Public Eye Davos: Weniger Glamour und Randale

Nr. 4 –

Seit sieben Jahren führen die Erklärung von Bern (EvB) und Pro Natura in Davos als Gegenveranstaltung zum Weltwirtschaftsforum (Wef) das Public Eye durch. Auf das diesjährige Wef-Motto «Der kreative Imperativ» antworten die Public-Eye-OrganisatorInnen mit kreativem Druck. Ein Gespräch mit EvB-Mediensprecher Oliver Classen.

WOZ: Ist die EvB kein bisschen Wef-müde?
Oliver Classen: Im Gegenteil, das Thema soziale Unternehmensverantwortung wird immer wichtiger und dringlicher. Alle Programmbereiche der EvB - Deregulierung, Privatisierung, Menschenrechte, Globalisierung - bündeln sich in diesem Thema.

Wer besucht das Public Eye?
In den Anfängen präsentierte sich das Public Eye als eine sachorientierte Podiumsveranstaltung über die Schattenseiten der Globalisierung. Heute treten wir pointierter und frecher auf. Unsere deswegen nicht minder fundierte Kritik üben wir mit einem Augenzwinkern. Damit wollen wir auch ein breiteres und jüngeres Publikum ansprechen.

Und das funktioniert?
Ja. Mit der Pointierung reagieren wir gleichzeitig auf die abnehmende Bedeutung des Wef in der Weltöffentlichkeit. Organisator Klaus Schwab ist nach Jahren der vermeintlichen Öffnung des Wef nach aussen zur Hinterzimmerpolitik zurückgekehrt. Die Unternehmer verschwenden ihre Zeit nicht mehr auf den Podien des Open Forum, um ihr Image zu verbessern, sondern gehen «back to business». Das hat auch mit dem abnehmenden Druck von der Strasse zu tun.

Was will die EvB in Davos erreichen?
Erstens wollen wir soziales und ökologisches Fehlverhalten von Wef-Mitgliedern und anderen Grosskonzernen klar benennen und thematisieren. Direkt Betroffene erhalten die Möglichkeit, in Davos ihre Geschichte zu erzählen. Zweitens bieten wir sowohl eine Plattform als auch ein Netzwerk für die NGOs des Südens und für unsere Partnerorganisationen.

Was hat die EvB mit dem Public Eye bisher erreicht?
Ohne das Public Eye gäbe es kein Open Forum, die Wef-interne Diskussionsplattform, auch wenn es dem Wef vor allem als Feigenblatt dient. Ein anderes Beispiel ist Shell. Letztes Jahr erhielt der Ölkonzern einen Public Eye Award für sein umweltschädliches Verhalten in Nigeria. Damit haben wir mitgeholfen, so lange Druck auszuüben, bis die nigerianische Regierung Shell mit einem rechtskräftigen Urteil zu strengeren Umweltauflagen verpflichtet hat.

Redet die EvB auch direkt mit den Chefs der von ihr kritisierten Unternehmen?
Das haben wir anfänglich probiert. Allerdings haben wir schnell die Erfahrung gemacht, dass ein kritischer Dialog mit ihnen nicht möglich ist. Stattdessen missbrauchten die Unternehmer die Public-Eye-Veranstaltungen systematisch zur Verbesserung ihres Images. Und obwohl wir alle Preisträger Jahr für Jahr einladen, hat bisher noch niemand einen Award abgeholt.

Wie beurteilt die EvB das Interesse der Medien am Public Eye?
Erfreulicherweise hat das Interesse der Medien deutlich zugenommen. In dem Masse, wie Glamour und Randale am Wef abnehmen, steigt die Aufmerksamkeit gegenüber Veranstaltungen wie dem Public Eye. Ausserdem haben wir das Public Eye weiter entwickelt. Dieses Jahr vergeben wir erstmals einen neuen Preis, den Positive Award. Dieser geht an NGOs, deren grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu einem konkreten Erfolg geführt hat.