Nanotechnologie: Unheimliche Winzlinge

Nr. 6 –

Der Ingenieur Walter Koch ist ein Nanopionier. Seine Waschbälle, Haushaltsprodukte und Pflanzenstärkungsmittel seien völlig harmlos, erklärt er.


Man muss ihm hoch anrechnen, dass er mit uns spricht, denn er fürchtet, JournalistInnen ruinierten sein Geschäft. Walter Koch betreibt in Wolfhalden im Appenzellerland eine Firma, die sich der Nanotechnologie verschrieben hat. Koch ist Chemieingenieur und Fachmann für Lacke und Oberflächenbeschichtungen aller Art. Vor acht Jahren gründete er die NanoSys GmbH.

Seither erfüllt er den Traum aller Haushalte: Er kreiert Mittel, die das Putzen abschaffen – oder zumindest fast. Seine Produkte heissen Nano-Perl, und es gibt sie für Keramik oder Scheiben, für Felgen oder Autolacke. Für jedes Material ein eigenes Mittel, und jedes tut dasselbe: Es nutzt den sogenannten Lotuseffekt, den man bei den Blättern der Lotusblume beobachten kann. Sie werden nie schmutzig, und jeder Wassertropfen perlt ab.

Nanosilber, umstrittenes Biozid

Nachdem der Schweizer Physiker Heinrich Rohrer das Rastertunnelmikroskop erfunden hatte, konnte man Atome betrachten oder eben schauen, wie Lotusblätter funktionieren, und das Prinzip für neue Pflegemittel kopieren. Sie heissen «Nano», weil sie auf den Oberflächen eine wenige Nanometer feine Schicht bilden. Sie enthielten aber keine künstlichen Nanopartikel, sondern nur herkömmliche Chemikalien, wie Walter Koch erklärt.

Er kommt dabei in Fahrt, denn noch vor wenigen Jahren liefen seine mit «Nano» beschrifteten Pflegemittel wie verrückt. Doch heute, sagt er, sei das Geschäft kaputt. Zwar steige der Umsatz in der Industrie, doch bei den Privaten gebe es einen Einbruch um achtzig Prozent. Die Leute verstünden nicht, was Nano bedeute, und seien verunsichert. «Aber was ist schon Nano?», fragt er heftig: «Wenn Sie am Morgen die Zähne putzen, schlucken Sie Hunderte von Nanopartikeln: nanometerkleine Schleifkörperchen aus Siliziumdioxid in der Zahnpasta. Gefährlich?!» Er lacht.

Nano sei einfach ein Milliardstel von etwas, sagt er – und hat recht. Nano ist eine Grössenordnung wie «milli» oder «mega». «Doch jetzt haben die Leute plötzlich Angst davor und wissen nicht, wovon sie reden.»

Doch ganz so einfach ist es nicht. Wie steht es mit Nano-Argentum 10, Kochs Pflanzenstärkungsspray? Der enthält Silbernanopartikel, und um diese gibt es in den USA einen heftigen Disput: Umweltorganisationen verlangen, Nanosilber müsse wie ein Pestizid behandelt werden.

Koch stellt einen Flakon mit gelber Flüssigkeit auf den Tisch. Da sei Nanosilber drin, die Farbe rühre von einem Nanoeffekt. Silber töte Bakterien, das hätten schon die alten Römer gewusst und deshalb Silbergefässe benutzt, so Koch. Sein Pflanzenstärkungsmittel enthalte geringe Mengen Nanosilber. «Das Mittel stärkt die Abwehrkraft der Pflanzen», sagt Walter Koch. Er darf nicht sagen, es töte Pilze oder Krankheitserreger – denn dann würde es als Pflanzenschutzmittel gelten und müsste vom Bundesamt für Landwirtschaft zugelassen werden. Aber für ein «Stärkungsmittel» gilt das nicht.

Das Mittel kann man sprühen. Experten warnen: Nanopartikel sollten nie versprüht werden, weil sie so in die Lungen geraten könnten. Koch sagt, das stimme. Aber die Tröpfchen seines Mittels seien so gross, «dass sie nicht lungengängig sind, das wurde bei allen unseren Sprays nachgemessen».

Verschlossenes Labor

Koch bietet auch «Silber-Wäschebälle für hygienisch reine Wäsche» an. Sie gäben nur winzigste Mengen an Silber ab, das sei völlig unproblematisch. Experten hingegen fürchten, dass das Nanosilber auch die guten Bakterien, die wir zum Leben brauchen, tötet und so zum Beispiel Kläranlagen schachmatt setzt (siehe das Dossier Nanotechnologie).

Walter Koch kann die Aufregung ums Nanosilber nicht verstehen. In den Rebbergen würden grosse Mengen an Kupfer eingesetzt. Mit einem Gramm Nanosilber könne man auf einer Hektare denselben Effekt erzielen wie mit einem Kilogramm Kupfer. «Da frage ich Sie: Was ist für die Umwelt besser? Kupfer ist toxischer als Silber!»

Das Nanosilber produziert er selbst in seiner Produktionsanlage in Rütihof gleich hinter dem Bareggtunnel. Besuchen darf man die Anlage nicht, auch sein Labor in Wolfhalden bleibt verschlossen – Betriebsgeheimnis. Acht Personen arbeiten in seiner Firma. Umsatzzahlen will Koch nicht nennen, doch hätten sie ein Jahresbudget von einer Million Franken und grosse Kunden wie die Deutsche Bahn.

Die Medienberichte zum Thema «Nano» hält der Ingenieur für eine Katastrophe. Koch glaubt, das Nanogeschäft liege bereits im Sterben, und hat deshalb die Fühler nach Japan ausgestreckt. «Dort sind sie viel offener – um nur ein Beispiel zu geben: In Deutschland werden pro Jahr 140 Kilogramm Nanosilber eingesetzt, in Japan sind es schon 500 Tonnen.»

Was sagt der Bund zu Kochs Betrieb? Nichts. Zu einzelnen Firmen dürfe keine Auskunft gegeben werden. Aber ganz geheuer ist es dem Bundesamt für Umwelt nicht. Bettina Hitzfeld, die im Bundesamt die Sektion Biozide und Pflanzenschutzmittel leitet, sagt: «In Kläranlagen hat man zum Teil bereits Silber und Nanosilber gefunden. Offenbar brauchen Grosswäschereien von Spitälern Waschmittel mit Silber.»

Solche Mittel sind weder bewilligungspflichtig, noch muss explizit deklariert werden, dass Nanosilber drin ist. Es kämen auch immer mehr Produkte auf den Markt, die Silber – in normaler oder in Nanoform – enthielten, zum Beispiel Socken, Einlagesohlen oder eben diese Waschbälle. «Waschbälle sind sehr effektiv», sagt Hitzfeld, «man braucht aber keine sterilisierten Socken – deshalb ist es wenig sinnvoll, diese Bälle einzusetzen. In einer Spitalwäscherei könnte es aber durchaus sinnvoll sein.»

Das Bundesamt für Umwelt ahnt, dass das Nanosilber noch Ärger bereiten wird, und ist froh, dass die EU und die Schweiz entsprechende Forschungsprogramme gestartet haben.

Das Wissen fehlt

Und was sagen die Umweltorganisationen? Nicht viel. Ingrid Hess von der Kontaktstelle Umwelt KSU, die die Arbeit zwischen den verschiedenen Organisationen koordiniert, sagt: «Wir haben noch nie darüber geredet. Es ist immer ein Problem mit den neuen Technologien: Am Anfang gibt es niemanden, der kundig ist.»

Noch am besten informiert sind bisher die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und Herbert Karch von der Kleinbauernvereinigung, der das Thema für die Grünen verfolgt. Er und die SKS fordern eine verstärkte Risikoforschung und eine Deklarationspflicht für synthetische Nanopartikel.

«Es ist absurd zu sagen, Nanosilber sei ungefährlich, weil es nur in geringen Mengen in die Umwelt gelange», sagt Karch: «Dasselbe hat man bei den hormonaktiven Stoffen auch einmal gesagt.» Es sei höchste Zeit, «dass sich die Umweltorganisationen endlich das Wissen aneignen und sich aktiv in die Debatte einschalten – bevor es zu spät ist», warnt Karch.