ETH Zürich: Allein gegen alle

Nr. 44 –

Der Rücktritt des ETH-Präsidenten Ernst Hafen wird jeden Tag erwartet. Jetzt sei die Politik gefragt, sagt Nationalrätin Kathy Riklin.

Aufs Risiko hin, dass der Satz am Erscheinungstag der WOZ schon überholt ist: Noch ist ETH-Präsident Ernst Hafen im Amt. Dabei wird sein Rücktritt von ETH-Angehörigen und BeobachterInnen täglich erwartet, seit am vergangenen Donnerstag die WOZ und der «Tages-Anzeiger» das Scheitern des «Zukunftsprozesses ETH 2020» publik gemacht hatten. Doch stattdessen verschickte Hafen noch am Donnerstag intern eine Mail, in der er trotzig schrieb: «Ich bin Präsident dieser Institution und möchte es bleiben.»

Dies, nachdem zwölf von fünfzehn Departementschefs (die anderen drei waren nicht im Haus) Hafens Rücktritt gefordert hatten. Nachdem ihm nahe stehende Personen einen Rücktritt, solange das noch ohne Gesichtsverlust möglich sei, schon zuvor empfohlen hatten. Und nachdem sich offenbar auch Hafens Chef Alexander B. Zehnder, der Präsident des ETH-Rats, des Aufsichtsgremiums der ETH, von Hafen distanziert hatte.

Wie hat sich der Molekularbiologe in den nur elf Monaten seit Amtsantritt derart isolieren können? Eine Rekapitulation: 2005 feiert die ETH ihr 150-jähriges Bestehen. Der ETH-Rat (formell: der Bundesrat) wählt Ernst Hafen zum Nachfolger von Olaf Kübler. ETH-Ratspräsident Alexander Zehnder, selbst erst seit 2004 im Amt, ist bekannt dafür, sehr viel stärker in operative Belange der beiden ETH und der vier Forschungsanstalten, die dem ETH-Rat unterstellt sind, einzugreifen, als dies sein Vorgänger Francis Waldvogel tat. Hafen soll sein Amt mit einem klaren Auftrag Zehnders - und Patrick Aebischers, des Präsidenten der ETH Lausanne - angetreten haben: die Organisationsstruktur der ETH zu straffen (Hafen sagt: «zukunftsfähig» zu machen). Die ersten hundert Tage im Amt übersteht Hafen, wie Insider sagen, mit Mühe. Hafen, von der Uni Zürich gekommen, war nicht mit der ETH-Kultur vertraut. Im März verkündet Hafen an der ETH-Jahresmedienkonferenz seine «Vision»: Die ETH soll bis 2020 die «beste naturwissenschaftlich-technische Hochschule der Welt» werden.

Die Schulleitung startete ein Konsultationsverfahren und sprach sehr viel von «Dialog». Und fasste in einer Klausur Ende August erste Beschlüsse. Seither ist an der ETH die Hölle los - die Stimmung sei «saumies», sagte damals ein ETH-Professor gegenüber der WOZ. Grund: Die Schulleitung hatte die Kritiken und Anregungen des Konsultationsverfahrens schlicht ignoriert. In der nun von der ETH selber veröffentlichten Kritik der Professorenschaft kritisiert diese, die vorgeschlagenen Massnahmen seien «ohne eine solide Analyse der Ist-Situation an der ETH Zürich und ohne eine klare Zielsetzung zustande gekommen», und erkennt im Umbau der Schulleitung eine Schwächung der Kernaufgaben Forschung und Lehre.

Offenbar hatte sich Hafen schon innerhalb der Schulleitung gegen Widerstand durchsetzen müssen. Namentlich Rektor Konrad Osterwalder, dessen Funktion abgeschafft werden sollte, soll dem Vernehmen nach «sehr frustriert» gewesen sein.

Von der Öffentlichkeit blieben die Schulleitungsbeschlüsse wie auch der Unmut, den sie auslösten, bis zum Artikel in der WOZ Ende September unbeachtet («Der Berufsrevolutionär», WOZ Nr. 39/2006). Der WOZ-Artikel sei ETH-intern intensiv diskutiert worden und soll bei einigen Professoren der Tropfen gewesen sein, der «das Fass zum Überlaufen brachte».

An einer Krisensitzung am Freitag, 20. Oktober, beschloss die Schulleitung, «ETH 2020» zu stoppen, was am Montag darauf intern kommuniziert wurde. Am Dienstag erhielt Hafen den Brief, mit dem zwölf Departementschefs ihn zum Rücktritt aufforderten. Es folgten Lagebesprechungen zwischen Professoren und Zehnder, zwischen Zehnder und Bundesrat Pascal Couchepin (nur der Bundesrat kann Hafen absetzen) und am Erscheinungstag dieser WOZ die Aussprache zwischen Hafen und Zehnder. Eine Aussprache zwischen Hafen und Professorenschaft platzte. In der Sonntagspresse sagte Hafen, es gehe jetzt darum, «eine gemeinsame Basis zu finden, wie der Dialog weitergeführt werden kann». Nur: Bis dahin war der «Dialog» eben ein Monolog gewesen.

Wie geht es weiter? Anita Fetz (SP, BS), Präsidentin der ständerätlichen Wissenschaftskommission (WBK), sagt, der Ball liege nun beim ETH-Rat, und es wäre falsch, wenn sich die Politik einmischte. Ihre Kollegin Kathy Riklin (CVP, ZH) von der nationalrätlichen WBK sieht genau im ETH-Rat das Problem. Ernst Hafen tue ihr auch leid, wenn er jetzt mit seinem Reformvorhaben hängen gelassen werde - er habe schliesslich im Auftrag von Zehnder und Aebischer gehandelt. Dass der ETH-Rat, eigentlich ein Aufsichtsgremium, seit Zehnders Amtsantritt ins operative Geschäft eingreifen wolle, sei sehr fragwürdig; ebenso, dass die Präsidenten der beiden ETH im ETH-Rat stimmberechtigt Einsitz hätten. Das Parlament könne zwar in Personalentscheide nicht eingreifen, was auch richtig sei, doch müsse sich das Parlament nun sofort das 2003 revidierte ETH-Gesetz genau ansehen. «Schliesslich», sagt Riklin, «ist die ETH unser Flaggschiff. Ich mache mir grosse Sorgen um sie.»