Alltag in der Kunst: Panzer und Primeln

Nr. 26 –

Der Neue Shed im Eisenwerk Frauenfeld zeigt eine Ausstellung zur Allmend, die gleichzeitig militärisches Übungsgelände und Freizeitlandschaft ist.

Letztes Wochenende rappten auf der grossen Allmend im thurgauischen Frauenfeld Saïan Supa Crew, Breitbild, Black Eyed Peas und andere über die Bühne des Openairs. Zugleich ist die Frauenfelder Allmend aber auch Ort der Hundehalter, Reiterinnen, Spaziergänger, Joggerinnen, Modellfliegerinnen, Hornusser, Combatschützen und Soldaten.

Diese vielfältigen Nutzungen machen das weitläufige Gebiet zu einer wirklichen «Allmend»: Das Wort steht für ein von allen Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde gewohnheitsrechtlich gemeinsam genutztes Gelände. Ab 1500 nahm die Obrigkeit das Gebiet jedoch immer mehr für sich in Anspruch. Im 19. Jahrhundert wurde die Frauenfelder Allmend, deren heutige Grenzen sich durch die Reichweite von Kanonenschüssen ergaben, als Exerzierfeld an-gelegt. Noch immer finden hier militärische Modellkriege statt, unter der Schusslinie der Artillerie weidende Schafe beschwören aber bukolische Fantasien herauf, Schmetterlinge gebären Paradiesträume.

Die gegensätzlichen Nutzungsarten sind Thema der Ausstellung «Die Allmend - Ansichten einer Landschaft» im Shed im Eisenwerk Frauenfeld. Dass sich durch die Überlagerung verschiedener Interessen neue Handlungsräume eröffnen, gehört zu den spannenden Erkenntnissen dieser Ausstellung: Schmetterlingsbiotop und Froschschutzraum sind dank Granateneinschlägen und Panzerfahrzeugrinnen entstanden, der verletzte Boden hat den Tieren optimale Lebensbedingungen geboten.

«Es mag überflüssig erscheinen, einen Gegenstand zum Thema einer Ausstellung zu machen, der in unmittelbarer Nähe für alle quasi im Original zugänglich ist», räumt Kurator Ulrich Binder ein. Profilierte sich der Shed im Eisenwerk früher mit namhaften Kuratoren wie Harm Lux oder Sabine Schaschl sowie einem international orientierten Programm, will die neue Leitung Auseinandersetzungen mit der eigenen Umgebung und mit alltäglichen Ereignissen fördern. Nicht nur die Kunstszene aus Zürich, sondern auch der hiesige Schweine- und Kaninchenzüchter, die Köchin aus der Genossenschaftsbeiz, der Rekrut und die Reiterin sollen die Ausstellungen besuchen.

Den unterschiedlichen Nutzungsarten stellt die Ausstellung unterschiedliche Sichtweisen bei. «Die Allmend» im Ausstellungsraum ist reduziert auf eine klug konzipierte Fotoausstellung, die Hobbyfotografen und professionelle Künstlerinnen zusammenbringt. Eingerahmt wird sie von Vorträgen (unter anderem des Historikers Mischa Gallati und der Schriftstellerin Zsuzsanna Gahse) sowie geführten Begehungen des Geländes.

Die AusstellungsmacherInnen haben biografisch mit dem Ort verbundene FotografInnen eingeladen, ihren Blick auf die Landschaft und die Nutzungsüberlagerungen zu werfen. So treten Bilder der Pressefotografin Mirjam Wanner mit dem Fotoarchiv der Gemeinde Frauenfeld in einen Dialog. Bereits in den neunziger Jahren hat Dieter Berke die Thur fotografisch erforscht. Simone Kappelers poetisches Abtasten ergänzt das zielgerichtete Suchen des Biologen Joggi Rieder, der im Auftrag der Waffenplatzverwaltung die Renaturierungsmassnahmen begleitet. Mit prachtvollen Bildern wirbt er für einen Waffenplatz als Naturschutzgebiet.

Seit den sechziger Jahren fotografiert Fritz Suhner die Segel- und Modellflieger. Sein unterdessen digitalisiertes Archiv gibt Einblick in die Entwicklung sowohl des Fliegens als auch des Fotografierens. Den Bildarchiven der verschiedenen Vereine stellt Roland Iselin seine eigenen Fotografien gegenüber. Er erforscht seit rund zehn Jahren mit der Kamera das globale Freizeitverhalten. Auf Iselins Allmendbildern bekommen Verbauungen und Dämme für Hunde und Panzer eine künstlerische Dimension, werden unfreiwillig zu Land-Art.

Mit ausgefeilter Blitzlichttechnik ist Christian Schwager, der seinen Blick mit der Ausstellung «Falsche Chalets» und mit anderen Fotoserien zu militärischen Bauten, aber auch als Panzerfahrer geschult hat, den Erderhebungen zu Leibe gerückt. In Schwagers Bildern wird die Landschaft zu einem abgründigen Reich; sie gleichen den rätselhaften, streichelweichen und menschenleeren Inszenierungen von Gregory Crewdson oder Jeff Wall.


«Die Allmend», Neuer Shed im Eisenwerk, Frauenfeld, Mi, 12-21 Uhr; Do/Fr, 15-21 Uhr; Sa 12-20 Uhr. Bis 22. Juli. Führung durch die Ausstellung: Sa, 1. Juli, 16 Uhr, Sa, 15. Juli, 16 Uhr.