Standpunkt: Gegen Kleinreden und Röhrenblick

Nr. 28 –

Nationalrätin Evi Allemann verteidigt das SP-Sicherheitspapier.


Die persönliche Sicherheit ist im «Sorgenbarometer» weit nach oben gerutscht. In der letzten Umfrage des GfS-Forschungsinstituts zählten sie dreissig Prozent der Wahlberechtigten zu den fünf wichtigsten Problemen der Schweiz (im Vorjahr erst dreizehn Prozent). Auch die Umfrage der SP bei ihren Basismitgliedern nach der Wahlniederlage ergab ein eindeutiges Ergebnis: Siebzig Prozent forderten, Sicherheit stärker als bisher zu betonen. Bei keinem Thema wurde mehr Nachholbedarf identifiziert.

Der SP-Parteitag vom 1. März in Basel entschied deshalb, das Thema sei «von hoher Wichtigkeit» und verdiene «eine breite Debatte». Einstimmig beauftragten die tausend Delegierten die Fachkommission für Friedens- und Sicherheitspolitik, dem Parteitag vom 25./26. Oktober ein antragfähiges Positionspapier vorzulegen.

Wir behalten Augenmass

Das Thema öffentliche Sicherheit verdient sozialdemokratische Antworten. Die Linke darf nicht weiter mit dem stereotypen Hinweis auf umstrittene Statistiken und dem Verweis auf rückläufige Kriminalität die teilweise vorhandenen Missstände kleinreden. Konkrete und lösungsorientierte Massnahmen sind gefragt, welche die Sicherheit wirksam erhöhen und damit populistisch oder ideologisch geprägten Kampagnen von rechts ein Ende bereiten.

Die SP-Geschäftsleitung stellt nun das Sicherheitspapier innerparteilich zur Diskussion. Es erteilt einer billigen Nulltoleranzideologie nach US-Muster, die nur auf Repression und Wegweisung setzt, eine klare Absage. Anders als es die WOZ mit Röhrenblick auf linke Reiz- und Tabuwörter nahelegt, will die SP mit einem sinnvollen Mix präventiver und repressiver Massnahmen - dies bewährte sich in den neunziger Jahren in der Drogenpolitik - dafür sorgen, dass die Sicherheit wieder für alle spürbar steigt - auch in städtischen Problemzonen.

Sicherheit ergibt sich aus dem Zusammenwirken verschiedenster Faktoren. Dazu gehören Bildung, Arbeit, sozialer Schutz vor Existenzrisiken, Umweltschutz, eine nachhaltige Entwicklung und die Verminderung des Unrechts und der Armut bei uns und in anderen Ländern. Massnahmen zur Erreichung solch langfristig angelegter Ziele sind das Fundament einer sozialdemokratischen Politik der öffentlichen Sicherheit. Darüber hinaus braucht es aber auch konkretes Vorgehen gegen Kriminalität, Gewalt und Unsicherheit. Dazu gehören Forderungen wie Stärkung des Schutzes vor häuslicher Gewalt, Einschränkung des Waffenbesitzes, weitsichtige Gestaltung des öffentlichen Raums oder höhere sichtbare Polizeipräsenz an konfliktträchtigen Orten. Eine bessere Kriminalprävention, Verbesserungen der Sicherheit im ÖV sind ebenso Teil davon wie ein Verbot der organisierten Bettelei, ein strengeres Vorgehen gegen gewaltbereite Personen, Massnahmen zur Verminderung des Abfallbergs oder die schnelle und konsequente Anwendung des geltenden Rechts.

Dabei ist klar: Wir behalten Augenmass und lassen uns von unserem sozialen Gewissen und unseren sozialen Werten leiten. Wir wollen weder moralisieren noch kriminalisieren. Wir wollen integrieren statt ausgrenzen und dabei die Würde jedes Menschen respektieren - unabhängig davon, woher er kommt oder wie viel sie im Portemonnaie hat.

Von einem Aufsitzen auf eine «kollektive Hysterie», wie die WOZ schreibt, kann keine Rede sein. Die VerfasserInnen des Sicherheitspapiers wissen, dass die SP und mit ihr die Gewerkschafts-, Frauen-, Friedens- und Umweltbewegung auch schon Opfer polizeilicher und militärischer Übergriffe des Staates wurden. Der Kampf der SP für Frieden und Gewaltlosigkeit ist stets auch gegen die Verletzung der Menschenrechte durch die Staatsgewalt gerichtet. Daher geht für die SP die Politik für mehr öffentliche Sicherheit mit einer Politik zur Wahrung der Freiheits- und Grundrechte einher. Konkret fordert das Sicherheitspapier etwa die «gezielte Förderung vielfältig zusammengesetzter Polizeikorps» sowie «eine unabhängige politische Kontrolle und eine parlamentarische Oberaufsicht» über die Polizei. Diese Forderungen haben angesichts neuer Schnüffelskandale an Aktualität gewonnen.

Die Polizei als Service public

Wir wenden uns entschieden gegen private Sicherheitsdienste und Armee im Bereich innere Sicherheit. Dies ist nur glaubwürdig, wenn wir gleichzeitig die einzig echte Alternative stärken und uns für einen hochstehenden Service public der Polizei einsetzen.

Auch bei den von der SP vorgeschlagenen Massnahmen gegen Gewalt und Ausschreitungen im Sport unterschlägt die WOZ den ganzen Teil über präventive Massnahmen - etwa die Forderung, es brauche «deutlich mehr Mittel für die Fanarbeit und für die Aus- und Weiterbildung von TrainerInnen und Sportlehrkräften in der Gewaltprävention». Die WOZ kommt lieber auf das «Hooligangesetz» zurück, das längst in Kraft ist, weil für das Referendum dagegen nicht einmal die nötigen Unterschriften zusammenkamen. Die SP unterstützt dieses Gesetz weiterhin nicht unbesehen, sondern fordert beispielsweise gesicherte rechtsstaatliche Beschwerdeverfahren, weil «blosse Angaben privater Veranstalter und Sicherheitsleute nicht als ausreichender Nachweis» für einen Eintrag in die Hooligan-Datenbank gelten können.

Evi Allemann (29), Juristin und SP-Nationalrätin, ist Präsidentin des SP-Fachausschusses für Friedens- und Sicherheitspolitik sowie Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats.