Durch den Monat mit Fifa-Kritiker Andrew Jennings (Teil 4): Fussball und Coca-Cola?

Nr. 25 –

WOZ: Andrew Jennings, Sie verfolgen Sepp Blatter schon so lange – wird Ihnen das nicht irgendwann langweilig?
Andrew Jennings: Sie haben recht: Ich mache diese Geschichten schon so lange, dass ich bemerkt habe, dass es um mehr geht als nur um ein paar Leute, die Schmiergelder annehmen. Ich beschäftige mich in letzter Zeit stärker mit der Rolle der Fifa in der Globalisierung.

Können Sie das ausführen?
Die Fifa spielt in einer Liga mit multinationalen Firmen, der Weltbank und dem internationalen Währungsfonds. Was bizarr anmutet, immerhin sollten sie bloss einen Sport organisieren. Als die Werbetour für die Weltmeisterschaft losging, war das Hauptgebäude in Zürich mit Coca-Cola-Fahnen verhängt. Wie kommt es, dass uns ein zwielichtiger Getränkehersteller zum «Spiel des Volkes» begrüsst?

Das ist Sponsoring. Ist das nicht normal?

Vorsicht! Die offizielle Wortwahl ist «Partner», als ob der Sport davon profitieren würde. Überlegen Sie: Fussballer von heute sind Rennpferde. Sie haben Ernährungsberater, die ihnen spezifische Diäten designen. Undenkbar, dass sich Ronaldo vor einem Spiel ein paar Big Macs und Cola gönnt!

Die Löhne der Spieler sind ins Unermessliche gestiegen. Woher soll das Geld sonst kommen?
Schauen Sie die Zahlen an: Die Ligen wie auch die WM werden vom Fernsehen finanziert. Das Marketing ist dagegen fast bedeutungslos: McDonald’s hat achtzig Millionen US-Dollar bezahlt, damit ihr Logo überall am Turnier gezeigt wird. Das ist verglichen mit den Summen für die TV-Rechte ein kümmerlicher Betrag.

Wohin fliesst das Geld?
Die Fifa behauptet, dass ihnen das Geld von Coca-Cola «Entwicklung» bringe, dabei geht es nur um den Lebensstil. Mit dem Geld kauft sich die Fifa noch ein paar Gebäude und bezahlt noch mehr Reisen erster Klasse für ihre Funktionäre. Oder sie bezahlt Boni von einer Viertelmillion US-Dollar an ihre Verbände, wie gerade am Fifa-Kongress.

Wen stört es, dass Coca-Cola Geld ausgibt?
Als Rupert Murdoch sein Medienimperium mit Sky TV aufbaute, sagte er: «Ich werde den Fussball als Rammbock gebrauchen.» Und er war erfolgreich in einem Land, in dem die BBC fast eine Monopolstellung hatte.

Warum will der Getränkekonzern aus den USA Teil eines Sports sein, den er nicht versteht?
Fussball ist ihr Rammbock in neue oder unterentwickelte Märkte. Afrika hatte eine wundervolle, reiche Tradition an rituellen Tänzen, und es wurde definitiv kein Coca-Cola getrunken. Aber heute «verbreiten wir das Spiel» – wir verbreiten eine globale Monokultur und damit auch Coca-Cola.

Sie beschreiben eine neue koloniale Welle ...
... genau das. Nur hatten wir Gewehre dabei, als wir das letzte Mal nach Afrika kamen. Heute haben wir Anwälte. Sie haben sicher von den Frauen gehört, die verhaftet wurden ...

... junge Frauen, die orange Minikleider trugen im Auftrag einer holländischen Bierbrauerei.
Sie wurden von den Sicherheitskräften aus den Stadien gezerrt. Zwei von ihnen wurden verhaftet und von der Polizei verhört. Und die Fifa hat angekündigt, dass sie Anzeige erstatten wird. Natürlich war das Guerillamarketing. Aber niemand kam zu Schaden, kein Mensch und kein Besitz.

Aber die werden doch nicht für so eine Lappalie ins Gefängnis kommen?
Sie wären überrascht. In Europa wäre so etwas kaum möglich, aber die Fifa hat Südafrika gezwungen, Gesetze zu verabschieden, um ihre kommerziellen Interessen zu schützen. Das Absurde ist, dass es den Sponsoren selber äusserst peinlich ist. Anheuser-Busch, der exklusive Bier-«Partner», hat keine eigenen Brauereien in Afrika und hat vor Beginn der WM klargemacht, dass es die Firma nicht stören würde, wenn in den Stadien lokale Biere verkauft würden.

Hat die Fifa einfach überreagiert?
Mehr als das. Wir sollten diesen Frauen und ihrem holländischen Auftraggeber dankbar sein. Sie haben aufgezeigt, wie repressiv und gierig die Fifa wirklich ist. Die Gedankenpolizei der Fifa, die ein paar arme südafrikanische Strassenverkäufer verscheucht, das hätte noch nicht für einen echten Skandal zu Hause gereicht. Aber hübsche junge Holländerinnen, die verhaftet werden, weil sie orange Röcke anhaben, davon nimmt man Notiz. Nicht nur hat die Fifa keinen Sinn für Humor, sondern das sogenannte «Spiel des Volkes» wird verwandelt in das Spiel Blatters und seiner «Partner». Und es ist absolut klar: Dies sind nicht die Partner des Fussballs, sondern Partner, die Herrn Blatters Bankkonti füllen.

Andrew Jennings ist der einzige Journalist mit Hausverbot bei der Fifa, seit er vor sieben Jahren Sepp Blatter fragte, wie viel Bonus sich dieser ausbezahle.

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