Manhattan Muffdiver: Carl Weissner

Nr. 24 –

Carl Weissner wird am 19. Juni siebzig! Das verdient einen Hinweis. Denn dieser Mann hat uns viele Stimmen aus dem US-amerikanischen Underground auf Deutsch zugänglich gemacht, mitunter bevor ihre Bücher im Original erschienen. Er hat über hundert Bücher aus dem Amerikanischen übersetzt, darunter Titel von Nelson Algren (dem Liebhaber von Simone de Beauvoir), Charles Bukowski, zu dessen Sargträgern er zählte, William S. Burroughs, Mary Beach, Allen Ginsberg und vielen mehr. Seine Übersetzungen zeichnen sich dadurch aus, dass er sie von jeder hölzernen Theatralik, jedem Anklang an den hohen Ton befreit. Er weiss das Original in ein kraftvolles Deutsch umzugiessen, das sich an der lebendigen Direktheit der gesprochenen Sprache orientiert. Kaum jemand im deutschen Sprachraum hat vor Weissner so übersetzt.

Wer seine Arbeit kennenlernen will, dem sei die Website www.realitystudio.org ans Herz gelegt. Auf ihr sind auch die innovative editorische Arbeit dieses unermüdlichen Agenten der literarischen Alternative und sein auf Englisch verfasster Antiroman «Death in Paris» einsehbar. Vor kurzem hat Weissner eigene Texte auf Deutsch unter dem Titel «Manhattan Muffdiver» vorgelegt. Ein Muffdiver ist der Name eines Drinks, zu dessen Ingredienzien Kaffeelikör, Amaretto, Irish Cream und geschlagene Sahne gehören. Zugleich ist «muffdiver», wörtlich «Mufftaucher», eine Slangbezeichnung für Cunnilingus. Aus den Tiefen von New Yorks Wolkenkratzerschluchten taucht der Autor mit seinen wilden Nachrichten auf, mit E-Mails, die er in Manhattan von April bis Juni 2007 in die Tasten haut. Der Hochdruck der Entstehungsumstände macht den Texten Beine. Doch Weissners Prosa kennt keine Ladehemmung: Frisch von der Leber weg feuert er seine Wortsalven ab, politisch unkorrekt, voller Chuzpe, Verve und Schmiss. Nichts für zarte Seelen! Ein Schlag ins Gesicht der Hochkultur. Ein Meisterwerk abgründigster Grossstadtliteratur. Ein Muss für alle FreundInnen echter subkultureller Vibration.

Carl Weissner: Manhattan Muffdiver. Mit einer Einleitung von Fritz ­Ostermayer und einem Nachwort von Thomas Ballhausen. Milena Verlag. Wien 2010. 180 Seiten. Fr. 33.50