Asylgesetz: Ein gutes Geschäft

Nr. 31 –

Was geschieht eigentlich mit dem Geld, das der Bund von arbeitenden AsylbewerberInnen einzieht und auf so genannten SiRück-Konten deponiert?

Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene sind seit 1992 verpflichtet, Fürsorge- sowie allfällige Vollzugs- und Ausschaffungskosten zu bezahlen. Für «Sicherheitsleistung und Rückerstattungspflicht» (SiRück) – so die Formulierung des Bundesamtes für Migration (BFM) – müssen ArbeitgeberInnen zehn Prozent des Lohnes von AsylbewerberInnen auf ein Sperrkonto, das so genannte SiRück-Konto, überweisen. Auch allfälliges Vermögen können die Asylbehörden einziehen und auf dem Konto deponieren. Zurzeit liegen etwa hundert Millionen Franken auf den rund 20 000 SiRück-Konten.

1997 musste der Bund eine besondere Task Force «SiRück» einsetzen, um das in den ersten fünf Jahren entstandene Chaos in der Buchhaltung in den Griff zu bekommen. Viele abgewiesene Asylsuchende meldeten sich bei der Ausreise nicht beim BFM ab, holten keinen Austrittsstempel an der Grenze ein, gaben kein Bankkonto oder keinen festen Wohnsitz in einem anderen Land an. Bis zum Jahr 2000 konnten 10 902 Konto-InhaberInnen nicht mehr aufgefunden werden. In 514 Fällen wäre ein Positivsaldo von insgesamt einer Million Franken ausbezahlt worden. Nach Recherchen der WOZ gelten inzwischen 1149 Konten mit einem Positivsaldo von 3,2 Millionen Franken als «unanbringlich». Diese Gelder fallen nach zehn Jahren an den Bund und können danach nur zurückgefordert werden, wenn man entschuldbare Gründe hat.

Die Task Force förderte damals weitere Probleme ans Licht. So hatten Patrons die Rückstellungen nicht sauber abgerechnet. Die Task Force durchleuchtete bis März 2000 insgesamt 46000 Konten, verschickte 11065 erste Mahnungen, 1313 zweite Mahnungen, 263 Betreibungen und machte 230 Eingaben bei Konkursämtern.

Fürsorge wegen SiRück

Nicht immer verschwinden die SiRück-Beiträge bei den Unternehmen oder beim Bund, wie das Beispiel der Familie K.* zeigt. Ende Dezember 2004 erhielt sie 43000 Franken ausbezahlt. 1991 in die Schweiz geflohen, war der Vater durchwegs als Hilfsarbeiter in einer Druckerei beschäftigt, die alle drei Monate zehn Prozent seines Lohnes auf ein Sperrkonto einzahlte. In elf Jahren waren so über 50 000 Franken zusammengekommen. Nach Abzug von 7200 Franken für Unterstützungsleistungen überwies das BFM den restlichen Betrag an die Familie. Sie war zuvor in der Schweiz eingebürgert worden und erfüllte damit einen der Abrechnungsgründe für die SiRück-Konten. Denn abgerechnet wird, wenn die Asylsuchenden endgültig in der Schweiz bleiben dürfen, endgültig aus der Schweiz ausreisen müssen oder wenn die Behörden längere Zeit ohne Nachricht sind.

Wohin geht das Geld?

Familie K. konnte nachweisen, dass sie nur für 7200 Franken Unterstützungsleistungen bezogen hatte. Denn normalerweise zieht der Bund eine Pauschale von 8400 Franken pro Person beziehungsweise maximal 25200 Franken pro Familie ab. Dies unter der Annahme, dass Asylsuchende wegen des Arbeitsverbots mindestens sieben Monate vollumfänglich unterstützt werden müssen. Für die Zeit der vorläufigen Aufnahme werden vierzig Franken pro Tag und Person erhoben. Die Pauschalen des Bundes zur Unterstützung von fürsorgeabhängigen Asylsuchenden decken wohl die von den Kantonen in Rechnung gestellten Kosten von vierzig Franken pro Tag und Person. Auf Gemeindeebene operiert man jedoch mit anderen Zahlen. Die Asyl-Organisation des Kantons Zürichs geht von folgenden Aufwendungen aus: zehn Franken pro erwachsene Person, sieben Franken für das erste, fünfeinhalb für das zweite und vier Franken für jedes weitere Kind. Dazu kommen die Kosten für die Krankenversicherung sowie für die Unterbringung – zum Beispiel in einem veralteten Atombunker oder in einem verlotterten Gebäude. Den Rest der Bundespauschale kann die Gemeinde dann mit der Jahresrechnung einstreichen.

Auch andere verdienen gut am Zwangssparen der AsylbewerberInnen. Da ist zum Beispiel die kontoführende Postfinance, die die Guthaben zurzeit mit 0,375 Prozent verzinst. Andere vergleichbare Konten, zum Beispiel bei Mietkautionen, werden mit 0,5 bis 1,5 Prozent verzinst. Und jährlich fallen bei der Postfinance zwanzig Franken für die Kontoverwaltung an – selbst wenn keine Buchungen getätigt wurden.

Ein Positivsaldo, der nach Abzug der Fürsorgepauschale und – im Falle einer Ausreise – der tatsächlichen Ausschaffungskosten übrig bleibt, wird frühestens sechs und durchschnittlich vierzehn Monate nach Eintreten eines Abrechnungsgrundes ausbezahlt. Familie K. ist zufrieden. Lange Zeit hatte sie nach Abzug der Miete und der Krankenkassenbeiträge von 2200 Franken im Monat leben müssen. Frau K. erinnert sich: «Mitte 1996 bekamen wir eine neue Wohnung und waren nicht mehr von der Fürsorge abhängig. Zudem erhielt mein Mann sofort eine Lohnerhöhung, die ihm schon lange versprochen worden war. Der einzige Grund dagegen war zuvor: Das Geld komme sonst eh nur dem Sozialamt zugute! Es war eine schwierige Zeit.» Familie K. musste wegen der SiRück-Einzahlungen von der Gemeinde unterstützt werden.

Vergeblicher Versuch

Dass es auch mühselige Versuche gibt, an das SiRück-Geld zu gelangen, zeigt das Beispiel von Hüseyin Poyarazoglu, der 1997 unkontrolliert aus der Schweiz nach London ausreiste, wo er sich eine adäquate Behandlung seines Krebses erhoffte. Da er als Illegaler eine solche nicht erhielt, begab er sich schliesslich in sein Heimatdorf in der Türkei. Dort konnte er sich die Medikamente jedoch nicht leisten und verstarb am 19. April 1998 ohne Behandlung. Sein Rechtsvertreter hatte kurz nach der Abreise aus der Schweiz eine provisorische Abrechnung seines SiRück-Kontos erhalten – mit einem Gesamtguthaben von Fr. 16448.10. Doch das Amt hatte sich bis weit nach dem Tod von Poyarazoglu geweigert, eine Schlussabrechnung zu erstellen.

* Name der Redaktion bekannt



Massiv höhere Abgaben

Mit dem neuen Asylgesetz sollen die Sicherheits- und Rückerstattungskonten (SiRück) zu einer Solidarabgabe umfunktioniert werden. Fortan würden Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene neben ihren eigenen Fürsorgekosten auch diejenige aller anderen mitbezahlen. Diesem Systemwechsel hat das Parlament mit grosser Mehrheit zugestimmt, ohne die Höhe der Sonderabgabe festzulegen. Laut einem Gutachten des Instituts für Steuerrecht der Universität Bern muss diese aber betraglich und zeitlich begrenzt sein, um nicht als verfassungswidrige Sondersteuer zu gelten. Alfred Kögl, Ressortleiter SiRück beim Bundesamt für Migration (BFM), führt dazu aus: «Zurzeit liegt ein Entwurf für neue Asylverordnungen vor, der eine Pauschale von 15 000 Franken pro Konto vorsieht. Diese ist unabhängig von den reell ausbezahlten Unterstützungsbeiträgen. Die Sonderabgabe wird zudem während maximal zehn Jahre nach dem ersten Arbeitsantritt erhoben.»

Dazu folgende Rechnung: 1992 wären Familie K. noch 3600, fünf Jahre später 4800, nochmals fünf Jahre später 8400 Franken pro Person verrechnet worden. Nur dank der Vorlage geeigneter Beweismittel konnte die Familie diese Pauschalen umgehen. Würden die vorgesehenen Pauschalen mit dem neuen Asylgesetz zur Regel, hätte Familie K. ohne die Möglichkeit eines Widerspruchs statt 7200 insgesamt 30 000 Franken bezahlen müssen, da auch Frau K. lohnabhängig war und ein Konto besass. Wäre einer der Söhne bereits in der Lehre gewesen, hätte sich der Betrag auf bis zu 45 000 Franken erhöht. Frau K. dazu: «Ich habe Respekt vor den Schweizer Gesetzen, doch ich finde es ungerecht, wenn arbeitende Familien, die Schutz bei uns suchen, so stark belastet werden, dass sie unterstützt werden müssen.» Als SchweizerInnen werden die Mitglieder der Familie K. wohl auch deshalb am 24. September gegen das Asylgesetz stimmen. Frau K.: «Ich habe ja selbst erlebt, wie schlimm das ist.»