Frauen und Kino: Wieder stumm

Nr. 23 –

Wann haben Sie das letzte Mal einen Film von einer Frau gesehen? Diese Frage führt mitten ins Thema des von Esther Quetting herausgegebenen Buchs «Kino Frauen Experimente»: der Mangel an Filmen von Regisseurinnen auf der Leinwand. Oder wie lautete Ihre Antwort auf diese Frage?

Ein Blick auf das aktuelle Kinoprogramm ist ernüchternd: Noch immer sind Filme von Frauen im Kino eine Rarität, die Kinowelt wird von Erzählungen von Männern dominiert. Und bis heute wurde noch nie eine Frau mit dem Oskar für die beste Regie ausgezeichnet. Doch die feministischen Stimmen, die sich laut gegen dieses Unverhältnis gewehrt haben, sind verstummt. Die Aktivitäten, die von feministischen und filminteressierten Frauen angerissen wurden, um gegen dieses Ungleichgewicht zu kämpfen, sind in der Schweiz grösstenteils versandet. So auch die Frauenfilmtage Schweiz, die heute Geschichte sind.

«Kino Frauen Experimente» ist eine Hommage an die Frauenfilmtage und an alle Frauen, die sich jahrelang unermüdlich für die Projektion von Filmen von Regisseurinnen eingesetzt haben. Die Entstehung und der Untergang der Frauenfilmtage dienen als Ausgangslage für persönliche Überlegungen, Rückblicke und Ausblicke der Autorinnen, die aus ihrer jeweiligen Perspektive als Filmkritikerin, Filmkuratorin, Historikerin, Filmemacherin oder Kinogängerin schreiben.

Die Frauenfilmtage Schweiz waren ein Kind der feministischen Bewegung der siebziger Jahre. In verschiedenen Städten begannen Frauen - des dominanten männlichen Blicks auch in der Filmwelt überdrüssig - nach Filmen von Regisseurinnen zu recherchieren und eine feministische Filmgeschichte zu schreiben. Sie hätten «es satt, Frauen im Kino nur als Huren und Heilige, liebende Ehefrauen und brave Töchter zu sehen - immer wunderschön, aber stumm», beklagten sich die Programmleiterinnen des Centre d’animation cinématographique Voltaire in Genf 1975 und zeigten unter dem Titel «En tant que Femmes» Filme und Videos von Regisseurinnen. Auch in anderen Städten begannen Frauen, Filme von Frauen für Frauen zu zeigen. Die Vorführungen fanden in kleinen Programmkinos statt, vom kommerziellen Kino bleiben Regisseurinnen bis heute mehr oder weniger ausgeschlossen. 1989 entstand aus den kleinen verschiedenen Frauenfilmfestivals ein nationales Kinoprojekt, das Frauenfilmfestival Schweiz, das 2003 wegen mangelnden Publikums das letzte Mal durchgeführt wurde.

Warum flaute das Interesse an den Frauenfilmtagen ab? Inwiefern hat sich die Situation der Regisseurinnen verändert? Wie hat sich die Situation der Frauen allgemein verändert? Warum stossen sich die Frauen heute nicht mehr an der Dominanz der männlichen Bilder in den Kinos? Was ist aus der feministischen Filmtheorie geworden? Was hat die feministische Bewegung in Bezug auf das Kino erreicht? Diesen Fragen gehen die Autorinnen in ihren kurzen, aber anregenden Beiträgen nach.

«Die feministische Filmkritik hätte also wieder fast so viel zu tun wie in den siebziger Jahren, als sie sich allmählich eine Stimme verschaffte, als ihre Beschwerden, Anklagen, -Analysen und Pos-tulate gegen den Ausschluss der Frauen aus dem politischen Leben langsam durchzusickern begannen in ein grösseres kollektives Bewusstsein», schreibt die Filmkritikerin Pia Horlacher in ihrem Beitrag «Feministische Filmkritik - ein Produkt für den weiblichen Intimbereich?». Nur scheint diese Stimme heute kaum mehr gehört zu werden, obwohl sie so nötig wäre wie vor dreissig Jahren. Oder wann haben Sie das letzte Mal einen Film von einer Frau gesehen?



Esther Quetting (Hrsg.): Kino Frauen Experimente. Schüren Verlag. Marburg 2007. 192 Seiten. Fr. 33.60

Esther Quetting (Hg.): «Kino Frauen Experimente». Schüren Verlag. Marburg 2007. 192 Seiten. Fr. 33.60.

Mit Beiträgen von: Veronika Minder, Esther Quetting, Pia Horlacher, Karola Gramann und Heide Schlüpmann, Stefanie Arnold und Maddalena Tognola, Marli Feldvoss, Karin Schiefer, Catherine Silberschmidt, Elisabeth Joris, Fabienne Amlinger und Caroline Bühler.