Britannien: Mit heisser Luft gegen die Klimaerwärmung

Nr. 10 –

Die Regierung klopft Sprüche, die Supermärkte handeln. Aber ist das ein Fortschritt?

An grossen Worten und Versprechungen hat es New Labour noch nie gemangelt. «Al Gore sagt, dass der Klimawandel den ganzen Planeten in eine Notlage versetze», sagte der britische Umweltminister David Miliband am Montag in einer Rede an der Universität Cambridge: «Aber es geht um mehr. Es geht nicht nur um die Natur, es geht auch ums Überleben der Menschheit.» Und deswegen müsse Britannien den Weg hin zu einer «post-oil economy» einschlagen, hin zu einer Wirtschaft, die auch ohne fossile Energieträger wie Erdöl auskommen kann. Miliband, der nur allzu gerne den scheidenden Premier Tony Blair beerben würde, liegt damit auf der Linie seines Chefs, der sich in seinen letzten Amtsmonaten ganz auf die Bewältigung der Klimakrise konzentrieren will. «Wir verraten die kommenden Generationen auf höchst unverantwortliche Weise, wenn wir jetzt nicht handeln», hatte Blair vor kurzem gesagt.

Doch die Massnahmen seiner Regierung - die mittlerweile wieder auf die Atomenergie setzt - lassen zu wünschen übrig. Zu diesem Schluss kam eine ebenfalls am Montag veröffentlichte Untersuchung des University College London (UCL). Britannien werde zwar das Kioto-Protokoll einhalten können - es verpflichtet das Land, die Treibhausgase bis 2012 gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 um 12,5 Prozent zu senken. Aber die längerfristigen Ziele, die London im Laufe dieses Jahres gesetzlich festschreiben will, seien angesichts der bisherigen Politik nicht erreichbar.

Bis 2050 will die Regierung den CO2-Ausstoss um sechzig Prozent reduzieren. Um diese Marge zu erreichen, müsse der Ausstoss bis 2020 um rund dreissig Prozent sinken, wie Regierungsbehörden selber sagen. Die UCL-WissenschaftlerInnen schätzen die Reduktion bis 2020 jedoch auf maximal siebzehn Prozent. Der Grund für die «viel zu optimistische» Regierungsprognose: Alle Pläne und Massnahmen basieren auf freiwilligen, unverbindlichen Verpflichtungen. Zudem rechnet Downing Street 10 mit einem viel zu niedrigen Verkehrsaufkommen, hegt zu grosse Erwartungen in das nur halbherzig geänderte Kfz-Steuersystem, klammert den Flugverkehr systematisch aus und hofft, dass Umweltauflagen etwa beim Wohnungsbau auch eingehalten werden (überprüft wurden sie von der privatisierten Bauinspektion bisher nie). Die «Grünwäscherei» der Regierung sei nur «heisse Luft», konstatiert daher der Publizist George Monbiot (www.monbiot.com).

Aber immerhin: Beim EU-Gipfel, der sich ab Donnerstag mit dem Klimawandel beschäftigt, wird die britische Regierung nicht - wie beispielsweise in Sozialfragen sonst üblich - als Bremserin auftreten. Denn ihr sitzt die Öffentlichkeit im Nacken. Mittlerweile dämmert vielen BritInnen, dass ihnen die Erd-erwärmung nicht, wie anfangs noch gehofft, Weinberge in Südengland bescheren wird. Sie fürchten, dass das schmelzende Polareis den warmen Golfstrom zum Stoppen bringen könnte - mit verheerenden Auswirkungen für ein Land, in dem schon zwei Zentimeter Schnee den gesamten Verkehr zum Erliegen bringen, in dem viele Wohnungen nur über ungenügende Heizungen verfügen und in dem rund eine Million Häuser direkt an der Küste liegen.

Die Supermarktkonzerne haben auf diese Angst inzwischen reagiert. So hat die Kaufhauskette Marks and Spencer Ende letzten Jahres einen grossen (Werbe-)Schritt getan: Sie verpflichtete sich, ab 2012 kein zusätzliches CO2 auszustossen, die Kaufhäuser auf Ökostrom umzustellen, alle Abfälle wiederzuverwerten, Kleider nur noch aus Biobaumwolle und Recyclingfasern herstellen zu lassen und nur Waren anzubieten, Lebensmittel inklusive, die nachhaltig produziert wurden. Eingeflogene Güter - wie Erdbeeren im Dezember - würden künftig mit einem Warnetikett versehen. Kurz nach dieser Ankündigung trat auch die Konzernleitung von Tesco an die Öffentlichkeit: Die bei weitem grösste britische Supermarktkette versprach, den Energiebedarf bis 2010 auf die Hälfte zu reduzieren und künftig auf jeder Ware den zu ihrer Herstellung notwendigen CO2-Verbrauch anzugeben. Damit setzen die Märkte weit höhere Standards, als ihnen die Regierung je vorschreiben würde.

Den Grundwidersprüchen aber weichen sie aus. So wollen sie zwar mehr Transporte von der Strasse auf die Schiene verlegen und ihre Lastwagen künftig vornehmlich mit Biotreibstoff fahren lassen - aber Tesco setzt weiterhin auf Standorte ausserhalb der Stadtzentren, die die KonsumentInnen oft nur im Privatwagen erreichen können. Und die Grossverteiler wollen weiter wachsen und immer mehr Konsum, «grünen Konsum», wie sie das jetzt nennen. Dabei wären weniger Konsum und weniger Energieverbrauch das vielleicht beste Mittel gegen den Klimawandel.

Weniger Konsum sieht auch die britische Regierung nicht vor, die vor allem aufgrund der Deindustrialisierung während der letzten Jahrzehnte ihre Kioto-Verpflichtung einhalten kann. Diese aber berücksichtigt nicht die Klimafolgen des Flugverkehrs. Und so will London die Kapazität der britischen Flughäfen bis 2030 verdoppeln.