Personenrätsel: Die Furchtlose

Nr. 18 –

«Angst ist wie Hunger», hat sie einmal gesagt, «es ist ein Gefühl, das einfach da ist, ob man will oder nicht.» Sie hat jedoch mit der Angst umzugehen gelernt, trotz der vielen Morddrohungen, Einbrüche in ihr Haus und der steten Gefahr, wieder ins Gefängnis geworfen zu werden. «Wenn man mich festnimmt oder hinrichtet», ist sie überzeugt, «werden meine Freunde meinen Weg fortsetzen.»

1947 im Land Kyros des Grossen in den gehobenen Mittelstand hin­eingeboren, hatte die mehrfach ausgezeichnete Menschenrechtsaktivis­tin zunächst ein privilegiertes Leben geführt. Sie studierte Jura und konnte als eine der ersten Frauen des Landes in der Hauptstadt einen Richterposten übernehmen. Dann kam der 11. Februar, der Tag des grossen Umsturzes. Frauen bekamen eine neue Kleiderordnung übergestülpt und wurden aus allen Richterämtern entfernt. Es dauerte einige Jahre, bis sie zumindest wieder ein Anwaltspatent in Händen hielt. Seither setzt sie sich ein – für inhaftierte Regimekritikerinnen, bedrängte Journalisten und die Schwächsten der neuen Gesellschaft: Frauen und Kinder. Dadurch hat sie immerhin erreicht, dass das Sorgerecht nach einer Scheidung nicht automatisch dem Mann zugesprochen wird. Als man ihr völlig unerwartet einen der angesehensten internationalen Preise verlieh, wurde sie zu Hause gefeiert, es hagelte aber auch Kritik an der «schlechten Muslimin». Im Ausland empörte sich nur einer: Lech Walesa hätte den Papst für würdiger empfunden.

Wie heisst die streitbare Professorin und Schriftstellerin, die trotz allem davon überzeugt ist, dass die politische Freiheit in ihrem Land heute grösser ist als vor dem Umsturz und dass Wirtschaftssanktionen das konservative Regime nur festigen würden?

Wir fragten nach der iranischen Rechtsanwältin Shirin Ebadi. Sie erhielt 2003 als ers­te Muslimin den Friedensnobelpreis. Unter anderem ist sie Mitbegründerin einer Kinderrechtsorganisation und eines Zentrums für Menschenrechte, das der Staat im Jahr 2006 schloss.