Public Eye Award: Wäscht Coop grüner?

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Im Schweizer Detailhandel herrscht Preiskrieg, zumindest auf den Plakatwänden. Da kommt ein Sonderpreis gerade recht.

Die versprochene Welle von ausländischen Billiganbietern ist noch nicht tief in die Schweiz geschwappt, trotzdem läuft der Preiswettbewerb zwischen den beiden einheimischen grossen Verteilern auf Hochtouren: Wer ist der Billigste im ganzen Land? Beim näheren Blick ins Portemonnaie – wo wie immer lange vor Monatsende schon Ebbe herrscht – stellen die KonsumentInnen allerdings enttäuscht fest, dass da eher eine Propagandaschlacht in allen Medien denn ein wirklicher Preiskrieg an der Kasse im Gange ist. Mitten im Streit um angebliche Vorurteile in der Preisfrage erhält der eine Verteiler nun einen – Preis, neudeutsch «award».

Das Public Eye muss den WOZ-LeserInnen nicht vorgestellt werden, denn wir haben regelmässig über das seit 2000 parallel zum Weltwirtschaftsforum stattfindende Public Eye on Davos berichtet. An dieser von der Erklärung von Bern und Pro Natura organisierten Veranstaltung werden Folgen der Wirtschaftsglobalisierung aus der «Grassroots»-Perspektive von Arbeiterinnen und Konsumenten öffentlich diskutiert. Gleichzeitig wird dem Wirtschaftsforum kritisch auf die Finger geschaut und dabei von der globalen Medienpräsenz profitiert. Auch über den 2005 eingeführten Public Eye Award berichtete die WOZ alljährlich: Zuerst war er eine negative Auszeichnung für Unternehmen, die sich durch «besonders unverantwortliches Wirtschaftsverhalten» auszeichnen. Letztes Jahr gab es die erste positive Erwähnung, für die ausschliesslich im Bereich fairer Handel und nachhaltige Wirtschaft tätige Organisationen nominiert wurden. Dieses Jahr erhält einen solchen «positive award» erstmals eine Firma, die mit «ihrer Unternehmensverantwortung für einen Lichtblick» sorgt. And the winner is … Coop Schweiz.

Man reibt sich die Augen: Verdient Coop diese «greenwashing» genannte Werbung aus berufenem Mund? Sie wäscht sich doch selbst schon gerne mit zweifelhaften Argumenten grün, zum Beispiel in jener Werbekampagne, wo handgemalte Schilder in grüner Landschaft zu sehen sind, wie sie am Strassenrand auf direkt verkaufende Bauern hinweisen. Falsch: Den beworbenen Biokäse soll man ein paar hundert Meter weiter bei Coop holen gehen. Ist aber auch nicht wahr: In so verlassenen Käffern hat Coop längst keine Filiale mehr, das nächste Supercenter ist eine kilometerweite Autofahrt entfernt. Dort ist längst nicht alles bio wie bisher beim Biobauern, der Käse versteckt sich unter 15 000 Artikeln, davon höchstens 1500 Naturaplanprodukte, notabene nicht alle mit Knospe.

Der «positive award» wird an Coop vergeben, weil sie «mit ihrem Engagement für biologische Produkte einen wichtigen Beitrag zur Ökologisierung der Schweizer Landwirtschaft» geleistet habe – so steht es in der Nominierung. Tatsächlich hat die Zahl der Biobauernhöfe seit 1993, als Coop die «offensive Vermarktung von Bioprodukten» begann, von 1000 auf 6000 zugenommen. Nicht zuletzt dank Coop werden in der Schweiz heute elf Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Biobetrieben bewirtschaftet, und bei vielen KonsumentInnen wurde das Biobewusstsein geweckt. Diese Erfolge genügen dem Public Eye offensichtlich, um Coop als beispielhaftes Unternehmen den in Davos versammelten Konzernkaderleuten zu präsentieren. Diesen gefällt sicher auch, dass sich Coop als Ewigzweite im Schweizer Detailhandel dank der Biostrategie im Vergleich zur Konkurrenz bessere Wachstumszahlen sichern und sich trotz des Hochpreisimages positiv positionieren konnte – auch dafür kommt Coop der Public Eye Award sehr gelegen.

Einwände haben wohl nur wir Schweizer KonsumentInnen: Wir hören von steigendem Preisdruck auf die ProduzentInnen. Wir finden es kaum nachhaltig, dass viele BäuerInnen nicht aus Überzeugung, sondern wegen erhofften Mehrverdienstes auf Bio umgestiegen sind. Wir befürchten die bevorstehende Einführung von «bio light», für die der Bioerfolg von Coop mitverantwortlich ist: Bauernhöfe, die nur nachgefragteste Produkte biologisch anbauen, den Rest aber konventionell, bringen Unübersichtlichkeit.

Auch als Public-Eye-SympathisantInnen sind wir verunsichert: Coop hat ihre Anfänge in Konsumvereinen im Umfeld der Arbeiterbewegung – die dem Geist des Public Eye sehr wohl entsprochen hätten – längst und weit hinter sich gelassen. Finden sich heute keine Preisträger, die sich noch an diesen Anfängen befinden? Wir müssen sie nächstes Jahr nominieren: die ProduzentInnen, die eine wirklich nachhaltige Regionalversorgung und den direkten Kontakt zu den KonsumentInnen organisieren und fördern, zum Beispiel die Biohofgemeinschaft Rubuka im Zürcher Weinland; die erfolgreiche Mohrenkopffabrik, die weder Wachstum noch mehr Erfolg will; die abgelegenen Gemeinden, die mit Genossenschaften wenigstens einen Laden zu retten wussten.