Personenrätsel: Sozialistischer Republikaner

Nr. 14 –

Keine nationale Unabhängigkeit ohne sozialen Umsturz, kein Sozialismus ohne Befreiung vom Imperialismus – das war eines seiner wichtigsten Postulate gewesen, und für beides kämpfte er bis zum bitteren Ende. «Wenn wir morgen die britische Armee vertreiben und die grüne Fahne auf Dublin Castle hissen, ohne eine sozialistische Republik einzuführen», schrieb er einmal, «wird unser ganzer Kampf vergebens sein.» Dann nämlich werde England weiter regieren «durch seine Grundbesitzer, Kapitalisten und kommerziellen Handelsnetze». Dabei hatte der wohl grösste ArbeiterInnenführer der irischen Geschichte selber sieben Jahre in der britischen Armee gedient.

Aufgewachsen in einem irischen Slum der schottischen Stadt Edinburg, durfte der Sohn einer armen Familie (sein Vater und seine Grossväter waren Landarbeiter gewesen) nur bis zum Alter von zehn Jahren die Schule besuchen; er ging mit vierzehn zur Armee, war in Irland stationiert und engagierte sich nach seiner Rückkehr in sozialistischen Gruppierungen. Wieder auf der irischen Insel, gründete der Republikaner – republikanisch im Sinne der französischen Revolution – die Irish Socialist Republican Party und führte 1913, nach mehreren Jahren in den USA, die Transportarbeitergewerkschaft in den bedeutendsten Arbeitskampf der irischen Geschichte. Der grosse Streik endete zwar mit einer Niederlage, aber in der monatelangen Abwehrschlacht entstand eine Arbeitermiliz, mit der der überzeugte Marxist Irlands bürgerliche Nationalisten an Ostern 1916 zum Kampf gegen das britische Imperium bewegen konnte.

Wie heisst der Vater von fünf Kindern, der mit 47 Jahren an einen Stuhl gefesselt von den britischen Kolonialherren exekutiert wurde und nach dem ein Bahnhof in Dublin benannt ist?

Wir fragten nach James Connolly (1868–1916), auf den sich noch heute viele irische Linke berufen. Denn Connolly, der die antikoloniale Erhebung 1916 auch militärisch kommandierte, hatte recht behalten. Der Unabhängigkeitskrieg der IRA, mit ausgelöst durch die Empörung über die Hinrichtung des während des Osteraufstands schwer verletzten Aktivisten, führte 1922 nur zu einer begrenzten nationalen Souveränität. England und der Kapitalismus gaben weiterhin den Ton an. Mit einer seiner anderen Erkenntnisse tat sich freilich auch die irische Linke lange Zeit schwer: «Der Arbeiter ist der Sklave der kapitalistischen Gesellschaft», schrieb Connolly, «und die Arbeiterin ist die Sklavin dieses Sklaven.»