Peter Zumthor: Architektur ohne Allüren

Nr. 42 –

Zu seinem zehnjährigen Bestehen widmet das Kunsthaus Bregenz seinem Erbauer eine Retrospektive. Ihre Präsentation und der Ort erlauben ein einzigartiges Architekturerlebnis.

Vielleicht ist die Kapelle die ideale Bauaufgabe für Peter Zumthor. Zwei hat er in seiner gut zwanzigjährigen Tätigkeit als Architekt gebaut: 1988 die Kapelle Sogn Benedetg im bündnerischen Sumvitg, 2007 die Feldkapelle Bruder Klaus in Wachendorf in der Eifel. Von aussen ein scharfkantiger Monolith in freier Landschaft, ist sie einer regionalen Bautradition entsprechend aus Zement mit Sand und grobem Kiesel erbaut. Das fensterlose Innere der Bruder-Klaus-Kapelle gleicht einer archaischen Höhle, die sich nach oben verjüngt und an der Spitze eine kleine Öffnung aufweist. Der Innenraum wurde mit Fichtenstämmen vollständig verschalt und anschliessend ausgeräuchert, sodass nur die Negativrundungen der Stämme und eine dunkel glänzende Oberfläche zurückblieben, die im einfallenden Licht fast magisch schillert.

Der Autorenarchitekt

Geradezu prototypisch legt dieser sakrale Bau eine Reihe von Eigenschaften frei, die Zumthors Arbeit prägen. Dabei ist vor allem die Präsenz der Architektur zu nennen, der jede Spektakularität abgeht, die im Gegenteil aus einer Konzentration auf das Wesentliche entsteht. Weiter ist die klare Trennung von Innenform und Aussenform ein weiteres Merkmal von Zumthors Bauten sowie die Sorgfalt, die der Architekt dem Zusammenklang der Materialien widmet. Eine zentrale Rolle spielt die Lichtführung, die wesentlich zur Stimmung, zur Stimmigkeit seiner Bauten beiträgt.

«Im Wesentlichen besteht meine Arbeit darin, zu Hause zu bleiben, die Welt um mich herum zu vergessen und mich völlig in die Aufgaben, denen ich mich widmen muss, zu vertiefen - in die Orte, für die ich arbeiten muss, die Atmosphären, die ich schaffen möchte», umschreibt Peter Zumthor seine langsame, konzentrierte Herangehensweise. Einfach ganz da sein - diese fast mönchisch anmutende Haltung prägt die Arbeitsweise des Architekten, dem jeder Hochmut, jegliche Allüre abgeht. Immer wieder wird der 1943 in Basel geborene Architekt, der ursprünglich Möbelschreiner lernte und bisher erst zwölf Bauten realisierte, von den Medien zum Künstler stilisiert - ein Vergleich, den Zumthor dezidiert zurückweist. Er selbst bezeichnet sich als Autorenarchitekt, der als Auftraggeber ein Gegenüber braucht, mit dem er das Projekt gemeinsam entwickeln kann. Architektur als Dienstleistung, wie sie vor allem Generalunternehmen pflegen, ist nicht sein Ding.

Körperliches Raumerlebnis

Nun hat das Kunsthaus Bregenz zum zehnjährigen Bestehen seinem Erbauer eine würdige Retrospektive eingerichtet. Im Erdgeschoss empfängt die BesucherInnen eine Reihe von Grossmodellen, darunter jenes des eben fertiggestellten Kunstmuseums Kolumba, das Peter Zumthor auf den Ruinen der mittelalterlichen Kirche St. Kolumba für die Erzdiözese Köln erbaut hat. Zehn Jahre hat die Planungs- und Bauzeit gedauert, gut 43 Millionen Euro hat der Bau schliesslich gekostet. Auch hier, wie bei der Kapelle Bruder Klaus, wirkt das Gebäude von aussen wie eine Trutzburg, hermetisch gegen die Aussenwelt abgeschottet.

Im Innern hingegen öffnet sich das weite Foyer mit einer grossen Glasfront zu einem begrünten, stillen Innenhof. Kapelle, Kirche, Museum - in der Kolumba sind diese Bautypen, die dem Architekten so naheliegen, miteinander zu einem grossartigen Ensemble verschmolzen, in dem jedes Detail - zum Beispiel der aus Eukalyptusholz geformte Kassentresen - mit äusserster Achtsamkeit auf die Gesamtwirkung ausgewählt wurde.

Einen völlig neuartigen Typus der Architekturpräsentation hat das Künstlerduo Nicole Six und Paul Petritsch im zweiten und dritten Stockwerk des Kunsthauses eingerichtet. Mit sechs fest installierten Kameras - jeweils vierzig Minuten auf eine Stelle eines Gebäudes gerichtet - haben sie die zwölf Bauwerke von Zumthor gefilmt, darunter das Museum Kolumba sowie die Feldkapelle Bruder Klaus. Hier werden auch die Therme Vals, wohl das bekannteste Projekt Zumthors und ebenfalls eine Art Kapelle, sowie eine Reihe von Wohnbauten vorgestellt, unter ihnen das 2005 erstellte Wohnhaus des Architekten im bündnerischen Haldenstein. Die frei im Raum aufgehängten Leinwände, auf die die Bilder projiziert werden, erlauben der Besucherin ähnliche Blickachsen und Bewegungen wie in der realen Architektur. Anders als bei fotografischen Dokumentationen werden Zeit und Raum hier zu Elementen der Architekturbetrachtung und erlauben ein einzigartiges körperliches Raumerlebnis.

Ein Dach für die Ufenau

Wem sinnliche Eindrücke wie Geruch, Luftzug und Materialität der filmisch vorgestellten Bauten fehlen, der braucht nur einen Blick auf die ihn umgebende Architektur zu werfen: Das Kunsthaus Bregenz mit seinen subtil nuancierten Sichtbetonwänden und durchgehendem Oberlicht bleibt eines der Meisterwerke Zumthors, das trotz seiner Strenge eine eigentümliche Wärme und Geborgenheit ausstrahlt.

Einen Einblick in die Werkstatt des Ateliers Zumthor erlaubt schliesslich die Präsentation von Skizzen, Entwürfen und Plänen im obersten Stock. Auf langen Arbeitstischen und Podesten sind Materialien ausgebreitet, die den Entstehungsprozess einzelner Bauten im Detail nachvollziehbar machen. Hier ist überall der Handwerker Zumthor spürbar, insbesondere in den detailliert ausgearbeiteten Modellen und Miniaturen aus Materialien wie Holz, Ton und Gneis. Fast ein bisschen Wehmut stellt sich angesichts der nicht realisierten Projekte ein, die hier ebenfalls präsentiert werden. Zum Beispiel ein markanter Hotelbau in Tschlin im Unterengadin oder eine neokubistisch fragmentierte Wohnsiedlung am Luzerner Seeufer. Zu hoffen bleibt, dass zumindest Zumthors Projekt für ein Restaurant auf der Insel Ufenau im Zürichsee - ein auf Stützen schwebendes Holzdach von rund vierzig Metern Länge sowie ein verglaster Panoramasaal - trotz Protesten gebaut werden kann.


«Peter Zumthor. Bauten und Projekte 1986 - 2007». Kunsthaus Bregenz. Bis 20. Januar 2008. Vorträge von Peter Zumthor: «Lavori di primavera» am Mittwoch, 24. Oktober, 19 Uhr; «Autumn Works» am Freitag, 18. Januar 2008, 19 Uhr.