Steuergeschenke: Das Schweigen der Kantone

Nr. 12 –

Dank eines Bundesbeschlusses von 1995 bezahlen auch Unternehmen,die Milliardengewinne erwirtschaften, wenig oder gar keine Steuern. Siehe Galmiz.

Bis zu zehn Jahre lang könnte Amgen, die grösste Biotech-Firma der Welt, weitgehend von Steuern befreit sein, wenn sie in Galmiz im Kanton Freiburg eine Fabrik baut. Die Schweiz gilt als einer der wichtigen und attraktiven Biotech-Standorte und bietet im internationalen Vergleich tiefe Steuern, qualifiziertes Personal und eine gute Infrastruktur. Trotzdem ködern Kanton und Bund das Unternehmen Amgen, das Milliardengewinne schreibt, zusätzlich mit Steuergeschenken in zweistelliger Millionenhöhe. Das Zauberwort heisst Bonny-Beschluss. Damit ist der Bundesbeschluss von 1995 zur Förderung wirtschaftlich schwacher Regionen gemeint. 17 von 26 Kantonen sind teilweise oder ganz dem Bonny-Beschluss unterstellt (s. unten). Unternehmen, die sich in diesen Gebieten niederlassen, können bis zu zehn Jahre von Steuern befreit werden, sowohl von den kantonalen als auch von der direkten Bundessteuer. Das Parlament verlängerte 2001 den Bonny-Beschluss bis Ende Juni 2006. Bereits finden hinter den Kulissen hitzige Diskussionen darüber statt, wie es danach mit der «Lex Bonny» weitergehen soll.

Kein Kommentar

In den «Bonny-Kantonen» gelten die Steuergeschenke an Unternehmen als Amtsgeheimnis - über Geld redet man nicht. «Kein Kommentar», antwortet etwa Thomas Moser von der Wirtschaftsförderung des Kantons Schaffhausen auf die Frage nach der Höhe der Steuererleichterungen. Immerhin ist von ihm zu erfahren, dass sich zwischen 1997 und 2004 über 180 Firmen im Kanton niedergelassen und 950 Arbeitsplätze geschaffen haben. Elf Firmen haben laut Moser vom Bonny-Beschluss profitiert, je zur Hälfte waren dies Schweizer und ausländische Betriebe. «Wir sind sehr zurückhaltend mit dem Bonny-Beschluss», sagt Moser. Überprüfen lässt sich diese Aussage nicht. Noch weniger ist bei der Wirtschaftsförderung des Kantons Bern zu erfahren. «Wir sagen absolut gar nichts zum Thema», sagt Stefan Jans. «Fragen Sie beim Bund nach.»

Tatsächlich liefert dieser konkrete Zahlen zu den Steuergeschenken, aber nur bei der direkten Bundessteuer. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) berichtet, dass 2001 insgesamt 191 Unternehmen vom Bonny-Beschluss profitierten. Konkret haben diese anstelle des tatsächlich auszurichtenden Betrages von 106,3 Millionen Franken nur 32,7 Millionen direkte Bundessteuer bezahlt. Jedes Unternehmen erhielt also im Durchschnitt ein Steuergeschenk von fast 400 000 Franken. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei den Unternehmen um sehr erfolgreiche, finanzkräftige Firmen handelt oder nicht. Die Organisation Erklärung von Bern geht davon aus, dass beispielsweise auch Nestlé mit seiner Produktionsstätte im waadtländischen Orbe von Steuererleichterungen profitiert. Nestlé Schweiz war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Was machen die Gewerkschaften?

Der Bonny-Beschluss soll wirtschaftlich schwache Regionen fördern, also vor allem Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Grund genug für die Gewerkschaften, die Profiteure des Bonny-Beschlusses beim Wort zu nehmen? Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) sammelt keine Informationen auf nationaler Ebene. «Fragen Sie bei den Regionalstellen der Gewerkschaften nach», empfiehlt SGB-Sprecher Ewald Achermann. Raphael Fehlmann von der Unia Neuenburg wiederum verweist auf die Zentralstelle in Bern. «Wir machen hier keinen Unterschied zwischen Unternehmen, die von der 'Lex Bonny' profitieren, und solchen, die es nicht tun. Wir nehmen mit allen Unternehmen Kontakt auf, um einen sozialen Dialog herzustellen. Und wir verlangen von den Kantonen, dass sie von den Bonny-Unternehmen eine soziale Haltung einfordern.»

Lex Bonny

Der Bonny-Beschluss von 1995 ist ein Wirtschaftsförderungsinstrument zugunsten wirtschaftlich schwacher Gebiete. Siebzehn Kantone sind dem Bonny-Beschluss unterstellt, die Kantone Neuenburg und Jura flächendeckend, folgende Kantone teilweise: Appenzell Ausserrhoden, Bern, Freiburg, Glarus, Graubünden, Luzern, Obwalden, Schaffhausen, Solothurn, St. Gallen, Tessin, Thurgau, Uri, Waadt, Wallis.