt sowohl die Basler Politik als auch den weltweit geringen Stellenwert des Systems Trolleybus. Obwohl er technisch kaum Angriffsflächen bietet und bei der Bevölkerung in den Städten beliebt ist, hat der Zwitter zwischen elektrischem Schienenfahrzeug und dieselbetriebenem Pneufahrzeug unter steten Attacken zu leiden.

Renaissance in Zürich?

In zahlreichen Städten des In- und Auslands wurde der Trolleybus «wegrationalisiert», doch in anderen Städten erlebt er einen Aufschwung oder bleibt konstant beliebt wie im deutschen Solingen. Drittenorts wird der Trolley weiterentwickelt, so beim «Pneutram», das im französischen Nancy unter Trolleybusfahrleitung auf einer einzigen Spurschiene fährt. Doch im Unterschied zur konkurrierenden Dieselbusbranche, in der mit fragwürdigen Garantieverträgen und Vertragsbindungen um Dominanz im ÖV-Bereich gerangelt wird, bleibt der Trolleybus ohne wirksame Lobby.

Dabei haben Tram und Trolleybus dieselbe Herkunft und in der Person von Werner von Siemens letztlich auch denselben Erfinder. Mit seinem ersten elektrisch angetriebenen Kutschenwagen hat Siemens am 29. April 1882 zugleich den «Trolley» vorgeführt - eine Laufkatze oben am Fahrdraht. Danach hing es zeitweise an einem dünnen Faden, ob das schienen- oder das pneugebundene Elektrofahrzeug die Oberhand gewinnen würde. Noch heute ist der Trolleybus unerreicht bezüglich Laufruhe und ideal als «kleines Tram» oder eben «Tram light». Er gilt als sanftestes und umweltverträglichstes aller städtischen Verkehrsmittel, ist abgasfrei und, weil er so ruhig fährt, für ältere, sturzgefährdete Personen nutzbar. Kein städtisches Verkehrsmittel hat eine bessere Ökobilanz aufzuweisen.

Andere Verkehrsbetriebe haben dies schon erkannt. Die Genfer Bestellung über fünfzig Trolleybusse hat Vorzeigecharakter. Zehn der Fahrzeuge werden mit einer Überlänge von 24 Metern als Doppelgelenk-Trolleybusse gebaut. Diese Innovation, die in Zusammenarbeit mit der Schweizer Firma Hess in Bellach entstand, eröffnet der vom Autoverkehr geplagten Stadt ganz neue Möglichkeiten des Personentransports. «Tram light» nennen die Genfer Verkehrsbetriebe (TPG) ihre Trolleys.

Zürich überlegt sich einen ähnlichen Schritt. «Für den Trolleybus könnte sich», schreiben die Verkehrsbetriebe (VBZ), «gar eine Renaissance anbahnen, wenn die langen Buszüge Gefallen finden und sie die Wirtschaftlichkeit verbessern können.» Der Beschaffungsentscheid soll im Februar fallen.

Stadtentwicklung und Wohnqualität

Auch der Stadtentwicklung dient der Trolleybus. «Als Verkehrsbetriebe haben wir drei grosse Trümpfe», erklärt der Genfer Verkehrsspezialist Eric Grasset: «Einer davon ist der ökologisch sinnvolle Betrieb des Stadtnetzes.» Und dabei spiele der Trolleybus eine wichtige Rolle. Eine Auswechslung «unserer sauberen Trolleybusse» durch Dieselfahrzeuge «würde die Genfer Bevölkerung auf keinen Fall akzeptieren», meint Grasset, der bis vor zwei Monaten Vizedirektor der TPG war, und ergänzt: «Und sie hätte Recht.»

In den Augen einer Wohnbevölkerung, die sich immer entschlossener gegen Lärmimmissionen aller Art wehrt und auch den öffentlichen Verkehr davon nicht ausnimmt, steht der Trolleybus optimal da - noch weit vor dem Tram. Mit diesem hat der Trolleybus gemein, «dass beide dieselben Bedürfnisse der Stadtorientierung bedienen», so der Genfer Eric Grasset. «Überall dort, wo die Fahrleitung durchführt, orientieren sich die ortsunkundigen Passanten am Himmel», meint er. «So finden sie unsere nächste Haltestelle problemlos.»

Noch schöner sagt es der Basler Velobedarfshändler und ProTrolleybus-Promoter Jörg Vitelli: «Der Trolleybus», meint er, «ist wie das Tram, bloss mit Schienen am Himmel.»

Trolleybusgesetz und Auslagerung

Am 27. Februar 2005 wird in Basel über das Organisationsgesetz der Basler Verkehrsbetriebe (BVB-OG) und das neue Gesetz zum öffentlichen Verkehr (ÖVG) abgestimmt. Zu verdanken ist dies dem Widerstand des VPOD, der linken Partei Basta! und den Grünen sowie dem Frust der Behindertenorganisationen. Letztere sehen ihre Anliegen im ÖV-Gesetz nur ungenügend berücksichtigt, während VPOD und Linke im BVB-OG den Einstieg in Auslagerung und Privatisierung sehen sowie die Gefahr, dass der Service public abgebaut und die Situation des heute schon unter zu grossem Arbeitsdruck stehenden Personals weiter verschlechtert wird.

Der Bund hat Ende der neunziger Jahre die gesamte Eisenbahn- und Busgesetzgebung gestrafft und auf Privatwirtschaft getrimmt. Galten vorher beispielsweise nur schwere Pflichtverletzungen als Grund für den Entzug einer Betriebsbewilligung, so können - unter dem Druck weltweiter «Liberalisierung» - gemäss den neuen Gesetzen auch bloss wirtschaftliche Interessen zu einer Konzessionsübertragung führen.

Der billigere Anbieter kann also gewinnen und kurzfristig profitieren, während die Angestellten des langjährigen Betreibers einer ÖV-Strecke in den Mond gucken. Einzig beim Trolleybus ist es anders: Pikanterweise können Trolleybuslinien weniger einfach ausgelagert werden als Tramlinien. Ob bewusst oder aus Vergesslichkeit: Das Trolleybusgesetz ist von der Radikalität der übrigen Transportgesetzrevisionen verschont geblieben. Einem bloss billiger anbietenden Dritten darf eine Trolleybuslinie nicht so einfach überlassen werden. Unter anderem deswegen ist bei der Basler ProTrolleybus-Bewegung auch die Gewerkschaft VPOD mit dabei.