Klima: Initiative trotz allem

Nr. 11 –

Angenommen, aber nicht ernst genommen - der Klimainitiative könnte es ähnlich gehen wie der Alpen-Initiative.

Der WWF-Geschäftsführer Hans-Peter Fricker fasste die bekannten Sachverhalte zusammen: Wenn bis in zehn Jahren der Ausstoss von CO2 nicht radikal vermindert werden könne, stiegen weltweit die Durchschnittstemperaturen bis 2100 um bis zu 6,4 Grad. Die Kosten der Schäden - höherer Meeresspiegel, Unwetter, Dürren - könnten bis dahin jährlich fünf bis zwanzig Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes ausmachen - das BIP beträgt knapp 44 Billionen Dollar.

Diese Zahlen sind keine Panikmache - sie sind das Ergebnis weltweiter Bemühungen, den Umfang des Klimawandels wissenschaftlich zu bestimmen. Weil oder obwohl die Perspektiven düster sind, haben sich die Umweltorganisationen, darunter Greenpeace, der VCS, die Schweizerische Energie-Stiftung und die links-grünen Parteien, aber auch die EVP auf eine Klimainitiative verständigt und diese am Montag in Bern lanciert. Mit einem neuen Artikel in der Bundesverfassung wollen sie Bund und Kantone auf einen wirksamen Klimaschutz festlegen.

Bis 2020 sollen die durch menschliches Verhalten ausgestossenen Treibhausgase um dreissig Prozent gegen-über den Zahlen von 1990 reduziert werden. Die InitiantInnen wollen das mittels Energieeffizienz und dem Einsatz von erneuerbaren Energien bewältigen - im Hinterkopf haben sie die 2000-Watt-Gesellschaft. Die Klimainitiative setzt sich ein hochgestecktes Ziel. Im Umweltbereich hat das eine lange Tradition. Der eierkochende Bundesrat Adolf Ogi wollte einst zum Stromsparen animieren - der Verbrauch stieg ungehemmt weiter. Und als ob all die angestrebten Reduktionsziele das Papier nicht wert wären, auf dem sie gedruckt wurden, rechnet die Internationale Energieagentur bis 2050 mit einer Verdoppelung des weltweiten CO2-Ausstosses.

Und selbst die Aufnahme der Klimaziele in die Verfassung ist keine Garantie dafür, dass sie auch erreicht werden. 1994 wurde zum Beispiel die Alpen-Initiative, die den alpenquerenden Strassenverkehr limitieren will, angenommen. Seither verhindern «Sachzwänge» und politische Kräfte eine konsequente Umsetzung des Volksentscheides. Niemand kann in der Schweiz das Verfassungsgericht anrufen, um beschlossene Entscheide einzufordern, denn ein solches gibt es nicht.

Überhaupt waren die letzten fünfzehn Jahre für die Schweizer Umweltpolitik verlorene Jahre. Wichtige ökologische Abstimmungen wie die über eine Lenkungsabgabe auf Energie wurden verloren. In diesem Umfeld stagnierte auch der Bewusstseinswandel bei den grossen Versorgungsunternehmen.

Die Elektrizitätswerke treten mit neuen AKW-Projekten an, um die von ihnen diagnostizierte Stromlücke zu schliessen. Kaspar Schuler, Geschäftsführer von Greenpeace, liess in Bern keinen Zweifel offen, dass AKW auch heute weder sicher noch ökonomisch günstig, noch ökologisch sind. Die Manager haben die Zeit nicht genutzt, um ihre Konzerne umzustellen. Schliesslich machen auch PolitikerInnen und Souverän keine gute Figur. Minimaleingriffe wie die CO2-Abgabe werden mit Hinweis auf die Konkurrenzfähigkeit zu Löcherbecken gestanzt. Lenkungsabgaben fallen in der Volksabstimmung durch. Die Bevölkerung steht noch immer weitgehend auf dem Standpunkt, dass es keine persönlichen Sparbemühungen und Verhaltensänderungen braucht. Das drückt sich etwa im anhaltenden Trend zu schweren Autos und Flugreisen aus. Unterstützt werden sie dabei noch von Bundesrat Moritz Leuenberger, der sinngemäss erklärt, es gehe nicht um persönliches Verhalten, sondern um politische Entscheide.

Lichtblick in dieser innenpolitisch eher düsteren Landschaft ist die EU: Sie hat an ihrem letzten Treffen ehrgeizige Ziele publiziert. Bis 2020 soll der Ausstoss von Klimagasen um zwanzig Prozent reduziert werden. Nachbar Deutschland will sogar noch mehr einsparen. Das wird Einfluss auf die hiesigen Diskussionen haben. Trotz all dieser Einwände: Die Initiative ist ein Hebel, um Bewegung in die Klima- und Energiepolitik zu bringen. Sie ist ein Mobilisierungsinstrument, mit dem man auf der Strasse Menschen ansprechen und ihnen die Möglichkeit zu einer konkreten Äusserung geben kann. Sonst bleibt es bei der unverbindlichen Feststellung in der Sonntagspresse, dass eine grosse Mehrheit der Bevölkerung mit der Klimapolitik von Bundesrat und Parlament unzufrieden ist.