Knapp daneben: Der Flächenbrand

Nr. 49 –

Am 1. Januar 2007, also bald, tritt in der Schweiz das «Bundesgesetz zur Wahrung der inneren Sicherheit» in Kraft. Gewahrt werden muss die innere Sicherheit vor den Hooligans. Da wäre es sicher hilfreich, wüsste man, was ein Hooligan so treibt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichte «20minuten» einen Text zu den geplanten neuen «Haftanstalten für Hooligans» im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008. Der Text war auf der einen Seite schräg abgefräst von einer wohl zum Rausreissen gedachten Anzeige für mietbares Wintersportmaterial, auf der andern bebildert mit einer Szene vom Meisterschaftsspiel FCZ – FCB vom 26. November. Auf dem Bild ist der Gästesektor im Stadion Hardturm zu sehen. Grob geschätzte dreizehn Leuchtfackeln lassen die Basler Kurve in einem grellroten Licht erscheinen. Fahnen werden geschwenkt. Auf einem Zaun, der die Tribünen vom Spielfeld trennt, sitzen zwei Menschen, die selber je eine Fackel in der Hand halten. Die Bildlegende lautet: «Die EM-08-Organisatoren wollen solche Szenen verhindern.» Daneben, klein gedruckt: Keystone.

Bei der Fotoagentur Keystone gibt man mir freundlich Auskunft auf die Frage, unter welchen Schlagwörtern das betreffende Bild abgelegt ist: Fussball, Fans, Petarden, FCZ, FCB, Axpo Super League. Der «Hooligan» gehört nicht dazu. «20minuten» ist demnach selber auf die Idee gekommen, dieses Bild untermale den Inhalt des Textes am besten.

Ich frage den zuständigen Bildredaktor, ob jene, die auf diesem Bild zu sehen sind oder deren Werk das Bild zeigt, Hooligans seien. Sie gehörten ganz sicher dazu, antwortet er. Sind also Hooligans solche, die Feuerwerk zünden? Diese Fackeln seien in Fussballstadien verboten, kommt es zurück. Sind denn die Leute, die diesen Sommer im Kanton Zürich trotz Feuerwerkverbot Feuerwerk zündeten, auch Hooligans? Auf diese Frage antwortet der Bildredaktor, der dieses Bild ausgewählt hat, nicht mehr. Er erklärt dafür, er habe keine Zeit, mit mir zu telefonieren. Das kann man nachvollziehen, denn es hat wirklich viele Bilder in «20minuten», da ist ein Bildredaktor gefordert, Tag für Tag. Er klang aber nicht nur so, als hätte er keine Zeit, sich eingehender zu erklären, sondern auch keine Lust.

Ich habe immer gedacht, ein Hooligan sei einer, der zuschlage. Aber wahrscheinlich war das früher so. Heute muss man nicht mehr zuschlagen, um ein Hooligan zu sein. Heute ist es viel leichter, Hooligan zu werden, und darum gibt es auch immer mehr. Kein Wunder, liest man nun dauernd von ihnen in der Zeitung. Sie füllen ja inzwischen ganze Gästesektoren. So aberwitzig viele sind es, dass wir neue Gesetze brauchen, um der Lage Herr zu werden. Sorry Feinstaub, die Hools zuerst!

Wenn ab Januar 2007 Fussballfans, die sich knapp oder völlig daneben verhalten, in der Hooligandatenbank HOOGAN landen, gehören nun auch Feuerwerklerinnen und Zeusler dazu. Im Gesetzestext wird «gewalttätiges Verhalten» explizit auf das «Mitführen oder die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen oder ähnlichem in geschlossenen Räumen wie Stadien oder Sporthallen ausgedehnt.» Die Fackeln sind heiss, und wer sie trotz Verbot aus kurvenästhetischen Gründen zünden will und dabei erwischt wird, kassiert Busse und Stadionverbot. Und braucht sich nicht zu beklagen. Steht er deswegen aber auf einer Stufe mit jemandem, der einem am Boden Liegenden ins Gesicht tritt? Gehören die beiden in die selbe Datenbank? In denselben EM-Knast? Neben denselben «20minuten»-Text?