Medientagebuch: Weniger kann mehr sein

Nr. 48 –


Weniger Krawall bedeutet weniger ZuschauerInnen. So einfach die Gleichung auf den ersten Blick erscheinen mag, so folgenreich sind ihre Konsequenzen, wenn es um die Neupositionierung einer Fernsehsendung geht. Damit sieht man sich derzeit beim Schweizer Fernsehen konfrontiert. Die «Arena» will ab kommendem Jahr «sachlicher» werden. Weniger der Schlagabtausch zwischen Alphatieren aus dem Politzirkus soll den Reiz der Diskussionssendung ausmachen als die Analyse aktueller Sachfragen: weg von den Personen, hin zu den Inhalten. Auch bei der Moderation: kein einzelner Dompteur mehr, sondern im Wochentakt abwechselnd ein Mann und eine Frau. Für den aktuellen Moderator der Sendung, Reto Brennwald, hat es in diesem Konzept keinen Platz mehr. Er verlässt deshalb die «Arena», wie letzte Woche bekannt wurde.

Alles deutet darauf hin, dass das Schweizer Fernsehen in diesem Fall vom reinen Quotendenken Abstand nehmen will und bereit ist, zum Preis eines Zuschauerverlusts auf Spektakel um des Spektakels willen zu verzichten. «Mehr Relevanz und weniger Schlagabtausch», forderte Rudolf Matter, Direktor von Schweizer Radio und Fernsehen. Das sei auch im Hinblick auf das Wahljahr 2011 wichtig, sagte er weiter in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Wenn da die Quote leicht sinkt, können wir das verkraften.» Schliesslich fragt Matter rhetorisch: «Wofür bekommen wir Empfangsgebühren?» Und die Antwort, die Matter selbst nicht gab, lautet: zur Erfüllung eines Leistungsauftrags, der sich auf Service public reimt, und nicht für Zunder zum Befeuern der Quotenbolzerei. Auch wenn man bei SF betont, die Neukonzipierung der «Arena» erfolge unabhängig von den geäusserten Erwartungen des Direktors, so ist nicht zu übersehen, dass sie ihnen Rechnung trägt.

Dass die geplanten Änderungen bei der SVP nicht gut ankommen, überrascht nicht weiter. War es doch gerade sie, die vom bisherigen, auf Konfrontation angelegten Konzept am meisten profitieren konnte. SVP-Präsident Toni Brunner befürchtet nun eine «Arena» im Stil von «Sternstunde Philosophie», was doch einiges über das Debattierverständnis von Brunner und seiner Partei verrät. Lieber kämpfen sie auf Sieg und Niederlage im Ring, beim aktuellen «Arena»-Konzept symbolisiert durch die runden Stehpulte im inneren Diskussionskreis, als dass sie sich gemeinsam mit dem politischen Gegner an einen Tisch setzen.

Eine Sendung ist nie fertig entwickelt, auch die «Arena» nicht. Mit dem aktuellen Umbau kann das Schweizer Fernsehen dazu beitragen, die Polarisierung der Bundespolitik wenn auch nicht nachhaltig zu entschärfen, so doch für jene viel beachtete Zeit am Freitagabend in Bahnen zu lenken, die der konsensorientierten Tradition der schweizerischen Politik besser entsprechen als der laute Krawall. Damit sind freilich noch längst nicht alle Probleme gelöst, die eine Sendung wie die «Arena» im Speziellen und das Fernsehen im Allgemeinen begleiten. So etwa die Überalterung des Publikums. 55 Jahre alt ist die durchschnittliche «Arena»-Zuschauerin. Wie ein jüngeres Publikum für die Politsendung gewonnen werden könnte, davon war im bisher bekannt Gewordenen zum neuen Konzept nichts zu vernehmen. Alle Schwächen auf einmal zu beheben, wäre etwas viel verlangt von einem zur Trägheit neigenden Grossunternehmen, wie das Fernsehen eines ist. Die Neugestaltung der «Arena» ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Nick Lüthi ist Medienjournalist in Bern.