Fumoir: Von Medien und Monstern

Nr. 51 –


Wie viel befriedigender als sinnlose Vorsätze zu fassen ist es doch, Ende Jahr Zensuren zu verteilen. Nachdem uns die Medien ein Jahr lang aus ihren schicken Newsrooms, diesen «Alarmzentralen einer Panikgesellschaft» (WOZ-Kollege Kaspar Surber), lauter heisse Schlagzeilen über urchige Schwinger, bigamistische Wettermoderatoren und kriminelle Ausländer um die Ohren schlugen, hat eine Jury der Branchenzeitung «Schweizer Journalist» letzte Woche gewählt: «Journalist des Jahres» wurden Michèle Binswanger und Nicole Althaus, zwei patente Frauen, die auf einem Blog über ihre kleinen und grösseren Mamasorgen schreiben.

Dass bei derselben Wahl WOZ-Redaktionsleiterin Susan Boos Chefredaktorin des Jahres wurde, hinterlässt bei der WOZ nebst Freude auch etwas zwiespältige Gefühle, rühmt sich das Kollektiv doch einer cheflosen Basisdemokratie. Als etwas Gleichere unter Gleichen hat sie die Auszeichnung jedoch mehr als verdient, ist es doch viel schwieriger, als jederzeit abwählbare Nichtchefin eine anarchisch statt hierarchisch organisierte Redaktion zu leiten.

Nicht in die Ränge kam Annina «blasen Sie mal» Frey, obschon sie immerhin drei Tage lang in den Schlagzeilen war, weil sie beweisen wollte, dass sogar «glanz & gloria»-Moderatorinnen Menschen aus Fleisch und Blut sind (mit ein bisschen Alkohol drin).

Verdientermassen nicht zum Zug kam Max Frenkel. Dieser pensionierte NZZ-Redaktor und Numismatiker scheint sich dem Niveau seines neuen Brötchengebers anzupassen: Leider verdient er sich sein Gnadenbrot als Kolumnist bei der «Basler Zeitung». Gäbe es eine Kategorie «Gehässiger Unjournalist des Jahres», Frenkel hätte mit Abstand gewonnen. Tja, den BaslerInnen und ihrer Monopolzeitung blieb heuer wirklich keine Prüfung erspart.

Unmoderator des Jahres ist zweifellos Reto «Kieferkante» Brennwald, der es als willfähriger «Arena»-Dompteur wie kein Zweiter geschafft hat, das Primitive im SVP-Mann fernsehgerecht aufzubereiten und das Testosteron von den Bildschirmen tropfen zu lassen.

Bedauernswertester ewiggestriger Sesselkleber ist Bernhard Russi als Ko-Moderator bei Skirennen. Obschon omnipräsent als Werbeträger für Brillen, ist er blinder als eine Fledermaus und quengelt Rennen für Rennen mit depressiver Stimme über die schlechte Kurventechnik der Schweizer FahrerInnen, während diese gerade Bestzeit aufstellen.

Und wer hat für die geilsten Schlagzeilen gesorgt? Sieger ist wieder einmal das Stehaufmännchen Silvio «Bunga Bunga» Berlusconi, der sich jetzt eine Lebensverlängerungsklinik bauen lässt, weil er es nicht ertragen könnte, wenn sich die ItalienerInnen künftig von einem anderen bescheissen liessen.

Eine Jury des Wirtschaftsblatts «Bilanz» hat lauter toughe Kerle zur «Elite der Macht» gekürt. Obschon ArbeitsexpertInnen behaupten, in einer globalisierten, kommunikationsbasierten Welt seien physische Stärke, Führungswille und Machogehabe überholt und weibliche Stärken gefragt, figurieren Frauen nicht unter den fünfzig mächtigsten Wirtschaftsführern (Josef Ackermann, Peter Brabeck, Philipp Hildebrand auf den Rängen 1 bis 3). Kein Wunder, sieht die Welt aus, wie sie aussieht.

Rechtzeitig auf Weihnachten hin hat sich als Mutter des Jahres die Aargauerin Dominique C. aus Oberlunkhofen im «Blick» geoutet, die wie einst Maria in ein fernes Land pilgern musste, um zu gebären. Weil der Weg sehr weit war und es deshalb sehr spät wurde, bis sie endlich in Russland ankam – Dominique war unterdessen 64-jährig geworden –, brauchte auch sie ein kleines Wunder in Form eines gespendeten Eis. Ob ihr Töchterchen dereinst Religionsgründerin wird, steht noch in den Sternen.

Ruth Wysseier ist WOZ-Redaktorin und Winzerin.