Anton Bernhardsgrütter: Le pauvre cochon von Hohentannen

Nr. 42 –

Von einem, der in den dreissiger Jahren auf einem katholischen Kleinbauernhof im Thurgau aufwächst, Lehrer wird und nach mehr als zwanzig ordentlichen Berufsjahren von einem Tag auf den anderen beschliesst, nur noch Künstler zu sein.

In der thurgauischen Gemeinde Hohentannen, an der Strasse zwischen Bischofszell und Kradolf, lebte vor Jahren ein einzelner Mann und malte und schrieb. Er bewohnte ein Bauernhaus, dessen Zimmer, Gerüche und verborgene Geheimnisse er seit frühester Jugend kannte. Abends kroch er in ein Bett, in dem einst gestorben und «viel früher mit Schmerzen u. viel Blut geboren» worden war. Er besorgte den Haushalt, heizte den Ofen, bearbeitete den Garten, streichelte den Hund - stelle ich mir vor - , blickte zur nahen Thur hinunter, zur Bahnlinie Sulgen - Bischofszell, zum gegenüberliegenden Talhang und zur immer stärker befahrenen Strasse.

Anton Bernhardsgrütter malte und schrieb. Oft malte er tagsüber und schrieb in der Nacht. Oft schrieb er am Tag, jedoch mit schlechtem Gewissen, denn das Schreiben brachte noch weniger ein als das Malen. Manchmal schrieb er sehr viel und manchmal sehr wenig. Ganze Passagen verfasste er in Französisch, das er ausgezeichnet beherrschte. Regelmässig notierte er als persönliche Zustandsmeldung: «Gris en gris comme toujours», und ebenso häufig: «Keine besonderen Vorkommnisse in hier». Dann wieder schrieb er etwas auf Englisch oder auf Spanisch: Texte von James Joyce und Gabriel García Márquez im Original. Ab und zu verfasste er sogar eine Seite in einer Schrift, die niemand lesen konnte, nicht einmal er selber.

Es war eine Art Tagebuch, woran Anton Bernhardsgrütter arbeitete. Altmodische, schwarz ein-gefasste Hefte füllte er mit Einträgen und farbigen Skizzen, mit alltäglichen Beobachtungen, Erkenntnissen, Erinnerungen und Lamentationen, aber auch mit Bemerkungen, die man politisch nennen könnte. Zahlreiche Fundstücke montierte er in die Hefte: Korrespondenzen von längst verstorbenen Verwandten, Dokumente, die er in fremden Remisen entdeckte. Postkarten, Heiligenbildchen, Fotos, vergilbte Zeitungsartikel. Die Formulierung «Keine besonderen Vorkommnisse in hier» war ihm aus den Briefen von Bauern geläufig, ursprünglich stammte sie aus den Wachejournalen der Armee. Der Satz «Gris en gris comme toujours» entsprach einem Gefühl der Sinnlosigkeit - stelle ich mir vor - , das ihn bei der Arbeit immer wieder überfiel: «Wozu eigentlich», schrieb er, «für wen, wer soll sich darum kümmern?» Oder: «Wieder ein Buch gemacht, für wen, für niemand, wozu, für nichts, was bringt es ein, nichts, ausser Spott und Gelächter.»

Dann arbeitete er weiter, begann ein neues Buch und veröffentlichte keines.

Anton Bernhardsgrütter, Kunstmaler und Autor in Kreuzlingen, Thurgau. 82 Jahre alt. Geboren am 12. April 1925 auf dem Hof Neugrüt bei Hohentannen. Zweitältester Sohn einer katholischen Familie mit sechs Kindern, die sieben Hektaren Boden besass, darauf sieben Kühe hielt oder acht, ein Kalb, zwei Sauen, zehn Hühner, zwei Katzen und einen Knecht. Die Mutter, Bürgerin von Wangs, ist auf dem Hof Alten bei Bischofszell aufgewachsen. Der Vater kommt aus einer Stickerfamilie in Gossau. Die Mutter ist lebhaft und gesprächig. Der Vater ist schweigsam und korrekt. Sohn Anton ist ein vorbildlicher Schüler, er kann weitaus bessere Zeugnisse vorweisen als seine Geschwister. Er ist empfindlich und ängstlich. Wenn die Kinder zur Schule gehen, dann geht er alleine voraus, um ja nicht zu spät zu kommen. Wenn er zu Hause helfen soll, dann hilft er lieber in der Küche als auf dem Feld. Er wird das Lieblingskind der Mutter.

Hohentannen ist evangelisch-reformiert. Vor katholischen Feiertagen muss der Bub dem Lehrer erklären, dass die Bernhardsgrütter-Kinder am nächsten Tag fehlen werden. Wenn er das Wort Fronleichnam ausspricht, dann lacht die ganze Klasse schallend. Kirchlich gehört man zu Bischofszell. Man ist gläubig, doch nicht sehr eifrig. Man betet zur Jungfrau Maria, nie zu Jesus. Erst im Religionsunterricht wird aus Anton ein Sünder. Zuvor war er unschuldig und ahnungslos. Zuvor ging er in den Wald und spazierte über Wiesen, freute sich des Lebens, der Pflanzen, der Tiere, der guten Luft. Jetzt steht er plötzlich nahe am Abgrund, ahnt den Teufel und riecht die Hölle. Wer dem Pfarrer nicht folgt, wird verprügelt. Dem ängstlichen Anton passiert das nie.

Es scheint keine schlechte Jugend gewesen zu sein; Bernhardsgrütter beklagt sich nicht. Keine ernsthaften Übergriffe, sagt er, auch nicht durch Franz Grubenmann, den «gestörten Knecht» aus dem Appenzellischen, der die Kinder beim Arbeiten und beim Spielen erzieht, sie ab und zu schlägt, sexuell aufklärt und selber groteske Höllenfantasien hegt. Die dreissiger Jahre sind eine elende Zeit. Auf dem Neugrüt lebt man in grösster Bescheidenheit. Draussen findet Geschichte statt. Adolf Hitler ist an die Macht gekommen. General Francisco Franco erhebt sich gegen die spanische Republik. In der katholischen Kirche von Bischofszell wird für den General gebetet. Nicht gebetet wird ein paar Jahre später für die verfolgten Juden, als die Deutschen sie überall zusammentreiben und abtransportieren.

In der dritten Sekundarschulklasse beschliesst Anton, das Lehrerseminar zu besuchen. Die Eltern sind sofort einverstanden. Anton zeichnet und liest sehr gerne. Die Bibliotheken von Hohentannen und Bischofszell hat er bereits durchgelesen. Als Lehrer, glaubt er, sei das Leben recht schön, jedenfalls habe man genügend Zeit. Niemand berät ihn, niemand kommt auf die Idee, ihm die Kantonsschule zu empfehlen, wo er - mit seiner Sprachbegabung - wahrscheinlich besser hinpassen würde. Ein paar fromme Tanten weibeln zwar, der Bub müsse ins Priesterseminar oder auf die Missionsschule, aber die Mutter geht nicht darauf ein. Am ersten Sonntag nach Ostern 1941 packt sie «ein Stück Räucherspeck und ein halbes Brot zwischen die Wäschestücke» des Zweitältesten, drückt ihm ein Kreuz auf die Stirn und ermahnt ihn, den Glauben nicht zu verlieren. Er besteigt sein Fahrrad, um zur vorgeschriebenen Zeit im Lehrerseminar Kreuzlingen einzutreffen.

Draussen herrscht Krieg. Deutschland hat fast ganz Europa unterworfen. Mittendrin liegt die Schweiz. Im Sommer 1941 fällt Hitlers Wehrmacht in die Sowjetunion ein, begeisterte Seminaristen hängen eine Landkarte an die Wand und verzeichnen Tag für Tag die deutschen Erfolge.

Man muss jetzt mit allem rechnen. Das Seminar liegt wenige hundert Meter von der Grenze entfernt. Einmal werden die Schüler nach Glarisegg bei Steckborn befohlen, um Vorträge über die geistige Landesverteidigung anzuhören. Einmal geht Anton mit einem Schulfreund nach Tägerwilen, weil dessen Vater dort im Aktivdienst ist und den Sohn noch einmal sehen möchte, bevor es losgeht. Bernhardsgrütter wird sich später intensiv und kritisch mit der Zeit des Weltkriegs beschäftigen. Jetzt aber macht er sich wenig Sorgen. Er lebt im Knabenkonvikt, geht zur Schule und zeichnet. Abends trinkt er Bier. Statt Aktivdienst wird er später «Acktiefdienst» schreiben, so wie er das Wort in zeitgenössischen Briefen gelesen hat: «Übrigens», wird er über zwei seiner literarischen Figuren notieren, «Joseph Kremars war nie dienstpflichtig gewesen, dto. Brenzligugger, er hat keine Acktief-Diensterlebnisse, keine Dienstkameraden, wie kann man ohne Diensterlebnisse überhaupt leben, fragt man sich hier, im Lande des Vergeltsgott, ein Mann ohne Diensterlebnisse ist von Gott gestraft, wie soll er in der Beiz das Wort ergreifen, ohne Diensterlebnisse gehabt zu haben, der ärmste, der bedauernswerte bleibt stumm, hat nichts zu sagen, stumm trinkt er sein Bier mit gesenktem Blick, er schämt sich, keine Diensterlebnisse erlebt zu haben, er kann auch nie an einem ehemaligen Treffen der Acktiefdienstkameraden von 1939 - 1945 teilnehmen, hélas, hélas.»

Von Seminardirektor Willi Schohaus, einem legendären Pädagogen und Kunstsammler, der gelegentlich die Papierkörbe seiner Zöglinge durchsucht, wird das zeichnerische Talent des Burschen entdeckt. Ab sofort lebt Anton unter dem Schutz des Direktors. Niemand sagt etwas, wenn er Mathematik- oder Pädagogikstunden schwänzt und die Nachmittage zeichnend im Tägermoos verbringt.

Im Frühjahr 1945 erhält Anton Bernhardsgrütter das Primarlehrerpatent. Er ist zwanzig Jahre alt, der Krieg in Europa geht zu Ende, die Freiheit könnte beginnen. Im August 1945, als die Atombomben fallen, absolviert er gerade die Rekrutenschule in St. Gallen. Die Nummer seines Karabiners weiss er heute noch.

«Am 13. August 1973 barst der Regenbogen über dem thurgauischen Hügelland, die Gülle quoll aus allen Rohren und begrub die Margriten.» Am 20. Oktober 1973 erscheint der Mittelstufenlehrer Anton Bernhardsgrütter eines Morgens nicht an seinem Arbeitsplatz im Schulhaus von Kreuzlingen-Emmishofen, in dem er seit 22 Jahren unterrichtet. Niemand weiss, wo er sich aufhält, weder seine Ehefrau Eva, geborene Halász, noch der zwanzigjährige Sohn Anton Gregor oder die achtzehnjährige Tochter Cornelia. Als der Lehrer nach einigen Tagen immer noch fehlt, holen die Behörden einen Stellvertreter. Bernhardsgrütter kehrt nie mehr in die Schule zurück.

Dieser «Ausbruch» vom Oktober 1973, schreibt der Künstler zwanzig Jahre später, «führte zwar direkt in die Katastrophe, konnte aber nicht aufgehalten werden, war Schicksal, unentrinnbar». Ohne sich bei jemandem abzumelden, fuhr er damals «nach Morges (Hôtel du Montblanc), wo er vier oder fünf Tage zuwartete, auf dem Bett lag, halbtot, aber der Tod kam nicht», reiste weiter nach Südfrankreich, kehrte zurück in die Ostschweiz, aber nicht nach Kreuzlingen, lebte in Ottoberg, in San Vincenzo (Italien), Steckborn, in der Kartause Ittingen und zog 1979 ins leer stehende Elternhaus ein: ins Neugrüt bei Hohentannen, an der Strasse von Kradolf nach Bischofszell. Zwei Wochen nach dem Verschwinden hatte er mit der Familie telefonisch Kontakt aufgenommen. Weil der Lohn ausblieb, musste seine Frau eine Stelle suchen. Sie arbeitete als Zahntechnikerin bis zur Pensionierung.

Eine Midlife-Krise, könnte man meinen. Ein Burnout, würde es heute heissen. Doch das wird der Sache nicht gerecht: 1973 ist Anton Bernhardsgrütter 48 Jahre alt. Er hat ein halbes Leben lang Schule gegeben. Aus der Ferne hat er die Unruhen von 1968 mitverfolgt, die alles infrage stellten und vieles bewegten. Wenn er sich jetzt nicht aufmacht, um endlich Künstler zu sein - wann dann? Wenn er bei seiner Frau geblieben wäre, sagt Bernhardsgrütter heute, wäre die Ehe sowieso gescheitert. Und wenn er versucht hätte, sich bei jemandem abzumelden, dann wäre der Absprung misslungen. Er war gerne Lehrer. Jedenfalls nicht ungern. Bis zum Schluss.

Befreit von der Schule arbeitet er viel. Probiert allerhand aus, Stile und Techniken. Im Thurgau ist er kein Unbekannter mehr. Bereits 1962 hatte er eine Einzelausstellung in Frauenfeld. Bilder von ihm wurden in London und Bratislava gezeigt: als Beispiele naiver Kunst. Er malt heilige Jungfrauen, die auf Medaillons über Landschaften schweben, christliche Prozessionen mit begehrenswerten Mädchen, den Teufel, die Hügel, in die er hineingeboren wurde - das Haus auf dem Neugrüt, den Merzenkopf, die Türme von Bischofszell, den Säntis (er schreibt «Sentis») - , einen Mädchenmord aus den dreissiger Jahren in Sitterdorf, Liebespaare, Stiere, die auf Kühe steigen, Militärflugzeuge, die herunterstürzen oder Bomben werfen, geliebte Frauen, immer wieder die Mutter und immer wieder sich selber.

Er entdeckt den Fotorealismus und zeichnet sich als Blinden mit Hund, ein Gedicht von Guillaume Apollinaire in der Hand. Also doch kein Naiver. Er malt Hinterglasbilder, die höllischen Visionen von Franz Grubenmann zum Beispiel, die er allerdings selber erfindet, oder einen Dompfaff im Winter. Er meint es nie naturalistisch. Er bildet nicht einfach ab, was ist. Seine Bilder sind voller Symbole und Metaphern. Sie erzählen geheimnisvolle Geschichten.

Oft schreibt er auch Texte zu den Bildern, kleine Essays oder Prosagedichte, die den Blick verändern: «Was soll dieser Blumenstrauss in einer arkadischen Landschaft im Frühherbst 1979», schreibt er, «während der Verkehrslärm ins Atelier dringt, Radiomusik mich unterhält, in den Zeitungen über Kernfusionen, totale Datentechnik und Genmanipulationen zu lesen ist». Allerdings sei fraglich, heisst es dann weiter, «ob ein Atommeiler im Hintergrund bewusstseinserweiternde Reize» auslösen würde, «denn eine gestörte Sinnlichkeit lässt sich nicht mit ihren eigenen Mitteln verstärken». Und: «Wir wissen alle, dass das Atomkraftwerk hinter jener Birnbaumgruppe versteckt ist. Wenn angesichts einer verdinglichten Natur sich Trauer ausbreitet ob der verlorenen Glückseligkeit des Ursprünglichen, so mag dies als regressives Verhalten erscheinen. Sicher ist es ein fragwürdiges Werk, aber es kann auch etwas aufzeigen, was als Verlust empfunden wird, und eine kritische Haltung manifestieren.» Also definitiv kein Naiver. Sondern jemand, der die aktuellen und historischen Debatten kennt. Aber das Leben kennt er ebenfalls.

«Dieses Blatt», schrieb Anton Bernhardsgrütter im Oktober 1974, ein Jahr nach dem Ausbruch aus der Lehrerexistenz, «habe ich auf Stein gezeichnet für meine Mutter Friderike, geb. Meli, von Wangs stammend, die ins Neugrüt bei Hohentannen gezogen war, dort 40 Jahre gelebt hatte: Hühner fütternd, Brot backend, auf Kalberkühe wachend, den Garten bschüttend, zur Frühmesse nach Bischofszell laufend, Kinder säugend, Wäsche siedend, Hausierer und Bettler speisend, melkend, Sauen fütternd, Häfen leerend, Rosenkranz betend, Kaffee röstend, Holdermus kochend, das Sonntagsblättli lesend, Johannisöl präparierend, Socken stopfend, Holzäpfel zusammenlesend, Birnschnitze dörrend, Heidenkinder erlösend, laubend, Erdäpfel lesend, Sauenstall kehrend, Ofen feuernd, Säcke flickend, Schwartenmagen machend, Schweinefleisch einsalzend; jedes Jahr wieder von vorne beginnend, und die in jenem kalten Winter 1928/29 mir in der Stube mit zitternder Stimme 'Maria zu lieben' gesungen hat (das ist meine erste Erinnerung an sie), die dann starb und dann hinweggefahren wurde auf den Friedhof. So war das. Richtiger müsste es heissen: arm vorn hinein, noch ärmer hinten hinaus.»

An der Strasse von Bischofszell nach Kradolf, in der thurgauischen Gemeinde Hohentannen, lebte vor Jahren ein einzelner Mann und malte und schrieb. Er hiess Anton Bernhardsgrütter, doch auf seinen Bildern nannte er sich seit einiger Zeit Anton B., dahinter schrieb er jeweils das Kürzel lpc, für «le pauvre cochon», die arme Sau. Regelmässig las er das Feuilleton von NZZ, «Zeit» und FAZ. Ein Fernsehgerät besass er nicht, oft aber liess er, «um die Wut wachzuhalten», den ganzen Tag das Radio laufen. Manchmal, wenn er im Zug durch die Schweiz fuhr, schloss er die Augen, um all die hingebauten Scheusslichkeiten nicht zu sehen.

Er malte und schrieb, und alles, was er festhielt, hatte eine Bedeutung, eine Geschichte, und es war wichtig. Bis ihn die Depression wieder anfiel und die Kraft ihn zeitweise verliess, stelle ich mir vor. Bis die Zweifel kamen.

Am 15. Juli 1983, an einem Abend um zehn, brannte das Bauernhaus auf dem Neugrüt ab. Mithilfe von Autofahrern, die an der Strasse stoppten, gelang es, wenigstens die Bilder zu retten. Nicht jedoch alle Bücher, die Anton B. geschrieben hatte. Die Ursache des Feuers, das zuerst in der benachbarten Scheune ausbrach, ist nie geklärt worden, aber das Haus hat man wieder aufgebaut. Nach drei Jahren kehrte Anton B. dorthin zurück.

Er schrieb neue Bücher, malte und zeichnete und signierte immer noch mit lpc. Oft hatte er grösste Geldprobleme, schliesslich fing er an, auch die Tagebücher zu verkaufen: als Einzelstücke. 1993 starb sein Sohn Anton Gregor am Ende einer langen Drogenkarriere. Im gleichen Jahr wurde Anton B. Grossvater. 1999 kehrte er mit 74 Jahren nach Kreuzlingen zurück, zog in die Wohnung seiner Frau. Das arme Schwein, le pauvre cochon, das er sich zum Beinamen genommen hatte, war früher in der Zeit nach Neujahr geschlachtet worden. Dem kleinen Anton tat das Tier sehr leid. Von seinem Fleisch ass er jedoch gerne. Auf den farbigen und traurigen Bildern des Anton B. lpc ist es zu sehen.

Ihn habe «der Abendgesang der Amseln von klein auf sehr berührt» schreibt er einmal: «Es liegt eine unaussprechliche liebliche Wehmut in diesem Gesang, wie's vielleicht Schubert oder Mozart in ihren besten Liedern erreicht haben, die Amseln singen nicht lustig, obwohl sie im Lande des Vergeltsgott leben, Kunst könnte man sagen ist nie lustig, nie Plausch.» Ansonsten «keine besonderen Vorkommnisse zu vermelden», heisst es auch in diesem Eintrag.



Vorabdruck aus: «Anton Bernhardsgrütter lpc - Im Land des Vergeltsgott». «Facetten 8», eine Publikationsreihe der Kulturstiftung des Kantons Thurgau. Niggli Verlag. Zürich/Sulgen, 2007. 40 Seiten. 22 Franken.

Anton Bernhardsgrütter

Anton B., geboren 1925 auf dem Neugrüt bei Hohentannen, heute in Kreuzlingen. Unter dem Titel «Anton B. lpc» zeigt das Museum Rosenegg in Kreuzlingen vom 19. Oktober bis 16. Dezember Bilder, Hinterglasmalerei und neue Zeichnungen von ihm. www.museumrosenegg.ch