Kommentar: Handeln in den Agglos

Nr. 7 –

Lieber drei lokale statt eine eidgenössische Volksinitiative.


Was machen Linke, Grüne und Frauen jetzt nach dieser sonntäglichen Abstimmungsniederlage?

Zuerst einmal genau hinschauen, was passiert ist. Ein paar Dinge sind klarer geworden oder endgültig klar: Werbekampagnen haben einen Effekt. Die Waffeninitiative ist nicht zuletzt wegen des massiven Plakateinsatzes kurz vor der Abstimmung gekippt worden. Deshalb die beharrliche Forderung: Offenlegung von Kampagnen- und Parteienfinanzierungen.

Dann die Meinungsumfragen. Sie haben einen Katalysatoreffekt, zumeist in umgekehrter Richtung. Der Politologe Michael Hermann hat sich kürzlich gegen die Kritik an seiner Smartspider-Methode verwahrt: Man solle das nicht allzu ernst nehmen. Vielleicht könnte er dann gerade den Beruf wechseln. Vielleicht sollte man die ganze Werbebranche verbieten. Womöglich würde man dafür, dank des antiurbanen Effekts, sogar eine Mehrheit finden.

Bestätigt hat sich auch, dass sich die Leute vor allem durch Emotionen ansprechen lassen. Das wird für eine linke Politik immer eine Gratwanderung bleiben: Emotionen anzusprechen, ohne die Vernunft preiszugeben.

Vor allem hat sich scheinbar der Stadt-Land-Gegensatz bestätigt. Das ist mittlerweile zu Recht differenziert worden: Die Agglomerationen dazwischen sind das entscheidende Kampffeld. Das zeigt sich nicht zuletzt am Gegensatz zwischen Deutschschweiz und Welschschweiz, wo die Agglomerationen eben gerade nicht das rechte Lager unterstützt haben.

Ja, die Agglomerationen sind das eigentliche Kernland der Schweiz geworden. Hier prallen die Widersprüche am deutlichsten aufeinander: zwischen den Verlockungen der Metropolen und den Erinnerungen an die ländliche Idylle, zwischen der Macht der neoliberalen Versprechungen und den sozialen Unsicherheiten durch die Globalisierung, zwischen dem schrankenlosen Konsum und der gesellschaftlichen Konformität.

Diese unheilige Trinität von Stadt-Agglomeration-Land wird vor allem anhand unterschiedlicher Symbole identifiziert. Das liegt auch nahe, wenn man den Erfolg der SVP mit ihrer Politik der Symbole sieht. Aber dieser Ansatz reicht nicht aus. Gerade in den Agglomerationen wirken neben Symbolen widersprüchliche soziale Interessen. Wohin tendiert ein Mitarbeiter des mittleren Kaders einer Versicherungsgesellschaft in Opfikon-Glattbrugg? Warum denkt er so, wie er denkt? Und warum stimmt er so? Vielleicht wäre eine kulturell angereicherte Klassenanalyse wieder einmal ganz hilfreich.

Was tun? Der Linken wird gegenwärtig hämisch oder kummervoll empfohlen, die Sorgen der Land- und Agglomerationsbevölkerung ernster zu nehmen. Die urbanen SP-VertreterInnen sollen also aufs Land hinausströmen und mit den Leuten argumentieren. Warum nicht – obwohl es einen maoistischen Anstrich hat.

Etwas anderes scheint mir erfolgversprechender. Das Abstimmungswochenende hat uns ja durchaus Krümel des Trostes hinterlassen: im Appenzell ein überraschend gutes Resultat für den SP-Kandidaten. Die Ablehnung der Steueramnestie in Genf und der «freien» Schulwahl in St. Gallen. Die Ablehnung eines Endlagers in Nidwalden hat vom Sankt-Florian-Prinzip profitiert, ist ökologisch dennoch erfreulich.

Auf solche Teilerfolge hinzuweisen, ist mehr als Pfeifen im finsteren Wald. Diese Resultate sind ein Fingerzeig, wie wichtig lokale und regionale Belange bleiben. Linke und Grüne sollten sich entsprechend umorientieren. Statt einer eidgenössischen Volksinitiative drei lokale lancieren. Die Strukturen und Aktivitäten in den nichturbanen Gebieten gezielt stärken und ausbauen. Wobei die Themen immer wieder überregional sein können und müssen.

«Global denken, lokal handeln» war mal ein Leitsatz. Er ist immer noch gültig.