Wie die WOZ 1982 einen Kriegsverbrecher als chilenischen Botschafter in der Schweiz verhinderte und damit im Bundeshaus für rote Köpfe sorgte: Peinlich, Herr Aubert!

Nr. 12 –

Am 26. März 1982 wartete die WOZ mit einem Primeur auf, der in Bundesbern für einigen Wirbel sorgte. «Forestier - Wolf im Diplomatenpelz» lautete die Schlagzeile auf der Titelseite. WOZ-Redaktor Georg Hodel enthüllte in diesem gut recherchierten Artikel die üble Rolle, die der ehemalige Vize-Armeechef Chiles und Intimfreund Augusto Pinochets, General Carlos Forestier Haensgen, während und nach dem Militärputsch von 1973 in Chile gespielt hatte. Besonders brisant an der Geschichte war: Eine Woche zuvor hatte der Bundesrat eine Akkreditierung Carlos Forestiers als neuer Botschafter Chiles gutgeheissen.

Hodel berichtete: «Ein Gewährsmann der WOZ [Sergio Poblete, Luftwaffengeneral unter Allende] hat Beweise dafür, dass Carlos Forestier zur Zeit des Putsches Chef der ‹Zona de Emergencia› (Notstandsgebiet) in der chilenischen Nordprovinz Tarapaca war und dort die 6. Division der Landstreitkräfte, die in Iquique stationiert war, kommandierte. Forestier war für die Folterungen, die im Konzentrationslager von Pisagua sowie in den Militärstationen und in den Gefängnissen der Provinz Tarapaca begangen wurden, verantwortlich.» Auf Forestiers und Staatsanwalt und Justizgeneral Mario Acuna Riquelmes Befehl hin seien Soldaten, die sich nicht am Putsch beteiligen wollten, gefoltert und elf davon erschossen worden. Weiter hätten Forestier und Riquelme zugelassen, dass die Streitkräfte «Raub, Mord und Vergewaltigungen an der Zivilbevölkerung betrieben». Zudem habe Forestier «nach dem Putsch die Exekution vieler politischer Gefangener verfügt» und sei «nachweislich in den Mordfall Letelier verwickelt gewesen». Der ehemalige Aussenminister Allendes, Orlando Letelier, war am 21. September 1976 im Botschaftsviertel von Washington durch eine Autobombe getötet worden. - Ein Mordfall in einer Serie von Attentaten, die der chilenische Geheimdienst DINA im Ausland beging.

Sergio Poblete machte gegenüber der WOZ, so Hodel, «keinen Hehl daraus, dass die Nomination von Forestier Resultat einer traditionell guten, um nicht zu sagen ‹innigen› Beziehung zwischen der offiziellen Schweiz und der chilenischen Militärjunta sei».

Die Enthüllungen der WOZ sorgten im Bundeshaus für rote Köpfe. Nach anfänglichem «no comment» erklärte das EDA in der darauf folgenden Woche knapp, dass ihre Abklärungen «keinerlei Hinweise für die Richtigkeit solcher Behauptungen» ergeben hätten. Und weiter: Die Tatsache, dass ein Botschafter die «politische Linie» der ihn entsendenden Regierung verfechte, bilde gemäss allgemeiner Praxis keinen Grund, die Akkreditierung zu verweigern. «Voilà», bemerkte Georg Hodel angesichts dieser Bankrotterklärung sondergleichen (WOZ Nr. 13/82).

Wenige Tage später zog die chilenische Regierung die Botschaftskandidatur Forestiers überraschend zurück. Peinlich für Bundesrat Aubert!

Im Jahr 2000 ordnete Richter Juan Guzman Tapia, der Untersuchungsrichter im Prozess gegen Exdiktator Augusto Pinochet, die Verhaftung und strafrechtliche Verfolgung von Carlos Forestier an. Ihm wurden Straftaten im Zusammenhang mit der Entführung von zehn politischen Gefangenen, unter anderem hochrangigen Mitgliedern der Sozialistischen Partei (PS), im Jahre 1973 zur Last gelegt. Forestier ist damit der höchstrangige Offizier, der in einem Fall von Menschenrechtsverletzung in Chile angeklagt wurde. Carlos Forestier starb im August 2005 im Alter von 86 Jahren an Zungenkrebs.

Den vollständigen Text zu Beinahe-Botschafter Carlos Forestier finden Sie hier: Der Wolf im Diplomatenpelz.


Bis zu unserem Jubiläum im Herbst stellen wir an dieser Stelle eine kleine Auswahl der Highlights vor, die in den letzten 24 Jahren in der jeweiligen Kalenderwoche in der WOZ erschienen sind. Diesmal ist die Kalenderwoche 12 Anlass zum Rückblick auf eine gewichtige Enthüllung.