Peru: Gold und neidische Hunde

Nr. 22 –

Auch dank ihrer Goldexporte gehört die peruanische Wirtschaft zu den aufstrebendsten des Kontinents. Wieso also sind die PeruanerInnen unzufrieden?

Das Gold ist schuld daran, dass Chaby León in ihre Heimat zurückgekehrt ist. Fast zwanzig Jahre lang hatte die gebürtige Peruanerin als Migrantin in Madrid gelebt, sich mit verschiedenen Jobs über Wasser gehalten und ihre Eltern in Peru unterstützt. Nun hat sie ihre Ersparnisse ausgegeben, um in der Goldschmiedeschule Koriwasi in Cajamarca das Handwerk zu lernen, und träumt davon, später ihren eigenen Schmuck exportieren zu können, unter anderem nach Spanien. Auf diese Weise will die Peruanerin ein Stück vom Kuchen abschneiden, den der Goldboom dem Andenstaat gebracht hat. Und welch besseren Ort könnte es dafür geben als Cajamarca in Nordperu. Hier steht seit 1993 die grösste Goldmine Südamerikas.

Fast 930 US-Dollar kostet derzeit die Feinunze Gold (zirka 31 Gramm) auf dem Weltmarkt. In diesem Jahr soll die Produktion um zehn Prozent gesteigert werden, im vergangenen Jahr förderte Peru über 170 Tonnen. Und davon wiederum kamen gemäss dem Ministerium für Bergbau und Energie rund dreissig Prozent aus der Mine Yanacocha in Cajamarca. Sie wird von der Gesellschaft Minera Yanacocha betrieben, einem Zusammenschluss des US-Konzerns Newmont Mining, der peruanischen Firma Buenaventura und der Weltbanktochter International Finance Corporation.

In der Kleinstadt Cajamarca rattern die neuesten Jeepmodelle über die Strassen, Häuserfassaden werden renoviert, und die Grundstücks- und Lebensmittelpreise stehen denen in der Hauptstadt Lima in nichts nach. Es gibt eine internationale Privatschule und ein neues Einkaufszentrum, damit Cajamarca für Ingenieure und Managerinnen sowie deren Familien attraktiv wird. Doch ob und wie viele der alteingesessenen BewohnerInnen Cajamarcas von dem Goldrausch profitieren, darüber sind sich die Menschen nicht einig.

Der Protest der BürgerInnen

Mit traditionellem Bergbau hat die Goldmine in Yanacocha wenig zu tun: Im Tagebau schaufeln riesige Bagger ganze Bergmassive um, das Gestein wird in Auffangbecken gelagert und der Goldanteil mit hochgiftigem Zyanid herausgewaschen. Dieses umweltschädigende Verfahren hat zur Folge, dass die Wasserqualität der Flüsse massiv abgenommen hat. AnwohnerInnen berichten, dass das Wasser aus den Abbaugebieten einen fauligen Geruch und eine gelbbraune Färbung aufweise. Ausserdem hat sich auch die Wassermenge stark verringert - mit weitreichenden Folgen für die Landwirtschaft und Wasserversorgung der Menschen.

Der 38-jährige Bauer Rosas Durán lebt am Weiler Campo Alegre, fünf Busstunden von Cajamarca entfernt. Am Strassenrand stehen seine Milchkannen, die von einem Lastwagen der Grossmolkerei Gloria abgeholt werden. Höchstens zehn Hektar Land besitze hier ein Bauer, sagt Durán. Aber der Erlös aus Milchwirtschaft, Obst- und Gemüseproduktion reiche in dem fruchtbaren Tal für ein genügsames Auskommen. Doch genau dieses ist bedroht.

Der brasilianische Bergbaukonzern Vale do Rio Doce hat 2006 eine Konzession für die Berge im Tal des Flusses Condebamba erworben und betreibt dort erste Bohrungen. Genau an jener Stelle, wo die Wasserquellen entspringen. «Wenn hier tatsächlich eine Mine entsteht, dann befürchten wir, dass das Wasser unten verschmutzt oder in geringerer Menge ankommen wird. In diesem Fall müssten wir unsere landwirtschaftlichen Betriebe einstellen», sagt Durán. Genauso wie vor einigen Jahren in Yanacocha seien auch bei ihnen bereits in vielen Bachoberläufen tote Forellen gefunden worden.

Die AnwohnerInnen haben inzwischen eine Bürgerinitiative gegründet. Im Mai 2006 verlangte ein Protestzug aus 150 BäuerInnen den Zugang zur Bohrungsstelle auf dem Berg Mogul im Condebamba-Tal. Es kam beinahe zu einem Zusammenstoss mit den bewaffneten Angestellten. Zwar konnte Schlimmeres verhindert werden, doch seither hält eine Abordnung der MinengegnerInnen den Berg besetzt. Eine Verhandlungslösung ist bis heute nicht in Sicht. «Statt in den Bergbau sollte der Staat in ökologischen Landbau investieren», sagt Durán.

Eine grosse Farce

Die Unzufriedenheit mit der Bergbaupolitik der Regierung macht sich aber nicht nur bei Bauern wie Durán breit, sondern auch bei Bürgermeisterinnen und Regionalpräsidenten. Zwar stehen den betroffenen Gemeinden laut Verfassung fünfzig Prozent der Steuerabgaben aus dem Bergbau in ihrem Gebiet zu - doch zum einen sind die Steuerabgaben der Minenkonzerne lächerlich niedrig, und zum anderen warten die Gemeinden seit Jahren auf das Geld vom Staat. Zudem haben sie bei der Vergabe von Konzessionen und bei der Umweltpolitik kein Mitspracherecht.

Tulio Mondragón ist bei der Regionalregierung von Cajamarca für Umweltfragen zuständig. Empört hält er eine Karte der Region hoch: «Ein Drittel des ganzen Gebiets ist bereits an Bergbaufirmen vergeben, sogar ein Teil eines Naturschutzgebietes.» Ausserdem könne es ja nicht angehen, dass die Unternehmen selbst jene Umweltverträglichkeitsstudien erstellen, aufgrund derer der Staat dann über die Zulassung entscheidet. «Das glaubt doch niemand, wenn da drin steht, dass die Mine die Umwelt nicht schädige.»

Die hohen Gewinne im Metallabbau rufen inzwischen weitere NachahmerInnen für das Konzept Yanacocha auf den Plan: Neben dem brasilianischen Konzern Vale do Rio Doce haben mindestens sechs weitere internationale Bergbaufirmen Schürfrechte in Cajamarca geltend gemacht. Dafür müssen sie sich nicht mal vor Ort bemühen. Die Vergabe der Konzession erfolgt in der Hauptstadt Lima, die Regionalregierung erfährt davon aus dem Amtsblatt; die betroffenen Kommunen oft erst, wenn die ersten Bohrmaschinen vor Ort auftauchen.

Alles ist friedlich

Für die GegnerInnen seiner Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik benutzt Perus rechtskonservativer Präsident Alan García einen ganz besonderen Vergleich: Immer wieder zieht er die in ganz Peru bekannte Fabel vom «perro del hortelano» (Hund des Gemüsegärtners) heran, um das Verhalten vieler PeruanerInnen zu beschreiben. Diese Geschichte erzählt von einem Hund, der das ihm vorgesetzte Fressen verschmäht, aber auch andere Hunde nicht davon fressen lassen will. Mit dem Ergebnis, dass alle zusammen hungern. «El perro hortelano» gilt in Peru als Symbol für starken Neid und Egoismus.

In den vergangenen Monaten - zuletzt im März 2008 - hatte Präsident García mehrere Artikel verfasst, die in der nationalen Tageszeitung «El Comercio» erschienen sind und sich immer wieder um dieses Motiv drehen. Zudem schrieb er, dass Peru über den weltweit grössten Reichtum an Rohmetallen verfüge, doch nicht einmal zehn Prozent davon ausgebeutet würden. «Hier wird noch darüber diskutiert, ob die Bergbautechnologie die Umwelt schädigt, dabei ist dies ein Thema des vorigen Jahrhunderts», schrieb García im Oktober 2007. Früher habe es diesen Konflikt wohl gegeben, aber heute würden der Bergbau und die Städte friedlich nebeneinander existieren. Jene Leute, die sich gegen den Bergbau wehren, seien Kommunisten und würden sich stets gegen Investitionen von aussen aussprechen, ohne allerdings «zu erklären, wie man mit einer armen Landwirtschaft einen grossen Entwicklungsschritt tun» könne.

Die volkswirtschaftlichen Zahlen geben García erst mal recht: Die Wirtschaft wächst weiter, die Inflation ist tief, die Staatskasse füllt sich dank der Steuererlöse aus dem Rohstoffexport, und laut dem letzten Bericht der Uno-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik CEPAL sind sogar die Armutszahlen gesunken.

Während der Präsident zur Erklärung der Unzufriedenheit der BürgerInnen auf die immer gleiche Geschichte zurückgreift, spricht der neueste Wettbewerbsbericht des Weltwirtschaftsforums eine andere Sprache: Da Peru unter anderem in den Bereichen Infrastruktur, Gesundheit und Primarschulbildung schlecht abschneidet, ist das Land vom 78. auf den 86. Platz zurückgefallen.

Verlorene Logik

Die Goldschmiedeschule Koriwasi in Cajamarca besteht erst seit wenigen Jahren. Sie wurde 2003 von der Minera Yanacocha zusammen mit den Behörden aufgebaut. Die Bevölkerung hatte zuvor geklagt, dass die Mine nichts zur Entwicklung der Stadt beitrage. «85 Prozent der weltweiten Goldproduktion wird für Schmuck verwendet», sagt Luis Felipe Velasco, der Leiter der Schule. Warum sollte also nicht auch Cajamarca davon profitieren, wenn schon der Rohstoff vor Ort produziert wird. So hatte sich das auch Chaby León, die Migrantin aus Madrid, vorgestellt.

Doch die Tatsachen sehen anders aus, die einheimische Kleinindustrie wird kaum gefördert. Vor kurzem informierte das peruanische Produktionsministerium, dass im ganzen Land nur noch drei industrielle Goldschmieden für den Export produzieren. «Diese Unternehmen arbeiten wie die Niedriglohnbetriebe der Maquiladoras direkt für den Abnehmer», erklärt Velasco. Die Mine verkauft das Gold direkt an GrossabnehmerInnen wie beispielsweise den US-Konzern Walmart. Diese stellen es dann dem peruanischen Juwelierbetrieb zur Verfügung, damit er in Massenproduktion Schmuck daraus herstellt. Gleichzeitig konkurrieren peruanische ArbeiterInnen mit jenen in China, Thailand und der Türkei. «Wir zahlen für Gold und Silber genau den gleichen Preis wie ein Fabrikant in Asien, haben aber höhere Löhne und Abgaben als in China», erklärt Marcial Chávez, Direktor der Schmuckfabrik Arin, warum die einheimische Schmuckindustrie nicht mithalten kann. «Die Einzigen, die dabei wirklich gewinnen, sind die Bergbauunternehmen.» Zumal sich der Goldpreis derzeit auf dem höchsten Stand seit 25 Jahren befindet.

Das hat auch Chaby León gemerkt: «Unsere Arbeitskraft ist so gut wie geschenkt», sagt sie. Auch León muss für ihre Einzelstücke die Rohstoffe zum Weltmarktpreis kaufen. Die Vereinigung der GoldschmiedInnen in Cajamarca fordert nun von der Minenbetreiberin, ihnen das Gold aus Cajamarca zu einem Vorzugspreis zu lassen. Hat die Vereinigung damit keinen Erfolg, so bleibt León nur noch die Rückkehr nach Spanien.

Gold für die Schweiz

Wohin das zu Barren verarbeitete Rohgold die Minenstadt Cajamarca und Peru verlässt, ist eines der am besten gehüteten Geheimnisse, das die Kleinstadt zu bieten hat. Erst die Statistiken der staatlichen Exportförderorganisation Promperu zeigen, wo das Rohgold landet: 2007 gingen rund fünfzig Prozent der Goldexporte Perus zu Handelszwecken oder zur Weiterverarbeitung in die Schweiz. Aufgrund einer Verordnung des Bundesrats von 1981, nach der die Aussenhandelszahlen für Gold nicht mehr nach Ländern aufgeschlüsselt werden dürfen, können diese Angaben aber von der Schweizer Oberzolldirektion nicht bestätigt werden.

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