Honduras: Endlich ein Signal aus Washington

Nr. 41 –

Die lateinamerikanischen Staaten machen sich noch einmal stark für eine Verhandlungslösung nach dem Putsch. Auch weil sie Angst davor haben, das Beispiel könnte Schule machen.


Ganz langsam scheint sich Roberto Micheletti dem nationalen und internationalen Druck zu beugen. In der Nacht zum Dienstag hob der Putschpräsident von Honduras den Ende September verhängten Ausnahmezustand auf. Obwohl dieser zunächst bis zwei Wochen vor der Präsidentschaftswahl vom 29. November in Kraft bleiben sollte.

Am Mittwoch traf in Tegucigalpa eine Verhandlungsdelegation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ein, die mit Micheletti und dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya, der sich in der brasilianischen Botschaft verschanzt hat, eine Lösung für die Staatskrise finden will. Ihr Verhandlungsziel: Zelaya soll, wenn auch mit begrenzten Machtbefugnissen, wieder ins Amt eingesetzt werden. Micheletti deutete am Montag in einem Fernsehinterview an, dass er sich sogar darauf einlassen könnte: «Wenn es transparente Wahlen gibt, können wir über jedes Szenario verhandeln.»

Für die PutschistInnen war die Verhängung des Ausnahmezustands erfolgreich gewesen: In Tegucigalpa herrschte Friedhofsruhe. Versammlungen von mehr als zwanzig Personen waren verboten, vier regimekritische Fernsehsender wurden von Sicherheitskräften geschlossen und Hunderte von AnhängerInnen Zelayas verhaftet. Bei der Auflösung von Demonstrationen und während der Ausgangssperre wurden zudem seit Ende September mindestens zwei Personen erschossen. Kurzfristig war sogar ein Sportstadion zum Gefängnis umfunktioniert worden. Der Widerstand der AnhängerInnen des am 28. Juni gestürzten Zelaya schien vorerst gebrochen.

Pragmatische Kandidaten

Zelaya war vor knapp vier Jahren als konservativer und unternehmerfreundlicher Präsident angetreten. Erst in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit hatte er sich den Ideen des venezolanischen Staatschefs Hugo Chávez angenähert, Sozialprogramme aufgelegt und den Mindestlohn deutlich erhöht. Aber auch wenn ihn nach letzten Umfragen rund die Hälfte der Bevölkerung stützt: Seine organisierte AnhängerInnenschaft geht über BäuerInnenorganisationen, die LehrerInnengewerkschaft und informelle politische Zirkel kaum hinaus.

Mitentscheidend für die seit einigen Tagen signalisierte Verhandlungsbereitschaft der PutschistInnen war der Druck der fünf Präsidentschaftskandidaten. Der Ausnahmezustand hätte nicht nur einen Wahlkampf so gut wie unmöglich gemacht, befürchteten sie. Hinzu kommt, dass ein unter diesen Bedingungen gewählter Präsident international nie anerkannt worden wäre. Und auch die UnternehmerInnen, die Micheletti mit ins geraubte Präsidentenamt gehievt hatten, waren in der vergangenen Woche von ihm abgerückt, nachdem die USA 124 von ihnen die Einreisevisa entzogen hatte. Es war das stärkste Signal, das bislang aus Washington gekommen ist.

Früher waren die USA bei Staatsstreichen und Bürgerkriegen in Lateinamerika stets aktiv beteiligt. In Washington wurde entschieden, wann ein Konflikt ausbrechen und wann er wieder eingestellt werden sollte, je nachdem, was gerade ihren wirtschaftlichen und politischen Interessen nützte. Dieses Mal gab es keinen Beifall für die PutschistInnen. Die US-Regierung nahm die Rolle einer Zuschauerin ein. Durch Nichtstun gab Präsident Barack Obama allerdings Micheletti die Chance, sich Woche für Woche durchzuhangeln. Entsprechend signalisierte dieser mal Verhandlungsbereitschaft, mal griff er wieder zum Knüppel. Die USA wären die Einzigen gewesen, die die Putschregierung schnell hätten aushungern können. Sie sind der wichtigste Handelspartner von Honduras. Die Überweisungen der in den USA lebenden HonduranerInnen sind für die Wirtschaft des Landes überlebenswichtig. Doch in Washington dachte man nicht einmal über eine Aussetzung des Freihandelsvertrags nach.

Schlechtes Vorbild

Wenn jemand Bewegung in die verfahrene Lage der letzten drei Monate gebracht hat, dann war es Zelaya selbst. Mit seiner überraschenden Rückkehr am 21. September hat er die Putschregierung in Zugzwang gebracht und die vorher still gewordene OAS wieder auf den Plan gerufen. Ihre am Mittwoch eingetroffene Verhandlungsdelegation könnte kaum hochrangiger sein: Generalsekretär Miguel Insulza wird von zehn lateinamerikanischen AussenministerInnen begleitet.

Es ist aber nicht nur reine Sympathie für Zelaya, die die lateinamerikanischen StaatschefInnen gegen die Putschregierung in Tegucigalpa aufbringt. Es ist die Angst, dass das Beispiel eines Staatsstreichs Schule machen könnte. So steht im Nachbarland Guatemala Präsident Álvaro Colom einer Regierung vor, die deutlich schwächer ist, als es diejenige Zelayas jemals war. Colom kann sich kaum gegen die Mafia aus Drogenkartellen, Militärs und Polizei wehren, die das Land mit Morden überzieht und unregierbar macht. Zu diesen «Parallelstrukturen» zur staatlichen Gewalt gehören in Guatemala auch etliche Generäle, die schon in den achtziger Jahren an Militärputschs beteiligt gewesen waren.

Die Verhandlungsdelegation der OAS steht unter Erfolgsdruck. Sie muss beweisen, dass sie Lateinamerika auch ohne die Einmischung der USA im Griff hat. Wenn sie nicht einmal in einem kleinen, wirtschaftlich wenig bedeutenden Land wie Honduras eine Putschregierung in die Schranken weisen kann, wozu soll sie dann eigentlich gut sein?