Die Argumente: Elf Gründe für zwei Nein

Nr. 33 –

Das revidierte Asylgesetz (AsylG) und das Ausländergesetz (AuG) sind eng ineinander verzahnt. Hier die Gründe, weshalb beide Vorlagen abgelehnt werden müssen.

1. Flüchtlinge bedürfen des Schutzes, auch ohne Papiere

Das Asylgesetz sieht vor, dass auf ein Asylgesuch nur noch eingetreten wird, wenn ein Flüchtling einen Reisepass oder eine Identitätskarte vorlegt – eine Geburtsurkunde oder ein Fahrausweis reichen nicht mehr. Sie oder er muss die Papiere binnen 48 Stunden besorgen. Selbst SchweizerInnen würden es nicht schaffen, sich innert zwei Tagen Papiere ins Ausland nachschicken zu lassen. Gerade politisch Verfolgte haben zudem grösste Probleme, in ihrem Heimatland einen Reisepass zu erhalten.

2. Jeder und jede hat Anspruch auf Sozialhilfe

Die Schweizer Verfassung sichert jedem Menschen, der in eine Notlage gerät, Unterstützung zu. Abgewiesene Flüchtlinge darf man nun aber von Gesetzes wegen auf die Strasse stellen. Diese Regelung betrifft nicht nur Flüchtlinge, die neu in die Schweiz einreisen, sondern auch 10000 Flüchtlinge, die schon seit Jahren hier leben und schulpflichtige Kinder haben. Es gibt explizit keine Härtefallregelung. Selbst bei besonders «verletzlichen» Personen – also Kindern, Kranken oder Schwangeren – wird die Sozialhilfe gestrichen, wenn die Behörden auf ihr Asylgesuch nicht eintreten. Auch sie werden ohne Wohnung und Geld auf der Strasse stehen. Damit verstösst die Schweiz unter anderem gegen die Kinderrechtskonvention.

3. Die Flüchtlingskonvention darf nicht verletzt werden

Die neue Gesetzgebung verstösst in verschiedenen Punkten gegen die Flüchtlingskonvention. Weil sie eben Flüchtlinge, die keine Reisedokumente haben, gar nicht ins Asylverfahren lässt. Aber auch, weil sie nur jemanden als Flüchtling anerkennt, wenn er oder sie durch den Staat verfolgt wird. Alle anderen europäischen Länder anerkennen «nichtstaatliche Verfolgung» als Asylgrund.

4. Man darf niemanden, der keine Tat begangen hat, inhaftieren

Gefängnis ist die schärfste Strafe, die dieses Land kennt. Man sollte nur für schwere Delikte ins Gefängnis gehen müssen. Die Zwangsmassnahmen sehen jedoch vor, dass eine Person, nur weil sie sich beispielsweise weigert, ihre Identität preiszugeben, bis zu zwei Jahren inhaftiert werden kann. Ein Teil der Zwangsmassnahmen betreffen die sogenannte Durchsetzungshaft, eine Beugehaft, die man nur einsetzt, um eine Person unter Druck zu setzen (damit sie zum Beispiel ihre Identität preisgibt). Ein Rechtsstaat tut das nicht: «Die Beugehaft hat eine gefährliche Nähe zu Folter», konstatiert die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Abgesehen davon kostet diese Haft, die nachweislich nicht viel bringt, enorm viel.

5. Minderjährige gehören nicht ins Gefängnis

Die Zwangsmassnahmen gelten auch für Minderjährige. Man darf sie, obwohl sie nichts angestellt haben, neun Monate lang inhaftieren. Auch sie kann man in Beugehaft nehmen.

6. Es darf keine Apartheidgesetze geben

Künftig kann man gegen abgewiesene Flüchtlinge eine Ein- oder Ausgrenzung verhängen: Sie dürfen gewisse Gebiete nicht mehr betreten oder nicht verlassen. Besonders die Eingrenzung kann wie eine verdeckte Haftstrafe wirken. Zudem ist es möglich, die Privatwohnungen von Flüchtlingen zu durchsuchen. Bei SchweizerInnen darf das die Polizei nur, wenn ein Durchsuchungsbefehl vorliegt. Des Weiteren erfassen die Behörden die Fingerabdrücke und biometrischen Daten aller Flüchtlinge, was sich SchweizerInnen nie gefallen liessen, da man weiss: Wer so erfasst wird, wird eines schweren Deliktes verdächtigt. Über ein Drittel des ganzen Ausländergesetzes besteht aus polizeirechtlichen Massnahmen, die nur für Menschen aus Nicht-EU-Staaten gelten. In einem Rechtsstaat sollten aber für alle Menschen dieselben Gesetze gelten.

7. Binationale Paare sind nicht einfach Scheinehepaare

Das Ausländergesetz verdächtigt prinzipiell alle, die jemanden aus einem Nicht-EU-Staat heiraten, eine Scheinehe einzugehen. Die Behörden dürfen bei den NachbarInnen und Bekannten rumschnüffeln, um herauszufinden, ob die beiden wirklich aus Liebe geheiratet haben. Zudem droht jemandem, der eine Scheinehe eingegangen ist – auch wenn er es aus reiner Gefälligkeit tat – eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren. Falls die Person Heiratsgeld angenommen hat, muss sie mit einer fünfjährigen Gefängnisstrafe rechnen.

8. Es darf keinen Zwang zum Zusammenleben geben

Verheiratete Paare müssen laut dem Ausländergesetz zusammenleben, wenn beide oder eine der beiden Personen aus einem Nicht-EU-Land stammen. Damit werden auch SchweizerInnen, die mit Nicht-EU-AusländerInnen verheiratet sind, schlechter gestellt als Ehepaare, die einen EU-Pass haben – die müssen nämlich nicht zusammenleben. Geht eine binationale Ehe auseinander und die EhepartnerInnen haben noch nicht drei Jahre zusammengelebt, wird es schwierig: Eine Person ohne EU-Pass hat dann keinen Anspruch, dass ihre Aufenthaltsbewilligung verlängert wird, und muss das Land verlassen. Das ist vor allem gravierend, wenn sich eine Ausländerin von ihrem prügelnden Mann trennen möchte. Sie hat nur die Wahl, sich weiterhin verprügeln zu lassen oder die Schweiz zu verlassen.

9. Familien gehören zusammen

EU-BürgerInnen, die in der Schweiz leben, können problemlos ihre Familien hierher holen. Für Familien ohne EU-Pass gelten hingegen massive Einschränkungen beim Familiennachzug. Kinder müssten innerhalb von fünf Jahren in die Schweiz geholt werden. Und Kinder, die schon über zwölf Jahre alt sind, dürfen noch innerhalb eines Jahres hierher geholt werden, danach haben sie kein Recht mehr, bei ihren Eltern zu leben. Aber selbst dann müssen die Eltern diverse Hürden überwinden: Die Behörden verlangen zum Beispiel, dass sie über ein «gutes» Einkommen und eine «angemessene» Wohnung verfügen. Damit sind die Eltern der Willkür der Fremdenpolizei ausgesetzt, die eigenmächtig entscheiden kann, was unter einem «guten» Einkommen und einer «angemessenen» Wohnung zu verstehen ist. Diese Regelung des Familiennachzuges widerspricht der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes.

10. Grundrechte sind unverhandelbar

Beim Asyl- und Ausländergesetz geht es nicht mehr darum, die Aushöhlung des Asylrechts zu verhindern. In diesem Bereich gibt es nicht mehr viel auszuhöhlen. Das Bundesamt für Migration ist schon längst ein Bundesamt gegen Migration. Die beiden Gesetze gehen viel weiter: Sie unterlaufen Grundrechte – unverhandelbare Rechte wie Schutz in Notlagen, Schutz vor Willkür, Schutz vor Folter.

11. Bundesrat Christoph Blocher muss gebremst werden

Die jüngste Revision des Asylgesetzes wurde 1999 als faktischer Gegenvorschlag zur Asylinitiative der SVP erarbeitet. Die wirklich harten Verschärfungen brachte dann aber Bundesrat Christoph Blocher im Sommer 2004 ein. Zu diesen Verschärfungen gibt es keine bundesrätliche Botschaft, was höchst ungewöhnlich ist. Christoph Blocher hat es geschafft, zahlreiche SVP-Forderungen reinzupacken. Besonders gefährlich ist, dass der Justizminister die unantastbare Gewaltentrennung zwischen Gesetzgebung und Justiz nicht akzeptiert. Bundesgerichtsentscheide ignoriert er oder agitiert dagegen. Da geht es längst nicht mehr «nur» um Flüchtlingspolitik, sondern um die Fundamente des Rechtsstaates.