Linke Medien (12): Spanische Webseiten

Nr. 27 –

«El País»! Die Antwort auf die Frage, welche spanische Zeitung als links bezeichnet werden kann, lautet immer gleich. «El País» ist mit einer Druckauflage von knapp 600000 die wichtigste und vermutlich auch beste überregionale spanische Tageszeitung und steht auch irgendwie links von rechts - aber tatsächlich links war «El País», wenn überhaupt, nur in den Anfangsjahren. Und das ist drei Jahrzehnte her.

«Das Land» (Bruttogewinn 2004: 126 Millionen Euro) konkurriert mit 82 regionalen und überregionalen Tageszeitungen (Gesamtauflage: 3,7 Millionen Exemplare), 6 Sporttageszeitungen (Gesamtauflage: 1,1 Millionen), 3 Wirtschaftstageszeitungen (Gesamtauflage: 170000) und 3 Gratisblättern («Metro», «20 Minutos», «Que») um die Gunst der LeserInnen. Zumindest quantitativ bietet die spanische Presse also ein reichhaltiges Angebot. Dabei darf man allerdings nicht übersehen, dass siebzig Prozent aller Blätter drei grossen Verlagsgruppen gehören: Grupo Prisa mit dem Flaggschiff «El País», Vocento und Editorial Planeta. Von Unabhängigkeit kann also keine Rede sein.

Dabei hatte Spanien zumindest in den siebziger und achtziger Jahren eine linke und vor allem unabhängige Pressekultur. Nach der franquistischen Diktatur war der Informationsbedarf ausgesprochen gross, und so kamen Blätter wie die linke Wochenzeitung «Punto y Hora» auf eine Auflage von 70000. Mitte der achtziger Jahre aber, kurz nach Übernahme der Regierung durch die damals noch sozialistische und heute sozialdemokratische PSOE, sank der Verkauf rapide (bei «Punkt und Stunde» zum Beispiel auf 8000 Exemplare). Die Mehrzahl der Zeitungen und Zeitschriften wurden entweder aufgekauft und verloren ihre Unabhängigkeit oder stellten den Betrieb ein.

Der Verkauf in Spanien läuft in erster Linie über ein weites Netz an Kiosken. Kaum ein Dorf - und sei es noch so klein -, das nicht wenigstens über einen Zeitungsstand verfügt. Angesichts des Angebots wird kaum abonniert, im Kioskverkauf liegt jedoch eines der Hauptprobleme für kleinere Blätter: Der Vertrieb ist ausgesprochen teuer.

Zum Ausgleich veröffentlichen viele JournalistInnen, die bei den grösseren Zeitungen beschäftigt sind, Artikel im Internet, meist in Form von Weblogs, die ausserordentlich gut besucht sind. GlobalisierungskritikerInnen finden zudem Informationen zu Veranstaltungen und alternative Berichterstattung bei Indymedia, das in Spanien gleich siebenfach vertreten ist (Alicante, Barcelona, Valencia, Galizien, Baskenland, Andalusien und Madrid), oder auf diversen Webseiten wie etwa «Rebelión» (www.rebelion.org), «Nodo50» (www.nodo50.org) oder «SinDomonio» (www.sindominio.net).

Eine der wenigen unabhängigen Tageszeitungen ist die baskische «Berria» (Nachricht). Die Zeitung mit einer Auflage von 21 000 Exemplaren wird von der Gruppe Euskaratzko Komunikazio Taldea S.A. herausgegeben, die knapp 44000 AktionärInnen hat: baskische Firmen, Vereinigungen, soziale Gruppen und Privatpersonen. Diese sorgten dafür, dass das Baskenland auch nach der Schliessung von «Euskaldunon Egunkaria» (baskische Tageszeitung) im Jahre 2003 über eine baskischsprachige Tageszeitung verfügt. Damals kamen in Rekordzeit 4,6 Millionen Euro Startkapital zusammen, inzwischen finanziert sich das Blatt durch Werbung und Verkauf.

Baskische Zeitungen haben mit vielen Problemen zu kämpfen: Sind die Artikel zu sehr auf eine Loslösung des Baskenlands von Spanien und gegen die Zentralregierung in Madrid gerichtet, wird schnell der Vorwurf laut, der oder die JournalistIn oder gar die ganze Redaktion unterstütze die Untergrundorganisation ETA. So geschehen im Fall von Pepe Rei, der gleich dreimal verhaftet wurde, zuletzt im Jahr 2001, als der Journalist sechs Monate unter dem Vorwurf der «Zusammenarbeit mit einer terroristischen Bande» im Gefängnis sass und dann aufgrund fehlender Beweise freigelassen wurde. So geschehen auch im Fall der Tageszeitungen «Egin» (Tun) und «Egunkaria»: «Egin» wurde 1998, «Egunkaria» fünf Jahre später verboten. Das zweite Verbot sorgte nicht nur im Baskenland für Empörung: Auch viele spanische Tageszeitungen - darunter «El País» - sprachen sich dagegen aus. Anders als die Staatsanwaltschaft sahen sie in «Egunkaria» in erster Linie ein Kulturblatt, das seine Hauptaufgabe darin sah, die baskische Sprache zu erhalten.

Deren frühere Redaktion macht heute «Berria», die Redaktion von «Egin» bringt seit sieben Jahren die Tageszeitung «Gara» (Wir sind) heraus. An «Gara» sendet ETA nicht nur alle Communiqués, die Redaktion wird auch angerufen, wenn es darum geht, Anschläge anzukündigen beziehungsweise vorzuwarnen. Viele ihrer Texte sind links (insbesondere die Wirtschaftsartikel), grundsätzlich konzentriert sich die Zeitung jedoch auf den Unabhängigkeitskampf im Baskenland. Sie gehört zum politischen Umfeld von ETA und der - seit 2003 verbotenen - Partei Batasuna. Deswegen hat der «Gara»-Verlag Baigorri Argitaletxea S.A. mittlerweile seinen Sitz in Frankreich.

Dies ist der zwölfte und letzte Beitrag unserer Serie "Linke Medien in Europa".

Bisher erschienen Texte zu Frankreich, Österreich, Dänemark, der Türkei, Norwegen, Polen, Italien, Britannien, Griechenland, Deutschland und Holland.