Namensänderung: Im Namen des Vaters

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Einen Namen offiziell ändern zu lassen, ist alles andere als einfach - es sei denn, er klingt wirklich peinlich. Wer will schon Frau Seckel heissen?

«Jedes Mal, wenn ich mich vorstellen musste, sei es in der Schule, bei der Arbeit oder am Schalter, war es dasselbe Theater», sagt der im Tessin lebende Roberto. «Immer die ewig gleichen Sprüche, grinsende und glotzende Gesichter.» Roberto hiess Bigolin - der Name eines bekannten Geschlechts aus Venedig, der aber im Tessiner Dialekt so viel wie «Seckel» bedeutet. Um seiner Tochter den Spott zu ersparen, hat Roberto vor ihrer Geburt ein Gesuch auf Namensänderung gestellt: Aus Roberto Bigolin wurde Roberto Cortinovis. Cortinovis ist der ledige Name seiner Mutter. Erst hatte er noch erwogen, jenen seiner Frau anzunehmen, doch dann hätte er gleich geheissen wie sein Schwager, und das wollte er nicht. Bei der Wahl seines zukünftigen Namens war für Roberto jedoch von Anfang an klar: Er sollte etwas Familiäres an sich haben, nicht einfach aus der Luft gegriffen sein. Trotz allem fiel es ihm nicht leicht, sich definitiv von Bigolin zu verabschieden. «Wenn mein Vater noch lebte, hätte ich es wohl nicht übers Herz gebracht. Er war mächtig stolz auf die venezianischen Wurzeln.» Doch schliesslich habe er sich gesagt: «Weshalb ein Drama daraus machen, es ist ja nur ein Name.»

Platon brauchte keinen Nachnamen, Kleopatra auch nicht. Erst im Mittelalter, als die Städte immer grösser und die Namen - der älteste Sohn wurde oft nach dem Vater oder Grossvater benannt - immer weniger wurden, reichte der Vorname nicht mehr aus. Um Verwechslungen zu vermeiden, benutzte man Beinamen, die insbesondere vom Vaternamen (Konrad), dem Herkunftsort (Zürcher), der Wohnstätte (Gmür, wenn jemand an einem Gemäuer wohnte), dem Beruf (Schneider, Müller, Meier) oder persönlichen Eigenschaften (Weiss, wenn jemand besonders hellhaarig war) abgeleitet wurden.

Eltern verstummt

Diese Beinamen, die sich ursprünglich auf eine bestimmte Person bezogen, wurden ab dem 12. Jahrhundert vererbt. So kam es, dass der Sohn Metzger hiess, obwohl er Bäcker war, oder dass Fritz Klein alle andern überragte. Während sich diese Namen noch ohne weiteres ändern liessen, wurden im 19. Jahrhundert feste Familiennamen verbindlich. Seit 1907 besteht in der Schweiz ein Namensänderungsgesetz (Art. 30 ZGB).

«Es ist ja nur ein Name» - das hatte sich Andreas Flury auch gesagt. Doch seit er bei der Heirat den Nachnamen seiner Frau angenommen hat, weil sie ihren gerne behalten wollte, sprechen seine Eltern nicht mehr mit ihm. «Wenn dir dein Name so wenig wert ist, dann brauchen wir auch nicht an deine Hochzeit zu kommen», war ihre Antwort. Für Flury war jedoch klar: «Es ist unsere Entscheidung, wir sind niemandem Rechenschaft schuldig.»

Seit der Einführung des neuen Eherechts 1988, das auf dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Frau und Mann beruht, wählen immer mehr Ehepaare bei der Heirat den Namen der Frau als Familiennamen: Im Kanton Zürich gingen im Jahr 2005 insgesamt 267 Gesuche ein, volle fünfzehn Prozent mehr als im Vorjahr. Ein Gesuch auf Namensänderung ist nötig, da gemäss Zivilgesetzbuch (ZGB) mit der Hochzeit automatisch der Name des Mannes zum Familiennamen wird, den auch die Kinder tragen. Trotz verfassungsrechtlichem Gebot lässt die Gleichstellung bei der Wahl des Familiennamens also weiterhin auf sich warten: 2001 lehnte das Parlament die Gesetzesrevision ab, die vorgesehen hatte, dass Brautpaare auf Wunsch den Namen der Frau als gemeinsamen Familiennamen führen oder - wie es beispielsweise in Frankreich der Fall ist - ihren eigenen Namen behalten können.

Auch der Wandel in den Köpfen muss erst noch stattfinden: Bis heute wird grundsätzlich erwartet, dass die Frau bei der Heirat den Namen des Mannes annimmt. Ansonsten wird der Mann argwöhnisch beäugt und trägt das Stigma des Pantoffelhelden. Der Linguist und Namenforscher Ottavio Lurati befürchtet eine gewisse Verunsicherung des Familienbewusstseins, wenn die Namen von Generation zu Generation wechseln: «Es würde dann bald unmöglich sein, einen Stammbaum zurückzuverfolgen.» Angesichts der gesellschaftlichen Nivellierung und der Globalisierung sei das Bedürfnis nach Identität heute besonders gross. Übersehen wird bei dieser Argumentation, dass die Frauen ebenfalls aus Identitätsgründen nach der Heirat ihren eigenen Namen behalten wollen.

Wieder der ledige Name

Einer, der weiss, dass bei Namensänderungsgesuchen nach rein objektiven Kriterien entschieden werden muss, ist Ronny Wunderli, Leiter der Abteilung Zivilstandswesen des Kantons Zürich. «Dem inneren Empfinden sowie dem Interesse Dritter kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts keine Bedeutung zu.» Grosse Chancen auf einen positiven Entscheid haben Gesuche wie jene von Roberto Cortinovis oder Andreas Flury: Wenn also der Name als lächerlich, hässlich oder anstössig erscheint oder - hier ist die Praxis weit weniger streng - der Name der Frau als Familienname gewählt wird. Das Gleiche gilt für Anpassungen des Vor- und Nachnamens an eine seit langem im privaten Bereich geführte Schreibweise oder wenn Frauen ihren ledigen Namen wieder führen wollen, jedoch die einjährige Frist nach der Scheidung verpasst haben, in der dies ohne Behördenentscheid möglich ist.

Aussterbendes Geschlecht

Demgegenüber gibt es eine ganze Reihe von wegweisenden Fällen, die bis ans Bundesgericht weitergezogen und definitiv abgelehnt wurden. So wird etwa die Aufrechterhaltung eines berühmten Namens nicht als wichtiger Grund erachtet: 1982 hat das Bundesgericht ein Gesuch der Familie Bonvin abgelehnt, die den beiden Söhnen den Namen der Mutter, von Stockalper, weitergeben wollte, um zu verhindern, dass das alte Geschlecht ausstirbt. Auch auf den Wunsch von Scheidungskindern, gleich zu heissen wie die Mutter, wird heute nicht mehr eingegangen. Das Bundesgericht argumentiert, angesichts des gesellschaftlichen Wandels hätten Kinder keine sozialen Nachteile mehr zu erwarten, wenn die Familienverhältnisse im Namen sichtbar seien. Auch die Befürchtung, durch den Namen im Fortkommen behindert zu werden, gilt als unzureichender Grund für einen Namenswechsel. Im Fall zweier Mädchen, die den Namen ihres aus Albanien stammenden Vaters tragen, obwohl sie bei ihrer geschiedenen Mutter leben, argumentierte das Bundesgericht, es sei nicht anzunehmen, dass sich der Grossteil der Bevölkerung durch den balkanisch klingenden Namen negativ beeinflussen lasse. Albanische Jugendliche auf Lehrstellensuche erzählen allerdings etwas ganz anderes. Offenbar ist das Bundesgericht der Zeit voraus.