WOZ-LeserInnen-Reise: Auf alten Partisanenpfaden

Nr. 14 –

Stadtspaziergänge unter kundiger Führung, Gespräche mit ZeitzeugInnen, Wanderung in den Bergen der Emilia Romagna, Informationen über die Genossenschaftsbewegung und die aktuellen Entwicklungen in der Hochburg der italienischen Linken - all das bietet WOZ Unterwegs.



Kastanien- und Buchenwälder, so weit das Auge reicht, abgeschiedene kleine Bergdörfer und, wenn man die Gipfel der Berge um Ligonchio besteigt, sogar freie Sicht aufs Mittelmeer! Mit etwas Wetterglück kann man - mit den Dolomiten im Rücken - über die Apuanischen Alpen hinweg bis zum Golf von La Spezia blicken.

Als die PartisanInnen von Reggio Emilia sich im Herbst 1943 hierhin zurückzogen, war das nicht der schönen Aussicht wegen. Sie hatten genug von Faschismus, von Wehrmacht, SS und Deportationen - und wollten ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Einige Wochen zuvor hatte es gar nicht so schlecht ausgesehen: Ende Juli 1943 zitierte der König den Diktator Benito Mussolini zu sich und setzte den glücklosen Duce kurzerhand ab. Nach zwanzig Jahren Diktatur war die faschistische Partei verboten und eine neue Regierung eingesetzt worden. Jubelnd strömten die Leute auf die Strassen und feierten bereits das Ende des Krieges.

Adolf Hitler dachte jedoch nicht daran, das faschistische Bruderland kampflos aufzugeben, und befahl der Wehrmacht, Mittel- und Norditalien zu besetzen (der Süden war bereits verloren). Als nach der Verkündung des Waffenstillstands zwischen Italien und den Alliierten die deutsche Armee auch noch Rom okkupierte, flohen König und Regierung und hinterliessen ein Machtvakuum. In Rom fanden sich ChristdemokratInnen, Liberale und KommunistInnen zum Komitee der Nationalen Befreiung CLN zusammen. Und während am Gardasee unter deutscher Direktive ein neuer faschistischer Staat ausgerufen wurde - die Repubblica Sociale Italiana von Salò, die nur von wenigen Staaten wie etwa San Marino, dem Vatikan und der Schweiz anerkannt wurde -, formierte sich in den Bergen der Emilia Romagna der Widerstand. Über zwanzig lange Monate hinweg fanden hier die zentralen Kämpfe zwischen italienischen FaschistInnen, deutschen Besatzern und einer ständig anwachsenden PartisanInnenbewegung statt.

Einer von denen, die damals in die Berge zogen, ist Fernando Cavazzini. 1923 geboren und unter dem Mussolini-Regime gross geworden, schloss er sich im Herbst 1943 der 26. Brigade Garibaldi «Enzo Bagnoli» an, verminte Brücken, sprengte Bahngleise. Mit dabei war auch Giacomo Notari, der 1943 als Fünfzehnjähriger die Exekutionskommandos der italienischen Faschisten miterleben musste - und darauf, ebenfalls für Sabotage zuständig, in der 145. Brigade Garibaldi «Franco Casoli» unterkam. Anita Malavasi, Jahrgang 1921, war zunächst, wie so viele Frauen der Region, als sogenannte Stafettenläuferin unterwegs. Sie sorgte dafür, dass die Waffen der desertierten italienischen Soldaten zu den PartisanInnen in die Berge gelangten. Später kämpfte sie selbst mit dem Gewehr in der Hand in der 144. Brigade Garibaldi «Antonio Gramsci» und wurde eine der wenigen Partisanenkommandeurinnen jener Zeit.

Will man aus direkter Quelle etwas über jene Zeit erfahren, wird die Zeit knapp: Die damaligen KämpferInnen sind heute über achtzig Jahre alt. «Toni», «Willi» und «Laila», so die Decknamen der drei ehemaligen PartisanInnen, die die TeilnehmerInnen der WOZ-Reise treffen werden, haben viel zu erzählen. Sie können Auskunft darüber geben, wie wichtig zum Beispiel Frauen im Widerstand waren oder welche Rolle die Partisanenrepublik Montefiorino spielte. Sie können schildern, wie die PartisanInnen die harten Winter überlebten, was sie - die ja nichts anderes als Faschismus kannten - in den Widerstand trieb, welche Hoffnungen sie damals hegten, wer sie unterstützte und wie sie mit der Gewalt umgingen. Und nicht nur sie geben Auskunft. Francesco Pirini, einer der letzten Überlebenden des Massakers von Marzabotto (1944), wird ebenfalls Rede und Antwort stehen.

Der aktive Widerstand gegen Faschismus und Besatzung hat die Emilia Romagna nachhaltig geprägt. In der Nachkriegszeit wurde die Region zur Hochburg der italienischen Genossenschaftsbewegung. Noch heute ist ein grosser Teil der lokalen Wirtschaft von Kooperativen bestimmt. Nirgendwo hat Silvio Berlusconi so viel Mühe wie hier (die Stadt und die Provinz Reggio Emilia sind mit grosser Mehrheit Mitte-links-regiert), nirgendwo sind seine Truppen so weit von der Macht entfernt. Aber was bedeutet das?

Auch darüber werden wir aus kompetenter Quelle informiert. Die WOZ plant diese Reise in Kooperation mit dem Istoreco, dem Institut für die Geschichte der Resistenza in Reggio Emilia. Das Istoreco, 1965 gegründet, gehört zu einem Netz von sechzig italienischen Geschichtsinstituten, die über die Themen Faschismus, Zweiter Weltkrieg, Antifaschismus und Resistenza forschen - und die, da bis vor kurzem das 20. Jahrhundert nicht auf den italienischen Schullehrplänen stand, eine wichtige Anlaufstelle für die LehrerInnenweiterbildung sind. Das Istoreco organisiert Bildungsreisen zur italienischen Genossenschaftsbewegung, zur Antiglobalisierungsbewegung, zur Neuen Linken nach 1968 und engagiert sich in der Jugendarbeit gegen den Rassismus: Es ist Mitorganisator der Mondiali Antirazzisti, einem seit 1997 jährlich ausgetragenen Fussballturnier für Solidarität und gegen Rassismus (siehe WOZ Nr. 28/05).

Deutschsprachige Istoreco-MitarbeiterInnen werden die Reise begleiten, die Gespräche dolmetschen und viele Fragen beantworten können - auch die nach dem aktuellen Kulturangebot, nach guten Restaurants, nach dem besten Wein.


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