Eine kleine Geschichte der Schweizer Kampfflugzeuge: E Figgi und e Müli

Nr. 17 –

Das Drama um den F/A-18 Im ersten Akt wählt die Armee ihren nächsten Kampfjet aus, und der Eiserne Vorhang verschwindet. Im zweiten Akt sammelt die GSoA über eine halbe Million Unterschriften gegen die 34 milliardenteuren F/A-18 Hornet. Doch im finalen dritten Akt gelingt es dem Militärdepartement, eine Mehrheit so sehr zu beunruhigen, dass sie schliesslich dem Hornet-Kauf zustimmt.

Die Tiger fliegen seit Oktober 1978 - mit den zweitklassigen Düsenjägern, die in zwei Serien 1976 und 1981 gekauft wurden, ist es dem Militärdepartement endlich gelungen, neue Kampfjets anzuschaffen und die heikle und lähmende Situation nach dem Mirage-Skandal von 1964 zu überwinden. Aber nach den Schnäppchen sollen jetzt doch noch ein paar Prunkstücke her. Die Flugwaffe braucht nach eigenem Ermessen nur noch vierzig der besten auf dem Markt verfügbaren Flieger, um die in der seit 1966 geltenden Verteidigungsstrategie definierten Aufgaben vollumfänglich übernehmen zu können und die bald auszumusternden Hunter, die seit 1958 im Einsatz sind, zu ersetzen. Bis 1989 sollen die neuen Flugzeuge bestellt werden.

Was zunächst als rasch zu erledigende Routineaufgabe erscheint, wird schliesslich zum dreiaktigen Drama. Im ersten Akt bringen die welt- und innenpolitischen Erschütterungen von 1989 die Planung für den neuen Kampfjet ins Wanken, aber es gelingt schliesslich, das Geschäft in der ursprünglich vorgesehenen Fassung Anfang 1991 in den Ständerat zu bringen.

Doch dann folgt der schnelle zweite Akt. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) erkennt, dass sich sehr viele Menschen fragen: Müssen wir in diesen wirtschaftlich schwierigen Krisenzeiten wirklich so viel Geld für ein inzwischen überflüssiges Spielzeug der Militärpiloten ausgeben? Und sammelt in Rekordfrist eine Rekordzahl von Unterschriften für eine Initiative, die verhindern will, dass die Schweiz bis Ende Jahrtausend neue Kampfjets kauft. Die GSoA scheint nach dem umwerfenden Resultat bei der Armeeabschaffungsinitiative 1989 vor ihrem nächsten Triumph zu stehen. Meinungsumfragen zeigen: Die Flieger werden an der Urne keine Chance haben.

FDP-Bundesrat Kaspar Villiger, Chef des Militärdepartements, und seine Mannen wissen nicht, wie ihnen geschieht. Doch sie rappeln sich auf. Sie gestalten den dritten, finalen Akt mit grossem Einsatz an Ressourcen aller Art ganz nach ihren Vorstellungen. Es gelingt ihnen, die Zweifel der Bevölkerung zu zerstreuen und umzudrehen. Jetzt heisst es: Tja, eine Armee braucht es eben schon (siehe die Kriege im auseinanderfallenden Jugoslawien!), und eine Armee ohne Dach ist ja wohl sinnlos; doch das ist der linken GSoA ja sowieso egal, die will jetzt einfach ratenweise erreichen, was sie 1989 auf direktem Weg nicht geschafft hat; - und dann all die schönen Arbeitsplätze, die der neue Flieger garantiert!

Das Stück endet am 6. Juni 1993, 57 Prozent stimmen an der Urne dafür, neue Kampfjets zu kaufen.

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Der Prolog beginnt 1985 damit, dass der Chef des Militärdepartements Jean-Pascal Delamuraz (FDP) das Auswahlverfahren für einen neuen Jet einleitet. 1987 werden Kandidaten gesichtet: Nebst einem aufdatierten Mirage 2000 und zwei US-amerikanischen Jets prüft das Militärdepartement drei Typen, die erst als Studien existieren: den israelischen Lavi, der nie gebaut werden wird, sowie den schwedischen Gripen und den französischen Rafale (beide werden 2008 in der nächsten Evaluation wieder auftauchen).

Ein Jahr später sind nur noch der F-16 Fighting Falcon und der F/A-18 Hornet im Rennen. Anders als beim Tiger sind es wieder einmal ausschliesslich militärische Argumente, die gegen wirtschafts- und aussenpolitische sowie finanzielle Bedenken die Oberhand behalten. Letztere kommen dann doch noch ein bisschen zur Geltung, denn statt der geplanten 40 Stück entscheidet sich der neue Vorsteher des Militärdepartements Arnold Koller (CVP) am 3. Oktober 1988 dafür, nur 34 F/A-18 für stolze 3 Milliarden Franken zu beschaffen. Sie sollen ins Rüstungsprogramm 1990 aufgenommen werden.

Bereits 1984 hat die Schweizer Armee gross eingekauft: 380 Leopard-2-Panzer für 3,4 Milliarden Franken. Immer mehr Leute fragen sich: Braucht es wirklich solche teuren Investitionen? Anfang April 1987 stimmen immerhin vier von zehn UrnengängerInnen für eine SP-Initiative, die ein fakultatives Referendum bei Militärausgaben fordert. Acht Monate später unterstützen 57,8 Prozent eine Initiative, die Moore schützen will - und einen geplanten Waffenplatz in Rothenthurm verhindert.

Als FDP-Bundesrat Kaspar Villiger am 1. Februar 1989 Chef des Militärdepartements wird, weiss er recht genau, wie er das lädierte Renommee der Armee aufpolieren will: indem er sie reformiert. Bereits im Mai und noch mitten im Kalten Krieg stellt er das Projekt Armee 95 vor. Sie soll ein wenig kleiner, dafür noch ein wenig besser gerüstet sein und passt nach wie vor gut zur 1966 konzipierten Strategie der Abschreckung (in Armeekreisen heisst das: Dissuasion). Diese sieht vor, dem Gegner einen möglichst hohen und deshalb abschreckenden Eintrittspreis in die Schweiz in Aussicht zu stellen - in der Hoffnung, er möge deshalb nie angreifen.

Die Fliegertruppe feiert in Dübendorf am 26. August 1989 ihr 75-jähriges Jubiläum. Die Kunstflugstaffel Patrouille Suisse wird gleichentags 25 und erhält einen Anerkennungpreis. Aus Rücksicht auf die lärmgeplagten AnwohnerInnen darf sie aber an ihrem Geburtstag nicht fliegen.

Am 9. November 1989 fällt mit der Mauer in Berlin auch eine wichtige Stütze des helvetischen Massenheers. Denn es legitimierte sich bis anhin ganz wesentlich mit der Gefahr aus dem roten Osten. Kurz darauf, am 26. November 1989, der nächste Schlag: Sensationelle 35,6 Prozent sowie die Kantone Genf und Jura stimmen der GSoA-Initiative zu und wollen die Armee abschaffen. Damit ist der erste Akt eröffnet.

Der Berner SP-Nationalrat Paul Günter fragt den Bundesrat kurz danach, «ob er nicht erwägt, die [F/A-18-]Beschaffungsübung abzubrechen und nach neuen Wegen zu suchen, die im Rahmen der sich verändernden Lage in Europa einen sinnvollen Einsatz der vorgesehenen Mittel gestatten». Der Bundesrat weist in seiner Antwort vom 28. Februar 1990 auf die «je rund 1400 Flugzeuge» hin, die die Nato und der Warschauer Pakt (der sich Ende März 1991 auflösen wird) in Mitteleuropa stationiert hätten und «den Schweizer Luftraum erreichen können». Der Bundesrat rechnet ernsthaft damit, dass diese die Schweiz angreifen könnten; er sagt, die Armee habe gegen diese Bedrohung «nur mit modernen Kampfflugzeugen [...] eine dissuasive Wirkung».

Doch auch der Bundesrat kann die ausserordentlichen Ereignisse nicht komplett ignorieren und verschiebt den Kauf der Kampfjets. Er überlegt sich sogar, statt 34 nur 24 F/A-18 zu kaufen, womit sich rund 600 Millionen Franken sparen liessen; zudem will er in einem sicherheitspolitischen Bericht neue Bedrohungen analysieren. Auch die Typenwahl wird erneut diskutiert. Von den USA wären beispielsweise fünfzig Occasions-F-16 für eine Milliarde Franken zu haben, Dassault bietet eine extra für die Schweiz verbesserte Mirage 2000-5 an, die Sowjetunion ihren Mig-29.

Am 1. Oktober 1990 präsentiert der Bundesrat seinen angekündigten Bericht zur Sicherheitspolitik. Er weiss: «Die jüngsten Umwälzungen in Europa machen es notwendig, die sicherheitspolitische Lage neu zu beurteilen.» Eine gute Problemanalyse, findet der Nationalrat in seinen Beratungen am 4. und 5. Juni 1991. Aber nicht nur der Linken gefallen die Schlüsse nicht, die daraus gezogen werden. Dennoch stellen sich die Bürgerlichen gesamthaft hinter den Bericht und die darin skizzierte Rolle der Armee als wichtigstes Instrument der Kriegsverhinderung. Der «Tages-Anzeiger» kritisiert, Bundes- und Nationalrat drückten sich, die Frage «Was kommt nach der Rütlidoktrin?» wirklich zu beantworten.

Auch im September 1991 im Ständerat derselbe Tenor; nur zwei wagen, dem Sicherheitsbericht zu widersprechen: Der Thurgauer Sozialdemokrat Thomas Onken schliesst aus, dass die Schweiz in absehbarer Zukunft militärisch bedroht werde, und der Ausserrhoder Freisinnige Otto Schoch sagt, die Bevölkerung fühle sich heute vor allem durch ökologische Katastrophen, durch die Migration, Drogen und andere Zeiterscheinungen bedroht, wogegen eine Armee wenig auszurichten habe.

«Bundesrat Kaspar Villiger durfte mit der Debatte zufrieden sein», stellt die «Berner Tagwacht» fest, «trotz nirgendwo sichtbaren militärischen Bedrohungen wird an der bisherigen Militärstrategie und der kostspieligen Aufrüstung festgehalten.» Und der «Bund» weist darauf hin, was der bundesrätliche, nun vom Parlament abgesegnete Sicherheitsbericht wirklich will: «Er ist zu sehr darauf angelegt, der bereits detailliert geplanten Armee 95 als politisches Fundament zu dienen; er greift zu kurz, und er wird rasch hinter der europäischen Wirklichkeit zurückbleiben.»

So überrascht es auch nicht, dass der Bundesrat am 26. Juni 1991 Kollers Entscheid, 34 F/A-18 C/D zu kaufen, bestätigt. Diese kosten jetzt 3,495 Milliarden Franken, also über hundert Millionen pro Stück, wie der bundesrätlichen Botschaft über die Beschaffung von Kampfflugzeugen vom 18. Dezember 1991 zu entnehmen ist. Dazu kommen 250 Millionen für bauliche Anpassungen sowie prognostizierte jährliche Unterhaltskosten von 50 Millionen. Seit 1986 sind bereits 70 Millionen Franken im Zusammenhang mit dem neuen Flieger ausgegeben worden und mehr als hundert Mannjahre an Arbeit im Militärdepartement angefallen.

Auch die Kompensationsgeschäfte sind unter Dach und Fach. Die Herstellerfirmen verpflichten sich gemäss Botschaft, für mindestens zwei Milliarden Franken in der Schweiz Industriegüter zu kaufen (siehe Folge 5 in WOZ Nr. 14/08 und im Dossier auf www.woz.ch). Dazu kommt die direkte Beteiligung einheimischer Firmen am F/A-18-Programm im Umfang von 311 Millionen Franken: An den 32 Kampfjets, die im Eidgenössischen Flugzeugwerk Emmen endmontiert werden, kommen unter anderem die Aussenflügel, Brennstofftanks und Fahrwerke aus der Schweiz. Den Bund kostet die Beteiligung, die 132 Arbeitsplätze während fünf Jahren und 56 während zwei Jahren auslastet, den stolzen Aufpreis von 146 Millionen Franken. Fast eine Million Franken für einen zeitlich befristeten Arbeitsplatz, das ist teuer. Im zivilen Bereich reichen oft ein paar Zehntausend Franken aus der Staatskasse, um einen Arbeitsplatz zu schaffen.

Das Kalte-Krieg-Konzept der Dissuasion wird in der bundesrätlichen Botschaft konsequent weiterverfolgt: «Unsere sicherheitspolitische Zielsetzung, das Staatsgebiet der Schweiz zu behaupten, erfordert die Fähigkeit der Armee, glaubwürdig zu erkennen zu geben, dass sich der Versuch nicht lohnt, die Schweiz anzugreifen.» Einen Grund, das Reformprojekt Armee 95 grundsätzlich zu überdenken, gibt es für Militärminister Villiger nicht. Naiv, wer nach 1989 auf eine Friedensdividende hoffe, nötig sei eine «muskulöse Armee 95», keine «Armee light». Die Schweiz sei sicherheitspolitisch ein solides Haus, sagt Villiger, aber das Dach lecke, es brauche einen dichten Luftschirm.

Doch wozu ist das nötig? Villiger lässt zwei Antworten gelten: für eine glaubwürdige bewaffnete Neutralität oder für eine glaubwürdige Mitgift bei einem Nato-Beitritt. In einem Interview mit dem «Magazin» sagt er im Juli 1991: «Wir sollten [kursiv]e Figgi und e Müli[kursivende] haben. Wir müssen ein System beschaffen, das in der Lage ist, eine autonome Landesverteidigung zu ermöglichen, das aber den Schritt in einen grösseren Verbund [...] möglich macht.» Allerdings stellen kritische Armeebefürworter wiederholt fest, dass höchsten 24 F/A-18 für einen Luftpolizeidienst zum Neutralitätsschutz völlig ausreichen. Villigers Ziel ist also, auch wenn er es nicht so deutlich sagt, die Nato.

Die sicherheitspolitische Kommission des Ständerats beginnt am 10. Januar 1992, über den F/A-18 zu beraten. Am 25. Februar finden zum ersten Mal überhaupt öffentliche Hearings statt. Die drei geladenen Experten (der Genfer Strategieexperte Curt Gasteyger, Kurt Spillmann von der ETH Zürich und Gustav Däniker, ehemals Stabschef für operative Schulung in der Armee) sind der Meinung, ein neues Kampfflugzeug sei nötig, die schweizerische Luftverteidigung müsse aber in ein zukünftiges europäisches Sicherheitssystem eingebunden werden. Nur der pensionierte Divisionär Gustav Däniker spricht sich indes klar für den F/A-18 aus.

Däniker wird am 4. März von Kommissionspräsident Otto Schoch schriftlich gerügt. Däniker hat nämlich in den Hearings verschwiegen, dass die PR-Agentur Rudolf Farner, bei der er als Direktor amtet, für die Herstellerfirma des F/A-18 McDonnell Douglas arbeitet. Die Kommission schliesst sich dennoch mit zwölf zu eins Däniker und dem Bundesrat an und befürwortet den Kauf der Hornet. Und er lehnt mit neun zu vier einen Antrag ab, auf zehn Maschinen zu verzichten (und nur 2,85 Milliarden Franken auszugeben). Die Minderheit findet, für einen dichten Luftschirm reichten 34 sowieso nicht, eine Luftpolizei zum Neutralitätsschutz könne aber auch mit 24 gewährleistet werden.

Anfang März 1992 stösst über Delémont beinahe ein Tiger der Flugwaffe mit einem Swissair-Airbus zusammen, worauf der Kommandant der Flieger- und Fliegerabwehrtruppen Werner Jung zurücktritt. Prompt wird gewitzelt: «Wenn wir den F/A-18 schon besessen hätten, hätten wir den Airbus erwischt.»

Der Ständerat bewilligt am 19. März 1992 den Kauf von 34 Kampfflugzeugen mit 33 zu 8. Die Debatte wird erstmalig vom Fernsehen übertragen - ein Zeichen dafür, wie brisant das Thema eingeschätzt wird (die Zuschauerzahlen sind allerdings enttäuschend). Am 24. März 1992 beginnt die sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats mit ihren Hornet-Beratungen.

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Inzwischen ist auch die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee aktiv geworden. Am 28. Februar 1992 tagt ihre Arbeitsgruppe Internationales, und Adrian Schmid hat eine Idee: eine Volksinitiative, die verlangt, dass ab 1. Juni 1992 bis Ende 2000 keine neuen Kampfflugzeuge gekauft werden dürfen. Am 1. März 1992 veröffentlicht der «SonntagsBlick» eine Umfrage, wonach 85 Prozent über den F/A-18-Kredit abstimmen wollen, 75 Prozent sind gegen einen Kauf.

Die GSoA gelangt eine Woche später mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit: Am 8. März 1992 bringen «SonntagsZeitung» und «Le Nouveau Quotidien» die Ankündigung der Initiative «Für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge» auf dem Kioskplakat und auf der Frontseite. Damit hat der zweite Akt angefangen. Mit dem Stichdatum 1. Juni setzt sich die GSoA aber ein heftiges Ziel. Die GSoA-Vollversammlung beschliesst am 29. März 1992 ohne Gegenstimmen bei einigen Enthaltungen, die Initiative zu lancieren.

Trotzdem sieht die Finanzdelegation der eidgenössischen Räte am 14. April 1992 keinen Grund, eine Vorleistung von fünfzig Millionen Franken für den F/A-18 zu verhindern. Sollte die lancierte Initiative dereinst angenommen werden, wäre der Betrag weitgehend verloren. Das irritiert viele; SP-Präsident Peter Bodenmann fordert, Bundesrat Villiger sei als Verantwortlicher vor Bundesgericht zu stellen. Doch das erweist sich als juristisch heikel, Bodenmann blamiert sich sogar in der eigenen Partei für seinen politischen Fehler, Villiger spricht von einer «totalitären Demokratie». Anfang Mai wird bekannt, dass Finnland 64 F/A-18 kauft.

Am 28. April 1992 wird die Initiative offiziell lanciert. Bereits nach sechs Tagen sind 50000 Unterschriften gesammelt, am 9. Mai 1992 sind die nötigen 100000 Unterschriften erreicht, am 14. Mai 1992 schon 200000. Pünktlich am 1. Juni reicht die GSoA zur Eröffnung der Sommersession, an der das Geschäft im Nationalrat traktandiert ist, die «Stop F/A-18»-Initiative mit beispiellosen 503719 Unterschriften ein (wovon nur 181797 beglaubigt sind - für mehr reichte die Zeit nicht), was 11,2 Prozent der stimmberechtigten Bevölkerung entspricht. Das ist das höchste Sammelergebnis aller Zeiten innert kürzester Sammelfrist. Und damit noch höher als bei der Petition zur Erhaltung der Kavallerie, die 1972 auch ziemlich schnell mehr als 430000 Mal unterschrieben worden war.

GSoA-Aktivist Adrian Schmid schreibt am 1. Juni 1992: «Die Begeisterung Hunderter mit dem Know-how von vierzig Erfahrenen motivierte Tausende, sich engagiert an der Unterschriftensammlung zu beteiligen und hunderttausend [Unterschriften] zu erreichen.» Wer im «Klub der 500 SammlerInnen gegen die Jäger» mitmachte, erklärte sich bereit, je 200 Unterschriften beizusteuern. Der Klub zählt am Schluss 681 Mitglieder. Im internen Sammelwettbewerb schwingt Franz Lieberherr aus Aarau obenaus, der für seine 2275 Unterschriften einen SSR-Reisegutschein über tausend Franken erhält, die Zweit- bis Sechstplatzierten gewinnen ein WoZ-Jahresabo. Auf den ausgezeichneten zwanzig Rängen figuriert mit der grünen St. Galler Nationalrätin Pia Hollenstein (14. Platz, 710 Unterschriften) eine einzige Frau. Sie bekommt eine Kiste mit drei Flaschen GSoA-Wein. Die GSoA gab in den drei Monaten bis zum 1. Juni 250000 Franken für die Kampagne aus.

Gewisse Hornet-Befürworter reagieren ob dieses Triumphs ungehalten. Der Berner SVP-Ständerat Ulrich Zimmerli fordert, die Initiative sei wegen ihrer Rückwirkungsklausel für ungültig zu erklären, FDP-Parteipräsident Franz Steinegger meint, es handle sich um klaren Demokratiemissbrauch.

Auch für Ruedi Gasser bringt der 1. Juni 1992 Ungemach: Der Fallschirmspringer liefert bei der Übergabe der Unterschriften vor dem Bundeshaus das letzte Paket per Luftpost. Daraufhin entzieht der Aero-Club Gasser die Lizenzen, weil er die Sicherheit gefährdet habe. Der Schweizer Meister und Siebter der Weltmeisterschaft 1991 kann somit nicht mehr wie bisher im Sommer als Profiausbildner arbeiten und muss sein Auskommen anderweitig suchen. Erst am 1. Mai 1993 erhält er alle Lizenzen wieder. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) spricht eine Busse aus, da für den Sprung auf den Bundesplatz keine Bewilligung eingeholt worden sei. Das Bazl hält aber fest, dass der Landeplatz sachkundig «abgesperrt und gesichert» gewesen sei, überdies habe sich Gasser «umfassend und gut vorbereitet» - von einer Gefährdung der Sicherheit keine Rede. Pikant: Der für den Fall zuständige Bazl-Jurist sitzt im Vorstand des Aero-Clubs Bern.

Der Nationalrat diskutiert vom 10. bis 12. Juni 1992 über das Geschäft. Schliesslich akzeptiert er einen Vorschlag der CVP: Er stimmt mit 103 gegen 84 bei 7 Enthaltungen für den Kauf von 34 F/A-18-Kampfflugzeugen, der Kauf soll allerdings erst nach Ablehnung der GSoA-Initiative ausgelöst werden und das Militärdepartement keine weiteren finanziellen Verpflichtungen mehr eingehen. Falls die Initiative an der Urne scheitert, wird wegen der einjährigen Verzögerung mit Mehrkosten von 200 Millionen Franken gerechnet.

Linke NationalrätInnen stossen sich daran, dass einige Parlamentarier Verwaltungsratsmandate bei Firmen haben, die von den Kompensationsgeschäften profitieren. Die Bundesräte Delamuraz und Villiger weisen dagegen auf die 20772 Mannjahre Arbeit in, wie sie sagen, technologisch interessanten Bereichen hin, die sich aus Endmontage und Kompensationsgeschäften ergäben. Also 2077 Arbeitsplätze, die für zehn Jahren gesichert sind. Zum Vergleich: In der Schweiz gibts insgesamt rund drei Millionen Arbeitsplätze. Der Ständerat folgt dem Nationalrat am 17. Juni.

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Noch läuft der zweite Akt - könnte die GSoA bestimmen, fände jetzt gleich die Volksabstimmung statt, und das Stück endete aus ihrer Sicht glücklich. Doch der bedrängte Militärminister schafft es, sich in den dritten Akt zu retten. Villiger, obwohl eigentlich an einer raschen Bestellung der Flieger interessiert, will Zeit und Euphorie verstreichen lassen und verschiebt den Urnengang ins nächste Jahr. Und er nutzt die gewonnenen Monate optimal.

Villiger hat Mitstreiter: Sein Delegierter für Information Daniel Eckmann ist ein begnadeter Organisator, der mit modernsten Methoden und Mitteln (Website, Fact-Sheets, Events) arbeitet und Villigers Kampf gegen die GSoA-Initiative zur ersten professionellen PR-Kampagne des Bundesrats überhaupt macht. Hilfe erhält Eckmann von Kenneth Angst, den Villiger 1992 ins Bundeshaus holt. Der gnadenlose Analytiker packt erfolgreich mit an, die Flieger an sich sind ihm allerdings - sagt er später - völlig egal.

Villiger und sein Team legen sich eine ziemlich ausgeklügelte und auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie zurecht. Der Kerngedanke: Nur mit den Stimmen der öffnungswilligen Armeebefürworterinnen ist der Urnengang nicht zu gewinnen, es braucht auch die der traditionellen, isolationistischen Armeebefürworter. Der Haken: Villiger erhält so zwar möglicherweise seine F/A-18, doch die neuen Verbündeten werden Gegenleistungen verlangen, die nicht in Villigers Interesse sind.

Villigers Dilemma lautet also: Ohne Flieger kann er nicht in die Nato, doch diese erhält er nur, wenn er sich den absoluten Nato-GegnerInnen ausliefert. Villiger hat, will er die GSoA besiegen, keine Wahl.

Die Partei der Schweizer Demokraten illustriert dieses Dilemma: Wäre am 6. Dezember 1992 ein Beitritt der Schweiz zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) angenommen worden (was denkbar knapp nicht geschah), hätten die Schweizer Demokraten gemäss Parteipräsident Rudolf Keller gegen den Hornet gestimmt - aus Angst, mit dem Flieger die Unabhängigkeit der Schweiz noch mehr zu gefährden. Wenn Villiger diese Stimmen behalten will, muss er sich entschieden davon distanzieren, dereinst einem internationalen Militärbündnis beitreten zu wollen; die Schweizer Demokraten - und nicht nur sie! - scheuen sich derart davor, dass sie es in Kauf nehmen, mit der GSoA gemeinsame Sache zu machen und die angeblich so wichtige Armee zu schwächen.

Villiger weiss: Wenn darüber abstimmt wird, ob dreieinhalb Milliarden Franken für US-Hightechteile ausgegeben werden sollen, wird er verlieren. Wenn es ihm aber gelingt, den Urnengang in ein Plebiszit über die Armee umzufunktionieren, dann wird er gewinnen. Der Politologe Claude Longchamp formuliert das im Februar 1993 so: «Die Aussichten der jetzigen GSoA-Vorlage sind nur dann deutlich besser [als 1989], wenn sich die Auseinandersetzung auf die Frage des F/A-18 konzentriert.» Villiger insistiert denn auch darauf - «Stop F/A-18»-Initiative sei der falsche Name, denn die GSoA wolle weit mehr: Die Schweiz entwaffnen, wehrlos machen, den Fremden ausliefern.

Villiger lädt am 27. Juni 1992 über tausend Offiziere zum «Berner Rapport», dem grössten Aufgebot seit General Henri Guisans Rütlirapport von 1940. Ein Militärorchester spielt zur Einstimmung den Marignano-Marsch. (Die Niederlage der Eidgenossen in der Schlacht von Marignano im Jahr 1515 war verheerend und bedeutete das Ende aller Expansionsgelüste.)

Villigers Kalkül: Wie damals im Zweiten Weltkrieg, als, so wills die Legende, die Stimmung desolat war und einzig dank Guisans Rütlirapport der Widerstandswille wieder erwachte, müssen die senkrechten SchweizerInnen, die in ihren Stuben den General an der Wand hängen haben und ihre Heimat im Stil der alten Eidgenossen vor allem Fremden verteidigen wollen, jetzt aufstehen und dem mutlosen Volk zeigen, dass eine Wende zum Guten möglich ist, wobei das Gute eine starke Armee mit 34 F/A-18 ist. Villiger informiert am Rapport über die geplante Armeeereform und plädiert für eine vorbehaltlose Unterstützung der schweizerischen Landesverteidigung.

Die GSoA feiert am 12. September 1992 ihr zehnjähriges Bestehen; sie hat rund 30000 Mitglieder. Sie schenkt sich selber eine internationale Tagung in Luzern, an der unter anderem der norwegische Friedensforscher Johan Galtung auftritt. Gleichzeitig startet die GSoA die Abstimmungskampagne.

Der Bundesrat gibt am 28. Oktober 1992 offiziell bekannt, dass er die GSoA-Initiative ablehnt. Villiger: Der Bundesrat könne es nicht verantworten, «dass die Schweiz ihre Fähigkeit zur Verteidigung fahrlässig aufs Spiel setzt». Aufschlussreich ist es, die in dieser bundesrätlichen Botschaft vorgebrachten Argumente mit der Botschaft vom 18. Dezember 1991 zu vergleichen, in der der Bundesrat noch ziemlich nüchtern und sachlich den Kauf der F/A-18 begründete und empfahl, aber noch nicht an eine Volksabstimmung über den F/A-18 dachte. Jetzt packt er den rhetorischen Zweihänder aus und orientiert sich an der traditionellen Reduit-Rhetorik.

⇒ 1991 schrieb der Bundesrat noch sehr offen, ja fast progressiv: «Ob die Schweiz ihre Neutralität beibehält oder später einem europäischen Sicherheitssystem beitritt, in beiden Fällen muss sie den Schutz ihres Staatsgebietes, einschliesslich des Luftraumes, sicherstellen.» Ein Jahr später ist der Bundesrat entschieden vorsichtiger: Er betont immer wieder, wie «die Glaubwürdigkeit unserer bewaffneten Neutralität» auf dem Spiel stehe, befürchtet, die «herkömmliche Neutralität» müsse aufgegeben werden. Von Europa und internationalen Organisationen ist kaum mehr die Rede - oder dann aber negativ aufgeladen: Der Bundesrat droht damit, die Schweiz müsse sich nach Annahme der Initiative «die Frage stellen, ob sie im Bereich der Luftverteidigung eine militärische Zusammenarbeit mit [...] einem Verteidigungsbündnis vereinbaren und so ihre Lufthoheit durch fremde Luftstreitkräfte sicherstellen lassen solle». Statt von einem freundlichen «europäischen Sicherheitssystem» ist plötzlich von unangenehmen «fremden Luftstreitkräften» die Rede. Zudem suggeriert der Bundesrat, dass sich ohne helvetische F/A-18 «unsere Nachbarn mit dem ‹Vakuum Schweiz› befassen müssten».

⇒ 1991 hiess es noch unverbindlich: «Die Erneuerung unserer Mittel für die Luftverteidigung steht in Übereinstimmung mit der Planung der Armee 95.» Dagegen jetzt: «Der Ersatz eines Teils unserer veralteten Flugwaffe durch die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge stellt einen entscheidenden Baustein der Armee 95 dar.»

⇒ 1991 teilte der Bundesrat mit: «Ferner hat sich der Hauptlieferant des Flugzeuges verpflichtet, für das restliche Beschaffungsvolumen von über zwei Milliarden Franken indirekte Beteiligungsaufträge bei der schweizerischen Industrie zu platzieren.» - 1992: «Es wäre aber in der aktuellen Wirtschaftslage geradezu verantwortungslos, die sich aus der Kampfflugzeugbeschaffung ergebenden Möglichkeiten zur Arbeitsplatzsicherung nicht wahrzunehmen.»

⇒ 1991 blieb der Bundesrat analytisch: «Überschattet werden die politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der ehemaligen Unionsrepubliken der UdSSR und von osteuropäischen Staaten durch seit Jahrzehnten unterdrückte Nationalitäten- und Minoritätenprobleme. Diese erzeugen gefährliche Spannungsherde, die sich bis zu Bürgerkriegen steigern können. Der Verlauf der innerjugoslawischen Auseinandersetzungen dürfte dafür typisch sein.» 1992 schwadroniert er von einem ohne F/A-18 im Ernstfall drohenden «Abnützungskampf mit hohem Blutzoll für Zivilbevölkerung und Truppe als Folge der permanenten gegnerischen Lufthoheit».

Dabei verschweigt der Bundesrat, dass zum Auftrag der Fliegertruppe (auch mit F/A-18) nur der Versuch gehört, die Truppe (und nur sie!) zeitlich und räumlich eng begrenzt zu schützen. Zwar heisst es im entsprechenden Armeereglement von 1984, der Flugwaffe «obliegt es, gegnerischen Luftstreitkräften die Benutzung unseres Luftraumes zu verwehren», doch wird danach klargestellt, dass ernsthaft nur an einzelne Einsätze gedacht wird - mehr ist gegen den vom Bundesrat erwarteten starken Gegner ohne Hunderte modernster Kampfjets gar nicht möglich. So sagt Nato-Vertreter Holger Pfeiffer an einer Schweizer Offizierstagung: «Meine Herren, in einem zukünftigen Krieg kommen nicht ein paar Flugzeuge, sondern Hunderte. Ob die Schweiz eine solche Luftwaffe [mit 34 F/A-18] braucht, um alle zehn oder fünfzehn Jahre ein fremdes Flugzeug zu orten, das ist die Sache dieses Volkes.»

In den Erläuterungen, die im Frühling 1993 den Abstimmungsunterlagen beiliegen und im Ton der Botschaft vom Oktober 1992 folgen, hält der Bundesrat dann pauschal und belehrend fest: «Die Lage ist instabil, es gibt überall auf der Welt Spannungen und bewaffnete Konflikte. Denken wir nur an den Krieg in Ex-Jugoslawien.»

⇒ 1992 erhält das bundesrätliche Argumentarium zudem eine wichtige Ergänzung. Der Bundesrat weist immer wieder und eindringlich darauf hin: «Mit der Initiative gegen die Erneuerung unserer Flugwaffe bis zum Jahr 2000 beschreitet die GSoA konsequent den Weg zur schrittweisen Selbstentwaffnung unseres Landes.» Oder: «Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee will nicht nur den F/A-18 verhindern, sondern nach wie vor die Armee ganz abschaffen. Nur verfolgt die GSoA dieses Ziel jetzt in Raten.»

Geschickt versteht es das Team Villiger, den Zürcher SP-Nationalrat Andreas Gross als Initiant der Armeeabschaffungsinitiative von 1989 und gleichzeitig als die zentrale GSoA-Figur im aktuellen Abstimmungskampf darzustellen. Die «Weltwoche» schreibt am 8. April 1993: «Wer gegen dieses Kampfflugzeug ist, soll als verkappter Armeeabschaffer, als Weggefährte von Andreas Gross erscheinen.» Das gelingt; wer als grundsätzliche Armeebefürworterin die Flieger nicht will, ist in einer ideologischen Zwickmühle - genau dort, wo sie Villiger haben will.

Am Beispiel von SVP-Nationalrat Christoph Blocher lässt sich zeigen, wie Villigers Plan funktioniert. Regimentskommandant Blocher ist als Vertreter der Reduit-Schweiz zunächst gegen den Kauf, er sieht «kein militärisches und finanzielles Nest, in das sich dieser teure Vogel setzen soll», vermisst eine klare Konzeption, will kein «goldenes Dach», das später an die Nato verscherbelt wird. Später ändert Blocher seine Meinung radikal; ihm wird nämlich klar, dass die Initiative ein «Baustein in einem Gesamtkonzept zur Abschaffung der Armee» sei.

Vom Bundesrat ignoriert wird ein anderes Argument: Die F/A-18 stossen nämlich beträchtliche Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid aus (vgl. unten «Der F/A-18 Hornet»). Die Hornet-GegnerInnen fordern deshalb, mit den dreieinhalb Milliarden Franken statt Flugzeuge zu kaufen 100000 Solaranlagen für 100000 Familien zu subventionieren. Und damit die Solarbranche entscheidend zu fördern, was wirtschafts- und energiepolitisch weitaus vernünftiger sei.

Die Initiative wird am 10. Dezember 1992 vom Nationalrat mit 117 zu 51 bei 15 Enthaltungen zur Ablehnung empfohlen. Nebst der Linken votiert auch die Tessiner Rechtspartei Lega dafür. Am 8. März 1993 stimmt der Ständerat mit 36 zu 2 dagegen. Am 26. März setzt der Bundesrat die Volksabstimmung über die Ende 1990 eingereichte Initiative «Vierzig Waffenplätze sind genug - Umweltschutz auch beim Militär» und die Initiative «Für eine Schweiz ohne neue Kampfflugzeuge» am 6. Juni 1993 an - ein weiterer geschickter Schachzug Villigers. Durch diese Kombination macht der Bundesrat definitiv klar: Am 6. Juni gehts um nichts anderes als um die Frage Armee ja oder nein. So steht denn in den vom Bundesrat allen Stimmberechtigten verschickten Erläuterungen zur Abstimmung folgerichtig: «Zwei Initiativen mit gleicher Stossrichtung [...] Scheinbar wollen zwar beide Initiativen nur diese zwei vom Parlament bewilligten Vorhaben nachträglich verhindern - tatsächlich gehen sie aber viel weiter.»

Die Bürgerlichen stehen mit Ausnahme der Lega geschlossen hinter Villiger, nur wenige wagen es, kritische Fragen zu stellen. Einer von ihnen ist der Ausserrhoder FDP-Ständerat Otto Schoch, der die sicherheitspolitische Kommission präsidiert. Er ist kein Armeegegner, hat aber gemerkt, dass die Welt sich verändert hat. Im «Beobachter» macht er im März 1993 darauf aufmerksam, dass Unterhalt und Betrieb des F/A-18 nochmals so viel kosten werden wie die Beschaffung (vgl. unten «Der F/A-18 Hornet»). Er plädiert für nur sechzehn oder zwölf F/A-18 - als Flugschule. Wenn die Bedrohungslage wieder einmal brisanter werde, so Schoch, könnten zusätzliche Maschinen beschafft werden. Und: «Ich teile die Meinung, dass sich ein Rüstungsgeschäft nicht mit der Schaffung von Arbeitsplätzen rechtfertigen lässt. Aus meiner liberalen Haltung heraus habe ich zudem Mühe mit Kompensationsgeschäften.»

Aber Schoch ist ein Einzelfall. Gerade wenn es um die lukrativen Kompensationsgeschäfte geht, ist Kritik nicht erwünscht. Diese zweite Schiene Villigers läuft wie geschmiert. Die im Zusammenhang mit dem F/A-18-Kauf vereinbarten Kompensationsgeschäfte in der Höhe von zwei Milliarden Franken locken am 5. Mai 1993 über 300 Schweizer Industrielle in den Panoramasaal des Zürcher Kongresshauses. Verkäuferin McDonnell Douglas informiert über mögliche Aufträge. «Das ist das bisher grösste Wirtschaftsförderungsprogramm für unsere Industrie», sagt ein Unternehmer im «Tages-Anzeiger» vom 17. Mai 1993.

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Der dritte Akt neigt sich dem Ende zu. Der Abstimmungsschlussspurt beginnt am Samstag, 15. Mai 1993, auf dem Bundesplatz. Das «Stop F/A-18»-Festival bringt 30000 Leute zusammen. Es regnet, der Platz ist voll von roten, weissen und lilafarbenen «Stop F/A-18»-Ballonen. Ab 15 Uhr spielen unter anderem Patent Ochsner, Stop the Shoppers, Sens Unik, Baby Jail, Polo Hofer. Die GSoA verbucht das Festival als Erfolg: «viel mehr BesucherInnen, als wir in unseren kühnsten Träumen gehofft hatten, und es engagierten sich mehr Leute für die Organisation als 1989» am «Stop the Army»-Festival, hält ein GSoA-Aktivist im Juni nach dem Urnengang fest.

Eine Woche später belegen dann die F/A-18-AnhängerInnen den Bundesplatz. Die Arbeitsgemeinschaft für eine wirksame und friedensichernde Milizarmee lädt zur Grosskundgebung unter dem Motto «Gegen eine Schweiz ohne Schutz», wieder kommen 30000 Menschen, darunter sehr viele Schützen und Senioren - der «Landsturm», wie er genannt wird.

Die InitiativgegnerInnen kopieren nicht nur - durchaus überraschend - die Idee der nationalen Demonstration, sondern auch das Beigemüse: Flugblätter, Pins, T-Shirts, Ballone, dazu ein eindrückliches Fahnenmeer und laute Blasmusik. Überhaupt gelingt es ihnen, ganz à la GSoA eine basisnahe Kampagne auf die Beine zu stellen und sehr viele Menschen zu mobilisieren - auf den Bundesplatz, vor allem aber zwei Wochen später an die Urnen. Der liberale Publizist Oskar Reck bezeichnet die Schweiz, die sich da versammelt, als «die der Angst, die, die ihre Identität mit ihrer Armee verwechselt und ihre Bewahrung mit dem Reduit».

Nachdem die Teilnehmenden dem Präsidenten der VPOD-Sektion Militärflugplätze Jürg Looser applaudiert haben, der seine Gewerkschaftskollegen kritisiert, weil sie gegen die Flieger sind, taucht - angeblich völlig spontan, da er zufällig in der Nähe gewesen sei - Kaspar Villiger hinter dem Rednerpult auf. «Viersprachig bedankt er sich bei der Menge für ihren ‹Mut, Flagge zu zeigen› - und erntet den grössten Applaus seiner Karriere», meldet die «SonntagsZeitung» tags darauf. Und DRS-Bundeshauskorrespondent Ruedi Helfer erinnert sich 1995: «Der Aufmarsch war so eindrücklich, dass selbst im Medienabklatsch unmissverständlich herüberkommen musste: Da sind ganz viele bodenständige, gute Schweizer für unsere schöne, gute Schweiz eingetreten. Nach diesem Coup konnten die Gegner des neuen Kampfflugzeugs getrost alle Hoffnung fahren lassen.»

Villigers Leute sorgen aber auch andernorts für eine ihnen genehme Berichterstattung. Am 16. Mai 1993 zitiert die «SonntagsZeitung» einen Redaktor des Schweizer Fernsehens DRS: Daniel Eckmann, früher selber DRS-Pressechef, «bombardiert uns mit Telefonanrufen und Fax-Mitteilungen [...] was auch immer wir berichten, Eckmann findet es unausgewogen». In der Chefetage mache sich Nervosität breit. «Mit ständigen Ermahnungen, Papieren und gelegentlich sogar mit Rüffeln, so klagen genervte TV-Leute, würde ihnen die Arbeit zurzeit schwergemacht. ‹Die Chefs haben Angst›, sagt ein Mitarbeiter, ‹das ist nicht zu übersehen.›» Ähnliches berichten ZeitungsjournalistInnen.

Eingespannt werden zudem die Truppenkommandanten der Armee; sehr viele von ihnen - das belegen Dutzende von Briefen, die der GSoA von verärgerten Soldaten zugehen - verschicken ihren Unterstellten Propaganda für den Hornet und fordern die Soldaten auf, am 6. Juni 1993 an der Urne ihre vaterländische Pflicht zu erfüllen. Im Artikel 96, Absatz 3 des Dienstreglements steht: «Den Angehörigen der Armee ist es verboten, politische [...] Propaganda irgendwelcher Art zu organisieren [...].» Und obwohl genauso verboten, werden in Rekrutenschulen Broschüren gegen die Initiative verteilt.

Villigers Gegen-PR funktioniert. Die horrenden Kosten rücken immer weiter in den Hintergrund, geredet wird über die «wahren» Absichten der GSoA und die Arbeitsplätze. Stimmten im März 1992 in Umfragen noch 75 Prozent gegen den F/A-18, sind es im April 1993 noch 54 und im Mai nur noch 48 Prozent. Der 6. Juni 1993 rückt näher. Wenig hilfreich ist die SP, die offiziell die Initiative zwar unterstützt, sich aber ziemlich passiv verhält, einzig ein paar vereinzelte VertreterInnen engagieren sich aktiv im Abstimmungskampf.

Die GSoA streut unmittelbar vor dem Abstimmungswochenende eine Postkarte, darauf steht: «Wenn Sie diesen Sonntag im [Umriss eines Betts] verschlafen, weckt Sie am Montag der [Umriss eines F/A-18]. Stimmen Sie am 6. Juni JA.»

Es nützt nichts mehr. Bei einer hohen Beteiligung von 55,6 Prozent lehnen 57,2 Prozent der Stimmenden die Initiative ab; die beiden Basel, das Tessin, Genf und der Jura nehmen an, ebenso die Stadt Zürich und die meisten grossen Agglomerationen. Wie bei der Armeeabschaffungsinitiative 1989 bringt die GSoA über eine Million Menschen auf ihre Seite. Doch es fehlen ihr 361084 Stimmen, um die F/A-18 zu verhindern. Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigt, dass 55 Prozent der UrnengängerInnen die dreieinhalb Milliarden, wenn es möglich gewesen wäre, angesichts der leeren Bundeskasse lieber für etwas anderes, etwa im Sozialbereich, ausgegeben hätten.

Andreas Gross findet am für die GSoA negativen Ergebnis auch eine gute Seite: «Wenn man annimmt, es sei dem [Militärdepartement] gelungen, die Abstimmung vom 6. Juni in ein Plebiszit über die GSoA umzubiegen, dann ist das Resultat sicher nicht schlecht» (WoZ vom 11. Juni 1993). So gesehen, hat sich der Anteil der SchweizerInnen, die keine Armee wollen, von 35,6 um über zwanzig Prozent auf 42,8 Prozent erhöht.

Gross weiter: «Es war taktisch ungünstig, dass die GSoA die F/A-18-Initiative lanciert hat. Nur waren wir offensichtlich die einzigen, die den Mut und die Möglichkeiten hatten, es zu tun.» In der GSoA-internen Nachbearbeitung wird zudem darauf hingewiesen, dass im Abstimmungskampf «die Kreativität von 1989 und die breite Abstützung des Anliegens wie im Frühjahr 1992 [bei der Unterschriftensammlung] nicht mehr zu spüren» gewesen seien. Im Vergleich zu 1989 hatte die Kampagne «viel weniger Dynamik. Daran war zum einen der fehlende Reiz des Tabubruchs schuld und zum anderen die Enttäuschung über die Ereignisse nach dem 89er Aufbruch in Europa.»

Für die GSoA ein trauriger Schluss. Doch auch Villigers Freude ist nicht ungetrübt. Sein Erfolg ist teuer erkauft und zeitigt - je nach Perspektive tragische oder komische - Folgen. Zwar fliegen die Hornet, aber alle seine anderen Ziele hat sich Villiger verbaut. Seine neuen, wenig geliebten FreundInnen spüren Aufwind und setzen sich mit frischem Elan für ihre alte, personell stark dotierte Milizarmee ein, die alleine, bewaffnet und mutig die Neutralität verteidigt. Die Armeereform 95 bleibt Stückwerk und ändert nichts an den von Villiger diagnostizierten grundsätzlichen Problemen, genauso wenig wie die nachfolgenden Reformprojekte Armee XXI, Entwicklungsschritt 08/11, Armeereform 09. Und der Weg in die Nato ist für lange Zeit völlig unpassierbar.

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Der Milliardenkredit für die 34 Hornet wird auf sieben Rüstungsbudgets verteilt. Die Fliegertruppen erhalten den ersten F/A-18 im Oktober 1996. Am 7. April 1998 rast ein Doppelsitzer mit 1045 Kilometern pro Stunde bei Crans-sur-Sierre im Wallis in den Boden, rund drei Tonnen Kerosin explodieren, einzelne Flugzeugteile werden bis zu einem Kilometer weit weggeschleudert. Die zwei Besatzungsmitglieder sind sofort tot. Die Schleudersitze wurden ausgelöst, aber zu spät. Der Pilot war offenbar räumlich desorientiert.

Die letzten Mirage III S fliegen bis 1999, es bleiben die F-5 E II Tiger und die F/A-18 C/D Hornet. Aus Altersgründen ist der Tiger nur noch ein paar Jahre einsetzbar, Ersatzteile sind offenbar nur bis etwa 2010 erhältlich. Die Militärs sprechen von einer Sicherheitslücke.

Im Zuge der Armeereform 95 werden die Flieger- und Fliegerabwehrtruppen in Luftwaffe umbenannt. Auch die Armee XXI bringt keine grossen Änderungen, die Luftwaffe ist ab Januar 2004 formal gleichberechtigt neben den Landstreitkräften. Und Expilot Christoph Keckeis landet 2004 auf dem neu geschaffenen Posten eines Chefs der Armee. Bis heute sind über 360 Besatzungsmitglieder während ihrer Dienstzeit in der Luftwaffe ums Leben gekommen.

Der F/A-18 Hornet

⇒ Was muss ein Kampfjet in erster Linie können, der für die US-amerikanische Marine im Einsatz steht? Auf Flugzeugträgern starten und landen. Genau deshalb passt der F/A-18 auch der Schweizer Flugwaffe - die Pisten in den Alpen sind kurz. Anfang der siebziger Jahre entscheidet sich die US Air Force noch gegen den Hornet (und wählt stattdessen den F-16), doch die US Navy bestellt ihn bald darauf. Im November 1978 hebt der F/A-18 erstmals ab, drei Jahre später wird er an die Navy ausgeliefert. Bis heute hat Hersteller McDonnell Douglas über 1200 Maschinen gefertigt. Und ist mit dem modernisierten F/A-18 Superhornet auch bei der aktuellen Evaluation der Schweizer Luftwaffe von 2008 dabei.

⇒ Die 34 Schweizer F/A kosten schliesslich statt knapp 3,5 nur 3,3 Milliarden Franken. Aber sie werden später für 909 Millionen Franken aufgerüstet. Und der jährliche Unterhalt verschlingt rund 100 Millionen pro Jahr. Und im Rüstungsprogramm 2008 sind weitere 404 Millionen Franken für die sogenannte Werterhaltung des F/A-18 vorgesehen. So entstehen bis 2020 zusätzliche Kosten mindestens in der Höhe der Kaufsumme.

⇒ Ein F/A-18 braucht 5600 Liter Kerosin pro Stunde, mit Nachbrenner 15000, also durchschnittlich wohl mindestens 6000 Liter pro Stunde. Wenn, vorsichtig gerechnet, alle 33 Schweizer F/A-18 je rund hundert Stunden pro Jahr in der Luft sind, gibt das insgesamt rund 50 000 Tonnen Kohlendioxid. Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Treibhauseffekt von in grosser Höhe verbranntem Erdöl rund dreimal stärker ist als am Boden. Also entspricht der jährliche Kohlendioxidausstoss der Hornet-Flotte etwa den Treibhausgasen, die eine Stadt wie Zug pro Jahr produziert.

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