«NZZ AM SONNTAG»: Die stimmungsvolle Nicht-Einstellung

Nr. 2 –

Dem freien Wirtschaftsjournalisten Markus Diem Meier stellte die «NZZ am Sonntag» im Herbst des vergangenen Jahres eine halbjährige Anstellung in Aussicht. Doch daraus wurde nichts. Mit Ach und Krach brachte die zuständige Wirtschaftsredaktion zwar noch zwei seiner Artikel ins Blatt, doch dann war Schluss.

Fritz Pfiffner, Leiter der Wirtschaftsredaktion der «NZZ am Sonntag», schrieb Diem Meier einen Brief und teilte ihm die Auflösung seines Arbeitsverhältnisses mit. Ausdrücklich hielt er darin fest, dass weder seine journalistische Arbeit noch seine ökonomischen Überlegungen Grund für die Kehrtwendung der Zeitung seien. Was dann? «Es ging um Stimmungen und Emotionen», sagt Pfiffner gegenüber der WOZ: «Diem Meier ist sehr persönlich auf gewisse Leute losgegangen.» Bei diesen Leuten handle es sich einerseits um den «NZZ am Sonntag»-Kolumnisten Beat Kappeler und andererseits um Gerhard Schwarz, den Leiter der Wirtschaftsredaktion der «Neuen Zürcher Zeitung».

«Keine optimale Voraussetzung»

Diem Meier kritisiert die beiden in seinem Buch «Was heisst hier liberal?» (vgl. Kasten) wegen ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung heftig. Er beschreibt Kappeler, den früheren Sekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), als eifrigen Journalisten und Agitator für den Umbau des Landes, dessen mit konvertitischem Schwung geschriebene Predigten einige Aufmerksamkeit erhalten hätten. Kappeler gegenüber der WOZ überrascht: «Ich weiss nichts davon», daher komme er als Urheber für Emotionen und Stimmungen nicht in Frage.

NZZ-Redaktor Gerhard Schwarz wird von Diem Meier als Urgestein der Marktrevolutionäre porträtiert und als jemand, dem in ökonomischen Fragen die grundsätzliche Haltung wichtiger sei als empirische Daten. Auf Anfrage hält Schwarz fest, er habe mit der Diem-Meier-Geschichte nichts zu tun. Er habe sich einzig einmal, im Korridor mit Kollegen, darüber verwundert gezeigt, was für Leute für die «NZZ am Sonntag» schreiben. Was ihm an Diem Meiers Arbeit nicht gefalle, kann er nicht konkret sagen, sein Buch hat er nicht gelesen.

Die Verantwortung für die Nicht-Beschäftigung von Diem Meier übernimmt schliesslich Felix E. Müller, Chefredaktor der «NZZ am Sonntag»: «Meiers Buch liegt sicher nicht auf der Linie der Grundhaltung der NZZ. In diesem Buch gab es zudem persönliche Attacken auf einzelne Mitarbeiter. Mir schien dies keine optimale Voraussetzung für eine Zusammenarbeit.»

Eine Frage der Medienkultur

Für Pfiffner ist wichtig, dass er sich mit Diem Meier im Einvernehmen trennen konnte - dieser habe ihm bestätigt, er sei fair mit ihm umgegangen. Auch für Diem Meier - einst Redaktor der WOZ - bricht die Welt nicht zusammen, doch Fragen ergäben sich schon, wenn Journalisten in einer konzentrierten Verlagslandschaft in den Publikationen eines ganzen Verlags nicht mehr schreiben dürfen. Beruhigend ist für Diem Meier die Tatsache, dass der Jean-Frey-Verlag, dem «Weltwoche» und «Bilanz» gehören, sich nicht wie die NZZ verhält. In seinem Buch kritisiert Diem Meier auch verschiedene «Weltwoche»-Autoren wegen ihres neoliberalen Credos, gleichzeitig wurden in der «Bilanz» Buchauszüge veröffentlicht.

Roger Blum vom Institut für Kommunikation der Universität Bern hält es nicht einfach für moralisch verwerflich, wenn eine Zeitung nur eine gewisse Bandbreite von Meinungen publizieren wolle. Aber je kleiner die Zahl der Verlage, umso wichtiger die Frage, wie diese mit Kritik umgehen. Dies sei eher eine Frage der Medienkultur, denn gerichtlich lasse sich das Einstecken von Kritik nicht durchsetzen. Toleranz sei wichtig, entscheidend für eine Anstellung müsse die journalistische Kompetenz sein.


Warum die Zeitung einen Redaktor zuerst anstellt und dann doch nicht beschäftigen will.