Schweden: Lax statt lückenlos

Nr. 22 –

Der Zwischenfall im Atomkraftwerk Oskarshamn letzte Woche zeigte neue Sicherheitsprobleme: Die Stromkonzerne sparen.

Recht problemlos kann man mit hochexplosivem Sprengstoff in der Tasche die Eingangskontrollen eines schwedischen AKWs passieren und sich anschliessend frei in den Reaktorgebäuden bewegen. Jedenfalls sofern man dort einen zeitweiligen Aushilfsjob hat und nicht gerade bei einer der wenigen Stichprobenkontrollen erwischt wird. Diese beunruhigende Erkenntnis traf die SchwedInnen in der vergangenen Woche.

Da wurden im AKW Oskarshamn zwei Arbeiter unter Sabotageverdacht festgenommen, nachdem ein Messgerät Alarm gegeben und dabei auch noch den bei verschiedenen Terroranschlägen in den vergangenen Jahren verwendeten Sprengstoff TATP angezeigt hatte. Waren diese geringen Spuren an einer Tasche etwa ein Hinweis darauf, dass in ihr Sprengstoff in das AKW geschmuggelt worden war? Man hatte die beiden Schweisser vorher zehn Tage lang nicht kontrolliert. Ein Anschlagsverdacht war auch für die AKW-Betreiberfirma so naheliegend, dass sie einen Reaktor, in dessen Gebäude sich die Arbeiter aufgehalten hatten, umgehend abschaltete. Und erst recht kam man ins Schwitzen, als sich herausstellte, dass einer der beiden Arbeiter privat Umgang in Hells-Angels-Kreisen pflegt und siebenmal vorbestraft ist.

Stichproben an den Zugängen

Gefunden wurde nichts, die Herkunft der Sprengstoffspuren ist unklar. Aber es kam heraus, dass die AKW-Betreiberfirma OKG, die dem deutschen Stromkonzern Eon und dem finnischen Energieunternehmen Fortum gehört, gegen geltende Sicherheitsvorschriften verstösst. Seit Anfang dieses Jahres müssen die AKW-BetreiberInnen die Zugänge lückenlos kontrollieren. In Oskarshamn beschränkt man sich aber weiterhin auf blosse Stichproben. Die staatliche Atomaufsichtsbehörde SKI hatte diese Sicherheitslücke bereits bemängelt und OKG ein Bussgeld in Höhe von einer Million Kronen (umgerechnet etwa 175 000 Franken) angedroht, sollte die laxe Haltung nicht bis 15. Dezember korrigiert werden.

Die Schlamperei des AKW-Betreibers ist erstaunlich: Immerhin war es im Sommer 2006 im AKW Forsmark zu einem Beinahe-GAU gekommen. Nach dem damaligen Schock, der der Bevölkerung die Gefahren der Atomkraft wieder bewusst machte, herrscht offenbar schon wieder der Schlendrian. Denn OKG wollte einfach Geld sparen. Und die für die gesetzlich vorgeschriebenen Eingangskontrollen erforderlichen Umbauten bei der Aussensicherung bis 2010 auf die lange Bank schieben. Martina Krüger, energiepolitische Sprecherin von Greenpeace Schweden: «Man muss sich angesichts solchen Verhaltens wirklich fragen, wie ernst man es mit der Sicherheit eigentlich nimmt. Die glauben offenbar, sich auf Zufall und Glück verlassen zu können.»

Beton statt Draht

In Schweden reagierte die Atomindustrie ohnehin recht spät auf die Gefahren, die von AKWs als einem möglichen Anschlagsziel ausgehen können. Noch 2006 konnten TouristInnen auf dem Gelände des AKW Ringhals herumspazieren und Fotos von dieser «Attraktion» schiessen. Und erst nach einer Ermahnung der internationalen Atomenergieagentur IAEA wurde in den letzten Jahren damit begonnen, die bis dahin nur von einem einfachen Drahtzaun umgebenen AKWs zumindest stellenweise mit Betonbarrieren zu sichern. In Oskarshamn befindet sich dieser zusätzliche Schutz teilweise noch im Planungsstadium und soll erst 2010 abgeschlossen sein.

2006 hatte ein Umweltgericht gefordert, die Betriebsgenehmigung für Reaktoren davon abhängig zu machen, ob dort eine gut geschulte, bewaffnete Spezialtruppe zur Abwehr möglicher Terrorattacken stationiert wird. Die Regierung hatte eine solche Auflage wegen Unvereinbarkeit mit den geltenden Gesetzen abgelehnt. Und so sorgen weiterhin private Wachgesellschaften für den Objektschutz.

Wie wenig Atommeiler überhaupt geschützt werden können und wie fragil die Sicherheit eines AKWs wie das in Oskarshamn tatsächlich ist, zeigte auch die Tatsache, dass es nach dem Sprengstoffalarm letzte Woche acht Stunden dauerte, bis eine Spezialeinheit der Polizei vor Ort war und mit der Durchsuchung des Reaktorgeländes beginnen konnte.