Biobaumwolle: Faire Kleider und der Schweinezyklus

Nr. 7 –

Seit Jahren engagiert sich die Entwicklungsorganisation Helvetas für fair gehandelte Biobaumwolle. Am vergangenen Freitag ist sie dafür mit dem Nachhaltigkeitspreis Prix Nature Swisscanto ausgezeichnet worden.


Im Moment läuft das Geschäft vorzüglich: Der Baumwollpreis bewegt sich auf einem Rekordhoch, 190 Cent werden heute auf dem Weltmarkt für ein Pound (knapp ein halbes Kilo) bezahlt. Als Tobias Meier von Helvetas Ende der neunziger Jahre die ersten Projekte im Süden ins Leben rief, strebte er einen Poundpreis von 120 Cent an – für fair gehandelte Biobaumwolle. Die traditionellen Baumwollhändler fanden, der Preis sei viel zu hoch und nicht marktgerecht. Noch im Sommer 2009 hatte man auf dem Weltmarkt für konventionelle Baumwolle nur 43 Cent pro Pound erhalten. Der Preis war wegen der Finanzkrise eingebrochen.

Attraktiv für kleine ProduzentInnen

Doch dann hob er zu einem Höhenflug an – auch, weil China wieder mehr Baumwolle orderte, worauf Indien den Baumwollexport unterband. Es kamen Unwetter hinzu, die die Ernten zerstörten, und der sogenannte Schweinezyklus entfaltete seine Wirkung: Wenn der Preis eines Gutes wie etwa von Schweinefleisch tief ist, hören viele auf, Schweine zu züchten. Darauf gibt es weniger Fleisch auf dem Markt, der Preis zieht an, viele beginnen wieder, Schweine zu halten. Doch weil die Aufzucht Zeit braucht, steigt das Angebot nicht sofort, die Preise steigen immer höher, was die Zucht noch attraktiver erscheinen lässt – wenn alle Ferkel gross sind, gibt es wieder zu viel Schweinefleisch auf dem Markt, und der Preis bricht erneut ein. Mit der Baumwolle läuft es ähnlich.

Vor zwanzig Jahren brachte Helvetas das erste Bio-T-Shirt auf den Markt (vgl. Text «Für immer die Menschen»). Tobias Meier arbeitet seit bald siebzehn Jahren bei Helvetas. Er ist Ökonom und für den Versandhandel sowie die Vermarktung der Biobaumwolle zuständig. Die erste Kooperation mit lokalen PartnerInnen baute Helvetas im westafrikanischen Mali auf. Die Bauern und vor allem die Bäuerinnen seien sehr interessiert gewesen. Denn Biobaumwolle ist für kleinere ProduzentInnen attraktiv: Anders als bei der konventionellen Produktion braucht der Bioanbau kein teures Saatgut und keine Pestizide, deren Kauf ein grosses Verschuldungsrisiko birgt. Auch Frauen – die selten über Geld verfügen – können ihre eigenen Felder bewirtschaften.

Helvetas konnte die Baumwolle aus Mali nicht wie gewollt beim Pionier Coop absetzen, weil Coop mit Remei in Indien bereits ein funktionierendes Bioprogramm gestartet hatte. Also wandte sich Meier an die Migros und den Kleiderhersteller Switcher. Beide waren bereit, je die Hälfte der Ernte in der Aufbauphase abzunehmen und bessere Preise zu zahlen. Auch das Staatssekretariat für Wirtschaft half mit, die Bioproduktion in Gang zu bringen. Angefangen hat Helvetas mit vierzig BäuerInnen, heute sind es allein in Mali 5000 bis 6000. In der letzten Ernte produzierten sie 800 Tonnen. Helvetas unterhält auch Projekte in Burkina Faso, Benin und Kirgistan – insgesamt profitieren rund 150 000 Leute davon, so Meier.

Bio vermarktbar, Fairtrade nicht

Zurzeit ist Baumwolle so begehrt, dass sich gar Regierungen einmischen. In Burkina Faso hat zum Beispiel die US-Botschaft interveniert, um einer US-Firma die Bioernte zuzuhalten – weshalb nun ein deutscher Kleiderhersteller, der auf Biobaumwolltextilien spezialisiert ist, Gefahr läuft, leer auszugehen, obwohl ihm ein Teil der Ernte bereits zugesichert war.

Heute bieten auch ganz Grosse wie der US-Grossverteiler Walmart, die Kleiderketten C&A und Hennes & Mauritz (H&M) Biobaumwolltextilien an. «Diese Firmen sind inzwischen weltweit die grössten Abnehmer für Biobaumwolle», sagt Meier. H&M setze den Preis seiner Biolinie etwas höher an als im konventionellen Segment, deshalb sei da der Preisdruck nicht so enorm. C&A sage aber klar, die Kleider dürften am Ende nicht mehr kosten als solche aus konventioneller Baumwolle. Meier würde es nie so deutlich sagen, aber es ist klar: Walmart oder C&A setzen auf Biobaumwolle, weil sich «bio» vermarkten lässt – Fairtrade interessiert sie nicht, und sie drücken voll auf den Preis.

Meier strebt ein neues Businesskonzept an: Er möchte eine vertikale Produktionslinie aufbauen, in der von den Bäuerinnen, Bauern und Spinnereien bis hin zu den KleiderproduzentInnen und den Verkaufsstellen alle durch langfristige Verträge miteinander verbunden sind – so wie es Coop mit Remei schon seit längerem erfolgreich macht. Das erlaube es, die Qualität zu verbessern und die Produktion langfristig zu fairen Bedingungen zu sichern. So würden am Ende alle profitieren, die Produktion wäre günstiger, und der Schweinezyklus verlöre an Macht.

www.bio-fair.ch

Wirtschaft zum Glück

Seit März 2009 stellt die WOZ in ihrer Serie «Wirtschaft zum Glück» unterschiedliche nachhaltige Produktions- und Eigentumsformen, neue Ideen für eine alternative
Ökonomie und ökologisch sinnvolle Projekte vor. Finanziert wird diese Serie aus einem Legat des früheren nachhaltigen Wirtschaftsverbandes (WIV).