Walther Kauer: Unbestechlich

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Der Lenos-Verlag ediert die vergriffenen Romane des fast vergessenen Schweizer Schriftstellers neu.

Nach seinem tödlichen Motorradunfall 1987 geriet er in Vergessenheit, dabei hatten seine Romane in den siebziger und achtziger Jahren heftige Diskussionen ausgelöst. Walther Kauer, der 2005 erst siebzig Jahre alt werden würde, sei ein «Meister der unsentimentalen Heimatliteratur» gewesen, hiess es einmal. Tatsächlich gelang es Kauer, jeden seiner Romane vor wechselnden Schweizer Landschaften spielen zu lassen, doch diese Landschaften sind bei ihm alles andere als idyllische Kulissen; das Tessin in «Spätholz» (1976), das Bergell in «Tellereisen» (1977) oder das Seeland in «Schwelbrände» (1983) dienen ihm vielmehr als Ausgangspunkte für einen scharfen und kritischen Blick auf politische und soziale Strukturen, ungerechte Arbeitsverhältnisse und wirtschaftliche Missstände.

Walther Kauers Position ist dabei unmissverständlich: Seine Erzählperspektive ist die der einfachen Leute, die der Arbeiterinnen oder die der Kleinbauern. Als ihr Sprachrohr setzt er aber auch Journalisten und Schriftsteller ein: meist mürrische und misstrauische Alter Egos des Autors selbst - Antihelden, die ohne Scheuklappen durchs Leben gehen. Kauers Hauptfiguren prangern die Habgier und Rücksichtslosigkeit von Arbeitgebern an oder die biedere, engstirnige Gesellschaft, und immer wieder werden sie von ihrer Vergangenheit eingeholt.

Dass der Lenos-Verlag im Jahr 2000 damit begonnen hat, Walther Kauers Romane wieder neu aufzulegen, begründet Koverlagsleiter Tom Forrer denn auch mit dem Hinweis auf die Aktualität von Kauers Themen und den kritischen Blick des Schriftstellers. Ein unbestechlicher Blick, der übrigens mehrere Jahre vor dem Berliner Mauerfall und dem Ende des Kalten Krieges trotz aller Begeisterung für kommunistische und sozialistische Gesellschaftsentwürfe seine Protagonisten auch die Gefahren und das mögliche Scheitern dieser Ideologien diskutieren lässt. Im Seelandroman «Schwelbrände», der jüngsten Lenos-Neuedition, wird diese Diskussion durch einen kurzen Besuch in Portugal ausgelöst, wo gerade die Nelkenrevolution die Diktatur besiegt hat. Und auch die Gleichstellung der Frau - gerade bei solchen Umwälzungen - ist bei Kauer kein Tabu. Seine Romane sind zudem alles andere als verstaubt, wenn er den Lohndruck in der Arbeitswelt und die harte Konkurrenz um den Futtertrog beschreibt.

Den Lenos-Verlag verbindet eine lange Geschichte mit Walther Kauer. Der Schriftsteller bot in den frühen siebziger Jahren dem Verlag in Basel seinen ersten Roman an. Doch der Verlag musste mit Bedauern ablehnen - in seiner finanziellen Situation war es ihm damals unmöglich, den 400 Seiten dicken «Schachteltraum» herauszubringen. Kauer kam schliesslich beim DDR-Verlag «Volk und Welt» in Berlin unter, und das ambitiöse Werk zur Schweizer Geschichte von den dreissiger bis zu den siebziger Jahren - aus der Sicht der Arbeiterklasse - konnte 1974 erscheinen. Später wechselte Kauer zum Benziger-Verlag in Zürich, wo seine bekanntesten Bücher erschienen, darunter «Spätholz» und «Bittersalz».

Der Lenos-Verlag, der sich seit 1983 um deutschsprachige Editionen neuer arabischer Literatur bemüht, gibt seit längerem auch Texte von Schweizer AutorInnen heraus, die nicht mehr erhältlich sind. In den neunziger Jahren wurden seine Neuauflagen der Texte von Annemarie Schwarzenbach und Ella Maillart stark beachtet; daneben ediert der Lenos-Verlag etwa Yvette Z’Graggen, Blaise Cendrars oder Guido Bachmann. Von Walther Kauer soll nach «Tellereisen», «Spätholz» und «Schwelbrände» im Jahr 2005 - sozusagen zum 70. Geburtstag des Schriftstellers - der Roman «Gastlosen» (1986) erscheinen. Es lohnt sich, den sperrigen, widerborstigen Schriftsteller, dessen Ton manchmal an Friedrich Glauser erinnert, wieder zu entdecken - und besonders aufschlussreich ist die Lektüre seiner Bücher, wenn man auch die von ihm beschriebenen Landschaften aufsucht.

Walther Kauer: Schwelbrände. Lenos Verlag. Basel 2004. 272 Seiten. Fr. 19.-