Augenzeugenbericht: «Wie im Krieg»

Nr. 22 –


Israels Handlung war ein absolut rechtswidriger Angriff auf ein Hilfsschiff mit über 500 ZivilistInnen, ein Akt der Piraterie mit folgender Entführung. Wir haben von Anfang an gesagt: Wir wollen keine Gewalt, wir sind eine friedliche Mission und transportieren allein zivile Güter. Wir wollten auf die Abriegelung des Gazastreifens durch Israel und die seit Jahrzehnten von der internationalen Staatengemeinschaft tolerierte menschliche Tragödie aufmerksam machen. Wir wollten den eingeschlossenen PalästinenserInnen Hoffnung geben. Wir hatten damit gerechnet, dass die Israeli unser Boot abdrängen, umleiten, aber nicht, dass das Militär uns so brutal überfällt. Immerhin waren wir eine Delegation aus dreissig Nationen, darunter Personen des öffentlichen Lebens, Parlamentsabgeordnete, Friedensnobelpreisträgerinnen und Schriftsteller.

Es war Nacht, wir waren in internationalen Gewässern. Wir hörten Hubschrauber und Detonationen, israelische Elitesoldaten seilten sich von Hubschraubern auf das Schiff ab. Am Ende waren sechzehn von uns tot, über fünfzig verletzt, einige kämpfen noch immer um ihr Leben. Alle wurden mit gefesselt, und wir mussten uns an Deck in einer Reihe hinknien. Ich hatte sofort alles gefilmt, wie auch andere von uns. Aber es wurde uns alles abgenommen. So gibt es nur Bilder aus israelischen Quellen. Es ist wie im Gazakrieg: Die Bilder-, Ton- und Berichtshoheit liegt bei der israelischen Regierung.


Der Völkerrechtler, WOZ-Autor und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech war für die Ärzte gegen den Atomkrieg (IPPNW) Teil des Hilfskonvois.

Hilfskonvoi unter Beschuss

Die «Gaza Freiheitsflotte» sollte mit ursprünglich acht Schiffen rund 10 000 Tonnen Hilfsgüter in den Gazastreifen transportieren. Die Ladung enthielt neben Nahrungsmitteln und Medikamenten auch Baumaterial wie Zement für den Wiederaufbau. Israel blockiert den Gazastreifen seit der Machtübernahme der Hamas 2007; nach dem Gazakrieg von Dezember 2008 bis Januar 2009 ist das Gebiet noch stärker abgeriegelt. Die Flotte wurde von der internationalen Organisation Free Gaza Movement mit Sitz auf Zypern koordiniert. Am 30. Mai verliessen sechs Schiffe den Hafen von Nikosia – zwei Schiffe blieben wegen technischer Probleme zurück. In der Nacht auf den 31. Mai enterten Soldaten der israelischen Marine nach einer Warnung die Schiffe, die sich rund sechzig Kilometer vor der israelischen Küste noch in internationalen Gewässern befanden, und eröffneten das Feuer. Bei der Militäraktion wurden nach Angaben der israelischen Behörden neun AktivistInnen getötet. Die OrganisatorInnen sprechen von sechzehn Toten.