Durch den Monat mit Steff la Cheffe (Teil 1): Mehr Frauen im Hip-Hop?

Nr. 9 –

Steff la Cheffe: «Reine Frauenanlässe sind mir manchmal etwas zu inzestuös.»

WOZ: Steff la Cheffe, du bist Rapperin und Beatboxerin. Was genau macht eine Beatboxerin?
Steff la Cheffe: Beatboxen ist eigentlich Mundperkussion, das heisst, man macht Geräusche, Melodien und Rhythmen mit der Zunge, der Lippe, der Nase, dem Kehlkopf, dem Gaumen, den Stimmbändern und dem Zwerchfell. Das Beatboxen kam im Hip-Hop der achtziger Jahre auf.

Wie bist du zur Beatboxerin geworden?
Schuld daran ist mein grosser Bruder. Durch ihn kam ich mit Hip-Hop in Kontakt, den er jeweils zu Hause laut hörte. Mein Bruder ist sechs Jahre älter als ich, und er hat mir immer CDs gebrannt. Als ich ungefähr zwölf war, wünschte ich mir von ihm Hip-Hop-CDs zu Weihnachten und zum Geburtstag, und er schenkte mir zwei extrem geile CDs, die ich noch heute zu den besten CDs überhaupt zähle.

Welche denn?
Von The Roots «When Things Fall Apart» und von Rahzel «The Fifth Element: Make the Music». Rahzel ist Beatboxer und Teil von The Roots, er macht aber auch Soloprojekte. Als ich seine CD hörte, hat mich das total aus der Bahn geworfen. Es war wie Liebe auf den ersten Blick, ich wusste aus dem Bauch raus, das ist das, was ich machen möchte, und das werde ich so lange üben, bis ich es kann.

Und das hast du dann gemacht?
Ja. Ich habe dann im Stillen für mich geübt, Töne gesucht und Geräusche ausprobiert. Ich wollte erst an die Öffentlichkeit gehen, wenn ich das Handwerk beherrsche und mein Umfeld überraschen kann. Mir gefällt es, die Leute aus ihren gewohnten Wahrnehmungen und Konzepten zu werfen, und ich wusste, dass ich das tun würde. Denn erstens war Beatboxen vor zehn Jahren allgemein noch nicht so etabliert wie heute, und zweitens wagte ich mich hier in eine absolute Männerdomäne.

Hat es geklappt?
Ja, mein Plan ist voll aufgegangen. Klar, es gab und gibt immer Leute, die mich nicht ernst nehmen, die mich belächeln und denken, ah, jetzt versucht da noch eine Frau zu beatboxen ... Aber darauf bin ich total allergisch.

Du hast dich als junge Frau in eine ziemliche Mackerwelt vorgewagt ...
Ja eh. Aber was gegen aussen stark wirkt, ist gegen innen bekanntlich ja schwach (lacht). Ausserdem ist unsere Gesellschaft einfach noch immer eine patriarchale Gesellschaft. Überall, wo es abgeht, wo was läuft, wo Macht vorhanden ist und wo die Jobs gut bezahlt sind, dort sind immer mehr Männer als Frauen! Was in der Hip-Hop-Szene läuft, ist nur symptomatisch dafür, wie unsere Gesellschaft funktioniert.

Wie haben denn die Jungs innerhalb der Hip-Hop-Szene auf dich reagiert?
Die Jungs nehmen mich einfach anders wahr, weil ich eine Frau bin. Da kann ich gar nichts dagegen machen. Zu Beginn hat es mich extrem geärgert, dass ich nicht gleich behandelt wurde. Ich wollte den Frauenbonus nicht. Vordergründig ist der zwar ein Vorteil. Alle finden es toll, dass mal eine Frau so was macht. Im Endeffekt aber ist es ein Nachteil. Denn dadurch, dass dir jemand diesen Bonus gibt, spricht er dir deine Kompetenz ab.

Tauschst du dich darüber mit -anderen Musikerinnen aus?
Nicht unbedingt. Ich orientiere mich nicht speziell an anderen Frauen, auch gehören zu meinen musikalischen Vorbildern kaum Frauen. Die Vernetzung unter Musikerinnen finde ich jedoch wichtig, ich profitiere auch selber davon. Ich trete auch immer wieder mal an Frauenanlässen auf. Ich finde es gut, dass es die gibt, manchmal sind sie mir allerdings etwas zu inzestuös.

Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, wird übrigens die Website «Helvetia rockt» aufgestartet. Die Seite ist eine Plattform für Schweizer Musikerinnen, mit Kontakten und Porträts von Künstlerinnen. Dazu gibts in mehreren Schweizer Städten Veranstaltungen, an denen Musikerinnen auftreten.

Würdest du es begrüssen, wenn es mehr Frauen im Hip-Hop gäbe?
Ja, unbedingt. Dann würden all die Themen, die in der Luft liegen, auch aus der Frauenperspektive erzählt. Zum Teil sind es ja dieselben Themen, die die Frauen und die Männer beschäftigen, und es wäre spannend, dieselben Themen aus einer anderen Perspektive zu hören. Ausserdem haben wir Frauen andere Themen als die Männer. Mehr Raps darüber zu hören wäre eine Bereicherung, auch für die Männer, weil sie sich nämlich dann neu mit diesen Themen auseinandersetzen müssten.

Steff la Cheffe (22), mit bürgerlichem Namen Stefanie Peter, ist Rapperin und Beatbox-Vizeweltmeisterin und lebt in Bern.