«Die Kabbala»: Ein direkter Draht zu Gott

Nr. 52 –


Alle haben schon einmal von ihr gehört, aber fast niemand weiss Genaueres: Kabbala, ist das nicht eine jüdische Geheimlehre aus dem Nahen Osten? Irgendetwas mit Buchstaben und Zahlen? Und hat nicht Popstar Madonna damit zu tun? Für alle, die es genauer wissen wollen, hat Klaus S. Davidowicz, Professor für Judaistik an der Universität Wien, eine gute Einführung geschrieben. Es stört auch nicht, dass Davidowicz in textkritischen Fragen manchmal etwas gar ins Detail geht.

Eines stellt der Autor gleich zu Beginn klar: «Die zentralen kabbalistischen Texte (...) wurden in Deutschland, Frankreich und Spanien geschrieben.» Er zeigt auf, wie eng die Entstehung der jüdischen Mystik mit der Geschichte der europäischen Jüdinnen und Juden zusammenhängt, die unter der fast ständigen Bedrohung von Pogromen und Vertreibungen lebten.

Davidowicz interpretiert die mystischen Traditionen als eine Reaktion auf die grosse Kopflastigkeit der mittelalterlichen jüdischen Theologen: «Es wuchs die Gefahr, dass Gott zu einem Abstraktum würde, das sich dem einzelnen Gläubigen vollkommen entzöge.» Viele Kabbalisten versuchten hingegen, mithilfe von Joga-ähnlichen Atemtechniken, Rezitationen und ekstatischen Tänzen eine direkte «Vereinigung mit Gott» zu erfahren.

Es sind faszinierende, oft auch verrückte Geschichten. Etwa das Schicksal von Sabbatai Zwi, einem psychisch labilen Gelehrten aus der heutigen Türkei, der im 17. Jahrhundert als Messias verehrt wurde. Vom Sultan vor die Entscheidung Tod oder Übertritt zum Islam gestellt, konvertierte er – und viele seiner AnhängerInnen mit ihm, denn sie glaubten an einen mystischen Sinn in dieser scheinbar absurden Handlung und pflegten heimlich weiter jüdische Riten. Spannend auch die Ideen von Jakob Frank, der überzeugt war, dass der König David weiblich gewesen sei und auch der Messias eine Frau sein werde – er war beeinflusst vom Marienkult im katholischen Polen. Überhaupt wird beim Lesen des Buches klar, wie eng die verschiedenen Religionen verknüpft sind: So beeinflussten sich Kabbalisten und islamische Sufi-Mystiker gegenseitig, und christliche Alchemisten befassten sich mit jüdischen Schriften. Kabbalistische Ideen von der Seelenwanderung und der Glaube, dass wirklich Fromme «zum Wohl der Welt nochmals auf die Erde geschickt werden», wirken dagegen stark vom Buddhismus inspiriert.

Auch auf die berühmten Golem-Legenden, jüdische Märchen und den Einfluss der jüdischen Mystik auf moderne Intellektuelle geht Davidowicz ein. Dabei streift er vieles nur, aber Interessierte finden in der ausführlichen Bibliografie genug Bücher zum Weiterlesen.

Klaus S. Davidowicz: Die Kabbala. Eine Einführung in die Welt der jüdischen Mystik und Magie. Böhlau Verlag. Wien 2009. 261 Seiten. Fr. 42.90