Die Folgen der Bankenpleite: Die Unschuld der IsländerInnen

Nr. 15 –


Nein, die IsländerInnen wollen nicht, dass die Schulden ihrer pleitegegangenen Privatbanken einfach vergesellschaftet werden. Zum zweiten Mal binnen einem Jahr lehnten sie am vergangenen Samstag in einem Referendum ein Abkommen über die Schuldenrückzahlungen ab, das ihre Regierung mit Britannien und den Niederlanden geschlossen und das Parlament auch gutgeheissen hatte.

Johanna Sigurdardottir, Ministerpräsidentin der isländischen rot-grünen Regierung, sprach vom «denkbar schlechtesten Ausgang». Sie hatte für ein Ja gekämpft, weil das die billigste Lösung für Island sei und ausserdem der beste Weg, um den wirtschaftlichen Wiederaufbau des Landes zu sichern. Doch damit konnte sie nur eine Minderheit von rund vierzig Prozent der IsländerInnen überzeugen.

Rückblick: Gleich in den ersten Stürmen der weltweiten Finanzkrise waren im Herbst 2008 die unkontrolliert gewachsenen und auf dem internationalen Markt mit teilweise hochriskanten Geschäften aktiven isländischen Grossbanken zusammengebrochen. Zur insolventen privaten Landsbanki gehörte die Onlinebank Icesave, die in Britannien und den Niederlanden mit hohen Zinsen SparerInnen gelockt hatte. Das Kleingedruckte in den Verträgen war eigentlich eindeutig: Für den Fall der Zahlungsunfähigkeit der Bank würde ein isländischer Bankengarantiefonds haften – aber nur bis zum Maximalbetrag von umgerechnet 26 000 Franken pro Konto. Das tat er auch. Und weil gleich alle drei isländischen Privatbanken gleichzeitig kippten und der Fonds sich als unzureichend erwies, musste die staatliche Bankengarantie einen Teil zuschiessen.

Doch die Unruhe im Bankensektor veranlasste seinerzeit viele Regierungen zu unbegrenzten Garantiezusagen für Spareinlagen. Auch London und Den Haag entschädigten die Icesave-KundInnen in vollem Umfang. Dieses Geld wollen sie nun aber von Reykjavik wieder haben: zusammen knapp fünf Milliarden Franken. Plus Zinsen. Wie viel davon aus der Konkursmasse der Bank gedeckt werden kann, ist unklar.

Ein erstes zwischen Island, Britannien und den Niederlanden ausgehandeltes Abkommen war im Dezember 2009 vom isländischen Parlament mit knapper Mehrheit abgesegnet, danach aber von Staatspräsident Olafur Grimsson gestoppt worden. Im folgenden Referendum lehnten es 93 Prozent der IsländerInnen ab. Auch gegen ein zweites im Februar verabschiedetes Abkommen, mit dem die Rückzahlungsfrist von fünfzehn auf dreissig Jahre verdoppelt und die Zinsen von 5,5 auf 3,2 Prozent gesenkt worden waren, legte Grimsson sein Veto ein.

Das zweite Referendum war von Warnungen an Island begleitet: Brüssel werde bei einem erneuten Nein einen isländischen EU-Beitritt verzögern oder ganz stoppen; sowohl der Internationale Währungsfonds wie die Europäische Investitionsbank könnten den Geldhahn für Kredite zudrehen; und ein Gerichtsverfahren werde vielleicht ein noch unvorteilhafteres Resultat haben als das zuletzt ausgehandelte Abkommen. «Es ist, als ob wir ein Verbrechen zugeben sollen mit der Aussicht, billiger wegzukommen, obwohl wir das Verbrechen nicht begangen haben», kritisierte der Schriftsteller Einar Mar Gudmundsson.

Wie wird es weitergehen? Neue Verhandlungen seien wohl sinnlos, sagte Finanzminister Steingrimur Sigfusson. Undenkbar ist dieser Weg allerdings nicht: Die Amtszeit von Staatspräsident Grimsson endet im kommenden Jahr, er tritt nicht zur Wiederwahl an. Regierung und Parlamentsmehrheit könnten auf einen «willigeren» Präsidenten spekulieren, der nicht wieder ein Veto einlegt.

Ansonsten bliebe London und Den Haag wohl nur der Weg vor den Efta-Gerichtshof. Dieses Gericht regelt Streitigkeiten zwischen Ländern des Europäischen Wirtschaftsraums, zu dem auch das Noch-Efta-Mitglied Island gehört. Mangels vergleichbarer Verfahren und aufgrund einer von JuristInnen als höchst unklar eingeschätzten Rechtslage gilt der Ausgang eines solchen Prozesses als völlig offen. «Vielleicht haben wir ja die Verpflichtung, diese Schulden zu bezahlen», sagt Sigmundur David Gunnlaugsson, Vorsitzender der oppositionellen isländischen Fortschrittspartei und ein Kritiker der Icesave-Abkommen: «Aber dann soll ein Gericht das entscheiden.»