Wolfgang Hafner: Heilige Verena

Nr. 35 –


Seit einigen Jahren wird die heilige Verena am 1. September in Zurzach wieder intensiver gefeiert. Bischof Kurt Koch hat sie 2003 zur Heiligen des Bistums Basel ernannt. Ein Buch von Wolfgang Hafner, der auch für die WOZ schreibt, geht der historischen Entstehung und der wechselnden Bedeutung der Figur nach.

Auf mündlichen Überlieferungen aus dem 4. Jahrhundert über eine christliche Märtyrerin aufbauend, schuf Abt Hatto vom Kloster Reichenau um 890 eine Heiligenlegende, die um das Jahr 1000 durch das «Mirakelbuch» angereichert wurde. Das durch die Ausgrenzung heidnischer Frauenfiguren entstandene Vakuum wurde mit Gegenbildern gefüllt, die christliche Zucht propagierten. Die widersprüchlichen Interessen in der Legendenbildung liessen unterschiedliche Projektionen zu: So wurde die keusche Verena von Frauen bei ausbleibender Schwangerschaft angerufen.

Hafner stellt die Figur auch in die Landschaft, in der ihre Verehrung entstand, mit der Aare als Lebensnerv des Schweizer Mittellands. In der Verenaschlucht bei Solothurn wird besonders frappant, wie sich die Zeiten überlagern, da der biblische Kreuzweg von aufgeklärten Bürgerfamilien und Freimaurern um eigene Monumente ergänzt worden ist.

Die Spurensuche führt kreuz und quer, mit Kurzinterviews, vom Geistheiler bis zum Bischof, und mit Wanderanleitungen; dazu ist das Bändchen mit als «Stolpersteine» deklarierten Fotografien von Franz Gloor ausgestattet. Dieser kaleidoskopische Stil hat seine Reize, aber ein wenig redaktionelle Straffung hätte dem Buch nützen können.

Anfang Jahr ist mit Verena Dubacher die erste Eremitin für die Verenaschlucht ernannt worden. Einem säkularen Publikum bietet Hafner als Minimalfunktion der heiligen Verena an, dass die Erinnerung an ihr Leben unsere Existenz relativiere. Dass sie als Trösterin und Pflegerin ein Vorbild für das wohltätige Gesundheitswesen abgibt, bekräftigt ihre Ambivalenz im sozialen Rollenspiel.

Wolfgang Hafner: Wie Verena zur Heiligen wird. Wegspuren der Thebäerin entlang der Aare. Rex Verlag. Luzern 2008. 128 Seiten. Fr. 24.80