Transocean: Schweizer Firma bohrt mit burmesischem Drogenbaron

Nr. 37 –

Dubiose Geschäftspartner in Burma, lückenhafte Sanktionslisten und umstrittene Steuertricks – dem Ölkonzern mit Sitz im Kanton Zug droht nach der Katastrophe im Golf von Mexiko weiteres Ungemach.


Es schien ein gutes Geschäft. Aber als die Tiefseebohrfirma Transocean während dreier Monate in Burma nach Erdgas bohrte, ging sie einen Deal mit einem chinesischen Unternehmen ein, das in Verbindung mit einem der grössten Drogenbarone Asiens steht. Ende August bestätigte Transocean gegenüber einer exilburmesischen Newsplattform, dass die US-Behörden wegen der «Geschäfte in Burma» gegen Transocean ermittelten.

Die Spuren dieses globalen Unternehmens führen um den ganzen Erdball – von einem kleinen, steuergünstigen Dorf in der Innerschweiz in eine kaum bekannte Region am anderen Ende der Welt.

Steinhausen, Schweiz

«Willkommen in Steinhausen, Sitz Ihres Unternehmens» – so begrüsst die Zuger Gemeinde mit ihren 9125 Einwohnern interessierte Zuzüger in einer Broschüre. So unscheinbar das kleine Innerschweizer Dorf gleich neben Zug ist – hier in Steinhausen befindet sich seit zwei Jahren der Hauptsitz von Transocean, dem weltweit grössten Tiefseebohrunternehmen. Transocean setzt im Jahr rund zwölf Milliarden Franken um und beschäftigt weltweit knapp 20 000 Angestellte, die meisten im Ölstaat Texas. Am Hauptsitz bei Zug arbeiten allerdings nur rund dreissig Angestellte.

Bis vor wenigen Monaten war dieser internationale Ölkonzern der Öffentlichkeit kaum bekannt. Bis ein Knall auf offenem Meer alles änderte und dem Unternehmen unerwünschte Bekanntheit bescherte: Am 20. April dieses Jahres explodierte die von Transocean betriebene Ölplattform Deepwater Horizon und versank im Golf von Mexiko. Elf Menschen starben, mehrere hundert Millionen Liter Rohöl flossen ins Meer. Derzeit streiten BP, Transocean und Halliburton – die Verursacher der grössten Ölkatastrophe der Geschichte – über die Verantwortlichkeiten. Den drei internationalen Konzernen drohen Bussen in Milliardenhöhe. Aber die Ölpest im Vorhof der USA und die allfälligen Bussen sind für Transocean nicht die einzige Sorge.

Kyauk Phyu, Burma

Im Oktober 2009 nahm an der Westküste von Burma die 82 mal 78 Meter grosse Bohrplattform Actinia ihren Betrieb auf. Transocean hatte die 1982 gebaute Plattform für drei Monate dem staatlichen chinesischen Erdölkonzern CNOOC vermietet und kassierte dafür täglich 206 000 US-Dollar. Das tönte nach einem guten Deal.

Aber es war ein Geschäft mit Tücken. Die Bohrungen im sogenannten Block M führte der chinesische Staatskonzern gemeinsam mit dem Joint-Venture-Partner Golden Aaron durch, einer Ölfirma aus Singapur, die mit einem der berüchtigtsten Drogenbarone Asiens verflochten ist. Golden Aaron wird von Cecilia Ng kontrolliert, der Ehefrau des Burmesen Steven Law, dessen Vater Lo Hsing Han in den siebziger Jahren zu einem der grössten Drogenhändler und Geldwäscher aufstieg und von den US-Behörden als «Godfather of Heroin» bezeichnet wird. In den neunziger Jahren, als auch sein Sohn Steven Law in das Drogenimperium einstieg, begann Lo legale Geschäfte und gründete die Firma Asia World.

Das Unternehmen verdiente anfangs Geld mit dem Verkauf von landwirtschaftlichen Produkten, wuchs aber unter der Militärdiktatur zu einem der grössten und meistdiversifizierten Firmenkonglomerate Burmas. Asia World ist mittlerweile Bauunternehmerin, besitzt zahlreiche Hotelketten, handelt mit Immobilien und ist im Transportwesen tätig. Der Konzern des 72-jährigen Lo Hsing Han hat zudem mehrere Tochterfirmen in Singapur. Heute gehören der ehemalige Drogenhändler Lo und sein 42-jähriger Sohn, der Generaldirektor bei Asia World ist, zu den reichsten und mächtigsten Geschäftsmännern in Burma.

Die exilburmesische Newsplattform Mizzima hatte im vergangenen Frühjahr diese Verbindungen zwischen Transocean und Lo Hsing Hans Imperium recherchiert. Im Sommer berichtete auch die «New York Times» über die Geschäfte von Transocean in Burma, Syrien und im Iran (vgl. Kasten «Zweifelhafte Geschäfte»). Nur in der Schweiz, wohin Transocean den Hauptsitz Ende 2008 verlegt hat, wurde bisher kaum über die Verbindungen des Ölkonzerns berichtet.

Bern, Schweiz

Wegen ihrer Nähe zur burmesischen Militärjunta sind sowohl Steven Law als auch seine Frau Cecilia Ng und sein Vater Lo Hsing Han auf den Sanktionslisten der USA, der EU und der Schweiz aufgeführt. Die Schweiz beteiligt sich seit 1990 an nichtmilitärischen Sanktionen der Uno, seit dem Uno-Beitritt der Schweiz im September 2002 sind diese Sanktionen völkerrechtlich verbindlich geworden. Warum kann Transocean als Schweizer Firma dennoch Geschäfte mit Unternehmen machen, die von Personen kontrolliert werden, die auf der Sanktionsliste stehen?

Thomas Graf, zuständiger Mitarbeiter beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), erklärt, dass zwar die Familienmitglieder des Law-Clans gelistet seien und auch das Firmenkonglomerat Asia World, nicht aber CNOOC und Golden Aaron, die mit Transocean an der burmesischen Küste nach Erdgas bohrten. Warum wird Laws Familie aufgeführt, nicht aber deren Firmen? Thomas Graf vom Seco: «Die EU ist der wichtigste Handelspartner der Schweiz, weshalb sich unsere Sanktionen an jenen der EU orientieren. Die Schweiz vollzieht keine unilateralen Sanktionen, sie könnten sehr leicht umgangen werden. Unsere Sanktionsliste folgt derjenigen der EU.»

Graf verweist an die EU, da die Liste von ihr erstellt wurde. Dort gibt man sich allerdings zurückhaltend. Auf Anfrage der WOZ heisst es lediglich, man habe zum fraglichen Zeitpunkt Golden Aaron nicht auf die Sanktionsliste gesetzt, weil die Firma in Singapur beheimatet sei – ungeachtet der Tatsache, dass sie von einer burmesischen Familie kontrolliert wird.

Washington DC, USA

Ein brisantes Detail birgt eine Meldung der US-Behörden im Februar 2008: Damals nahm das Office of Foreign Assets Control (Ofac) Steven Law, seine Frau und seinen Vater auf die Sanktionsliste. Die Begründung des Ofac: «Sofern die burmesische Militärjunta nicht aufhört, das Volk gewaltsam zu unterdrücken, werden wir weiter Leute wie Steven Law angreifen, weil sie das Regime unterstützen und über Korruption davon profitieren.» Im Gegensatz zur Schweiz und zur EU führen die USA seither zehn Firmen des Law-Clans auf der Sanktionsliste, die in Singapur ansässig sind. Unter anderem die von Laws Frau kontrollierte Golden Aaron, die mit dem chinesischen Staatskonzern CNOOC die Transocean-Plattform mietete.

Hat Transocean also US-Sanktionsmassnahmen verletzt, als sie an der Westküste Burmas nach Erdgas bohrte? Die Firma bestreitet das, will sich jedoch nicht ausführlich dazu äussern. Sie lässt nur verlauten, dass sie derzeit an keinen Geschäften in Burma beteiligt sei.

Im Dezember 2008 hatte Transocean angekündigt, den Unternehmenssitz von den Cayman-Inseln in die Schweiz zu verlegen. Die Erklärung erfolgte am Tag nach der Wahl von Barack Obama. Gegenüber InvestorInnen begründete Transocean die Sitzverlegung mit steuertechnischen Überlegungen. Das Unternehmen befürchtete, dass die Wahl Obamas mit Angriffen auf Steuerparadiese wie die Cayman-Inseln einhergehen würde. Die Schweiz hielt man – die Episode ereignete sich vor dem Fall des Bankgeheimnisses – für einen sicheren Hafen. Man glaubte, in der Schweiz «das Steuerrisiko angesichts möglicher Gesetzesänderungen substanziell verringern» zu können. Bereits 1999 hatte Transocean den Sitz aus dem US-Steuerparadies Delaware auf die Cayman-Inseln verlegt und zwischen 2002 und 2009 bei einem Gewinn von dreizehn Milliarden rund zwei Milliarden Franken an Steuern gespart.

Wusste Transocean bei der Sitzverlegung auch um den Vorteil lascherer Sanktionen in der Schweiz? War dies neben den steuertechnischen Überlegungen mit ein Grund für den Umzug nach Steinhausen?

Gerade der Kanton Zug hatte ab den sechziger Jahren davon profitiert, dass die Schweiz nicht Uno-Mitglied war und somit verschiedene Wirtschaftssanktionen nicht mittrug. Damals zog unter anderem die Rohstoffhandelsfirma Philipp Brothers nach Zug, bei der auch Marc Rich arbeitete, der bekannte und umstrittene Ölkönig, der später das Glencore-Imperium gründete und Zug zu einem der wichtigsten Rohstoffhandelsplätze machte. Die Wirtschaftsförderung in Zug, die Unternehmen berät, die sich in der Innerschweiz ansiedeln möchten, bestreitet zwar, dass die Uno-Nichtmitgliedschaft eine entscheidende Rolle für die Standortentwicklung spielte. Andreas Missbach von der entwicklungspolitischen Organisation Erklärung von Bern allerdings sagt: «Die Nichtmitgliedschaft der Schweiz bei der Uno war elementar für die Wirtschaftsförderung. Es gab Kräfte, die wollten aus Neutralitätsüberlegungen nicht in die Uno, aber es gab auch die anderen, die handfeste Interessen hatten, nicht der Uno beizutreten, weil dies ganz neue Geschäftsfelder eröffnete.»

Transocean will sich dazu nicht äussern. Die US-Behörden ermitteln derweil gegen die Firma wegen der zweifelhaften Geschäfte in Burma. Dabei ist nicht klar, ob das überhaupt in den Zuständigkeitsbereich der USA fällt. Zumal die Bohrungen zu einem Zeitpunkt stattfanden, als Transocean bereits in Steinhausen ansässig war. Das Seco erklärt, dass Transocean nicht gegen Schweizer Gesetz verstossen habe, weil Golden Aaron nicht auf der Sanktionsliste stehe.

Und doch könnte Transocean weiteres Ungemach drohen. In den USA fanden in den letzten Wochen verschiedene Anhörungen zu Steuervermeidungstricks statt. Dabei wurde unter anderem die Frage diskutiert, ob die Gründung von Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen wie der Schweiz nach US-Recht überhaupt legal sei, und wie man die Steuerflucht bekämpfen kann. Folgt also, nach dem Fall UBS, bald der nächste Steuerstreit mit den USA? Andreas Missbach von der Erklärung von Bern glaubt zwar nicht, dass gleich ein neues Gesetz ansteht: «Aber offenbar versucht man Druck zu machen. Das Thema steckt auf jeden Fall in der Pipeline.»


Zweifelhafte Geschäfte

Die Tiefseebohrfirma Transocean hat möglicherweise in verschiedenen Ländern gegen Gesetze verstossen. Dies berichtete die «New York Times» am 7. Juli. Neben den Bohrungen in Burma (vgl. Haupttext oben) soll Transocean Geschäfte in Syrien und im Iran gemacht haben. Damit hat der Ölkonzern gegen Embargomassnahmen der USA verstossen.

In Norwegen laufen ausserdem Ermittlungen gegen Transocean, weil die Firma eine Bohrplattform in britische Gewässer transportiert haben soll, um sie dort verkaufen und so norwegische Steuern vermeiden zu können. Auch die brasilianischen Behörden ermitteln laut «New York Times» gegen das im Kanton Zug ansässige Unternehmen.