Personenrätsel: Der Nestbeschmutzer

Nr. 13 –

Einen Nobelpreis hat er nie be­kommen, obwohl ihn illustre Per­sönlichkeiten wie Bertrand ­Russell vorgeschlagen hatten. Dafür ehrte man ihn 1943 mit dem Pulitzerpreis: Für einmal hatte er zur richtigen Zeit einen ­Roman über das richtige Thema ge­schrieben, den Aufstieg Adolf Hitlers in Deutschland. Ansonsten war der 1878 in Baltimore geborene Journalist im eigenen Land nicht sehr beliebt, zumindest nicht in Unternehmens- und Politikkreisen. US-Präsident Theodore Roosevelt bezeichnete ihn als «muckraker», als Nestbeschmutzer. Dass der «Gefühlssozialist» (wie Lenin ihn nannte) über Ausbeutung und Korruption schrieb, war schon un­angenehm genug; hinzu kam aber noch, dass er sich einfach nicht ­zensieren liess.

Vieles brachte er im Selbstverlag heraus – oder in Europa, wo seine auf akribischen Recherchen fussenden Romane über die Machenschaften etwa der US-amerikanischen Ölindustrie begierig aufgesogen wurden. Sensationellen Erfolg hatte er mit einem Roman über die Nahrungsmittelindustrie. Die Empörung über die sanitären Zustände war derart gross, dass die Lebensmittelgesetze geändert werden mussten. Dabei war es ihm doch vor allem darum gegangen, wie mit der aus Einwander­Innen bestehenden Reservearmee des Kapitalismus ­umgesprungen wurde: «Ich hatte auf die Herzen der Menschen gezielt und aus Versehen ihre Mägen ge­troffen.»

Wer war der 1968 verstorbene Abs­tinenzler, der mit seinem «End Poverty in California»-Programm beinahe Gouverneur geworden wäre und über dessen Werk Jack London einmal sagte, es handle sich um «‹Onkel Toms Hütte› der Lohn­sklaverei»?

Wir fragten nach dem Schriftsteller und Journalisten Upton Sinclair (1878–1968). Seine bekanntesten Romane sind «Dschungel» (1905) über die gnadenlose Ausbeutung in der US-amerikanischen Fleischindustrie, «Öl!» (1927) sowie «Boston» (1928), das die Geschichte der beiden Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti zum Thema hat. Den Pulitzerpreis erhielt er für «Drachenernte», den dritten Band eines elfbändigen Romanzyklus, dessen antifaschistischer Titelheld Lanny Budd zu den wichtigsten Stationen und Personen des Zeitgeschehens zwischen 1913 und 1949 führt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Sinclair für einige Jahre zum militanten Antikommunisten, was sich auch an Budds Lebenslauf ablesen lässt.