FC Vaduz: Heinz im Wunderländle

Nr. 18 –

Am Montag kann mit dem FC Vaduz erstmals ein ausländischer Verein in die höchste Schweizer Spielklasse aufsteigen. Geld spielt beim Dorfklub keine Rolle. Besuch in Liechtenstein.

Vaduz: 5070 EinwohnerInnen. FC Vaduz: Ein Budget von fünf Millionen Franken. Das mit Abstand grösste in der Challenge League. Und das Stadion verfügt über 6200 Sitzplätze. Es entspricht sogar den hohen Anforderungen des Europäischen Fussballverbandes (Uefa). Wegen der Länderspiele Liechtensteins. Im September etwa kommt Deutschland. Herbert Grönemeyer war auch schon da. Zum 75-Jahr-Jubiläum des Vereins. Grönemeyer sagte: «Ich liebe Liechtenstein.» Und: «Was wollt ihr noch mehr, hier hat es doch alles!»

Auch Grönemeyers Tourmanager liebte Vaduz beziehungsweise das Stadion: modernste Technik. Vergleichbar mit dem St.-Jakob-Park in Basel oder dem Stade de Suisse in Bern. Nicht vergleichbar mit allen anderen Stadien der Challenge League, mit Ausnahme von Genf. Im ganzen Stadion gibt es gratis Wireless-Internet. Der Verein hat es inzwischen mit einem Passwort verschlüsselt, denn auf dem grossen Parkplatz vor dem Stadion parkten eine Zeit lang viele Wohnmobile, sagt der Geschäftsführer. Und wer weiss, was sie alles treiben in den Wohnmobilen.

Basteln an der Euphorie

Das Stadion wurde 1998 gebaut, für siebzehn Millionen Franken. 2005 wurde ein Ausbau beschlossen, der kostete weitere dreizehn Millionen. Der FC Vaduz stand damals wie heute kurz davor, erstmals in die Super League aufzusteigen. Die PolitikerInnen und der Fürst waren vom dringend benötigten Ausbau schnell zu überzeugen. Geld war kein Problem, die MBPI AG, eine der zwei Hauptsponsorinnen, zahlte fünf Millionen. Für den Rest kamen das Land und die Gemeinde auf. Doch dann verspielte Vaduz kurz vor Saisonschluss einen Vorsprung von fünf Punkten, verpasste den direkten Aufstieg und musste als Zweitplatzierter in die Barrage gegen den Zweitletzten der Super League, den FC Schaffhausen. Und Schaffhausen gewann, Vaduz musste weiterhin in der Challenge League spielen. Mit einem hochgerüsteten Dreissigmillionenstadion und einem Zuschauerschnitt von 970.

Die Zuschauereinnahmen, die normalerweise zehn bis zwanzig Prozent des Budgets eines Klubs ausmachen, reichen in Vaduz wohl nicht einmal, um die Kosten des vereinseigenen Internet-TV und des kostenlosen SMS-Live-Match-Service zu decken. Deswegen will man rauf in die oberste Liga, weil sich das Produkt Super League besser vermarkten lasse. Bereits jetzt bastelt man mit Family-Aktionen an der Euphorie, und es gibt, ist bei der Geschäftsstelle zu erfahren, bereits erste Anzeichen, dass sie bald so richtig losbricht: «Der Fan-Bus zum Auswärtsspiel gegen den FC Gossau war erstmals innert kürzester Frist ausverkauft», sagt Geschäftsführer Axel Bernhardt. In den Bus passen fünfzig Fans.

Trotz Zuschauerflaute leistet sich der Verein neben einem teuren Stadion zehn Hundertprozentstellen. Und dazu ein 22-Mann-Vollprofikader. Wenn im Rahmen des Aufstiegs, aufgrund Ligavorschriften, die 6200 Sitzplätze um 1800 aufgestockt werden müssen, bereitet das den Verantwortlichen nicht die geringsten Sorgenfalten. Geld spielt keine Rolle. Das ist die erste Lektion, die man lernt, wenn man im FC Vaduz empfangen wird. Zudem gibt es im Kabinentrakt bald einen Erholungsraum mit Whirlpool, Sauna und Erholungsbad.

Hanspeter Negele, Buchhalter, Treuhänder und Präsident des FC Vaduz, gibt geduldig und sehr genau Auskunft über den Verein und die Aufstiegsmodalitäten. Etwa, dass bei einem Aufstieg der FC Vaduz keinen Anspruch habe auf einen Schweizer Uefa- oder Champions-League-Platz. Einzig die Frage über die Finanzierung beantwortet Negele etwas weniger genau. «Der Fürst steht weit weg vom Verein», sagt er etwa. Was heissen soll, dass der FC Vaduz nicht vom Fürsten finanziert wird. Und der Fürst sei sowieso «viel zu busy» für Fussball. Der Erbprinz besuche ab und zu ein Spiel, und dessen Sohn spiele in der Juniorenabteilung.

«In und für Liechtenstein»

Der FC Vaduz hat zwei Hauptsponsorinnen: die Vermögensverwaltung MBPI AG und die Landesbank LLB. Die sind aber eigentlich ein und dasselbe, denn seit 2005 hält die LLB einen wichtigen Aktienanteil an der MBPI. Diese verwaltete zu Beginn «vor allem das Vermögen einer einzigen, unvorstellbar reichen Familie», wie der FC-Präsident sagt. Welche Familie oder Person das ist, weiss Negele nicht, «es gibt ja sehr viele sehr reiche Menschen». Nur halt eben, dass da so viel Geld verwaltet wird, dass immer wieder viele Millionen in den FC Vaduz gesteckt werden können. Die MBPI, die seit 2001 ihren Sitz in Triesen hat und mit dem Slogan «In Liechtenstein, für Liechtenstein» wirbt, stellt drei Mitglieder im Verwaltungsrat der FC Vaduz AG.

Das Engagement der Vermögensverwaltung beim FC Vaduz geht offenbar darauf zurück, dass sie dem Land etwas davon zurückgeben will, «was das Unternehmen durch die guten Rahmenbedingungen des Landes erhalten hat». Bekanntlich, wie der deutsche Bundesnachrichtendienst durch seinen Datendiebstahl bewies, bietet Liechtenstein vor allem gute Möglichkeiten zur Verschleierung von Steuerhinterziehung. Aber natürlich ist alles legal. Und vielleicht verwaltet die MBPI ja doch das Vermögen des Fürsten. Oder jenes von Bill Gates. Oder von Waffenhändler Adnan Kashoggi. Das Zweite, was man lernt, wenn man im FC Vaduz herumgeführt wird, ist: Über Geld spricht man nicht, Geld hat man.

Wie der Hauptsponsor MBPI fühlt sich auch Geschäftsführer Axel Bernhardt sehr mit dem FC Vaduz verbunden. Mit seinem betont lockeren Outfit - Adidas-Turnschuhe, Jeans, Jacket, zusammengebundene lange Haare - ist er das Gegenteil des eher bieder wirkenden Treuhänders und Präsidenten Negele. «Ich sehe zwar nicht so aus, aber ich bins», stellt sich der Geschäftsführer vor. Bernhardt, der studierte Betriebswissenschaftler, kam aus Bayern. Nebenbei ist er Bassist in einer Drei-Mann-Band namens Daxx und «im Herzen ein Minimalist mit Drang zum Handgezupften aus dem Eigenanbau». Das mit der Musik kommt nicht von ungefähr: Bernhardt arbeitete ursprünglich im Music-Business. Bei Bertelsmann. Bei BMG, «Bee-M-Gee».

Vom dortigen Product Manager ist er «über viele, viele Zufälle» zum FC Vaduz gekommen. Hatte davor keine Ahnung von Fussball. War als Bayer nicht Fan von Bayern und auch nicht von 1860 München oder vom FC Nürnberg und ist deshalb jetzt einzig und allein Fan vom FC Vaduz. Seine Liechtensteiner Lektion hat der Bayer in den Jahren, die er hier ist, gelernt: «Finanzen?», fragt er und fährt sich dann mit dem Zeigefinger über die Lippen, als wolle er sie versiegeln: «Finanzen? Ruhe.»

So steht man also schweigend auf dem Rasen des Stadions und schaut Heinz Hermann zu, wie er mit der Mannschaft das Training absolviert.

Der Rekordnationalspieler

Heinz Hermann ist Rekordnationalspieler der Schweizer Nationalmannschaft und hat nach verschiedenen eher missglückten Versuchen, sich als Trainer zu etablieren, in Vaduz eine Heimat gefunden. Er hat Erfolg. Sein Vertrag wurde frühzeitig bis 2009 verlängert. Das will im Ländle etwas heissen: Im unbedingten Willen, in die höchste Schweizer Spielklasse aufzusteigen, entliess der FC Vaduz in den letzten sieben Jahren sieben Trainer.

Der einstige Fussballästhet stört sich nicht daran, vor leeren Rängen Fussball spielen zu lassen. «Um meine Arbeit gut zu machen, brauche ich keine Zuschauer», sagt Hermann. Und findet, man könne Vaduz nicht nur auf die finanziellen Mittel reduzieren.

Hermann wurde von Sportchef Werner Gerber nach Vaduz geholt. Dieser ist vor Jahren bereits einmal in die höchste Spielklasse aufgestiegen: mit dem FC Thun. Die beiden Vereine seien jedoch nicht miteinander vergleichbar, sagt er. «In Thun konnten wir nur mit Spielern arbeiten, die anderswo keinen Vertrag bekommen hatten. Das ist hier anders.» Die finanzielle Situation sei deutlich besser. Um sich aber in der Super League auf Dauer etablieren zu können, müsste der Klub im 5000-Seelen-Dorf sein bereits heute extrem hohes Budget verdoppeln. Gerber sagt zurückhaltend: «Ich kann nicht über das Budget sprechen. Doch klar, eigentlich bräuchte es beinahe eine Verdoppelung auf acht bis zehn Millionen.» So viel hat beispielsweise der FC St. Gallen zur Verfügung. Gerber sagt: «Ich werde nächste Woche der AG einen Vorschlag unterbreiten. Was ich verlange, werde ich kriegen. Garantiert.»

Fast alle Zeichen stehen in Vaduz auf Aufstieg. Am Sonntag verspielte der FC jedoch eine Zweitoreführung beim potenziellen Abstiegskandidaten FC Gossau. Die nächste Möglichkeit zum Aufstieg bietet sich am Montag gegen Yverdon. Am 8. Mai könnte es dann in Vaduz, der Spielplan will es zufällig so, zum grossen Aufstiegsfinal gegen den aktuell Zweitplatzierten AC Bellinzona kommen. «Wir werden es schaffen», sagt Präsident Negele. «Wir wollen uns in der obersten Spielklasse etablieren.»

In Vaduz steht für den Aufstieg alles bereit. Ausser Publikum.