Südafrika: Radikal, populär und suspendiert

Nr. 46 –

Grosse Teile der schwarzen Jugend Südafrikas sind ohne Perspektive. Ihr Idol ist ein ehemaliger Township-Junge mit radikalen Vorstellungen zur Umverteilung. Wegen parteischädigenden Verhaltens wurde er von seinem Amt als Präsident der Jugendliga des ANC entbunden.

«Ach, wie ich ihn hasse», sagt Sweety seufzend, eine ältere schwarze Kassiererin in einem der vielen Shoppingcenter in Tshwane, dem ehemaligen Pretoria. Verächtlich scannt sie die Tageszeitung mit dem Bild von Julius Malema auf der Titelseite, der vergangene Woche von seinem Amt als Präsident der Jugendliga von Südafrikas Regierungspartei Afrikanischer Nationalkongress (ANC) suspendiert wurde. «Schwarze und Weisse gehören doch beide nach Südafrika, oder?», sagt Sweety. Sie gehört zu jenen SüdafrikanerInnen, die nicht daran glauben, dass es dem Land ohne Weisse besser ginge.

Lob für Robert Mugabe

Seit Monaten richtet sich die mediale Aufmerksamkeit in Südafrika fast täglich auf Julius Malema, der lange als «zukünftiger Führer» des Landes bezeichnet wurde. Der Ziehsohn der Antiapartheidikone Winni Madikizela-Mandela brachte die Rassenfrage wieder in die Diskussion. Fast täglich drucken die Medien seine Forderungen nach Gerechtigkeit und Umverteilung, wie etwa die der Nationalisierung der Minen und Banken, oder senden seine Verbalattacken. Immer wieder beschimpft Malema die weisse Wirtschaftselite als «Kriminelle». 2010 reiste er zu Simbabwes Präsident Robert Mugabe und pries dessen Politik der Landenteignungen von Weissen als wegweisend. Doch als er trotz Verwarnung durch den ANC weiter bei seinen Auftritten das verbotene Antiapartheidkampflied «Shoot the Boer» (Erschiess den Buren) sang, hatten die Parteioberen genug. Malema musste sich wegen seiner Hetzreden vor einem Disziplinarausschuss rechtfertigen.

Das Verfahren wurde mehrere Male verschoben. Als Malema im August in Johannesburg befragt wurde, randalierten dort Tausende seiner AnhängerInnen. Ihre Wut richtete sich gegen Polizisten und Journalistinnen, aber vor allem gegen den Staatspräsidenten und ANC-Vorsitzenden Jacob Zuma. Am 10. November wurde Malema in erster Instanz wegen parteischädigenden Verhaltens für fünf Jahre von seinem Posten als Präsident der ANC-Jugendliga (ANCYL) suspendiert. Dieses Urteil birgt viel Zündstoff für die Zusammenarbeit des ANC mit seinen rund 350 000 Jungmitgliedern.

Der 1981 geborene Julius «Juju» Malema wuchs ohne Vater im Armenviertel von Seshego auf, einer Stadt in der armen, aber rohstoffreichen Provinz Limpopo. Früh schon suchte er die Nähe zu seinen ANC-Vorbildern und war aktiv im StudentInnenkongress und in der ANC-Jugendliga. 2008 wurde er zu deren Präsident gewählt. Das «Forbes Magazine» nannte ihn einen der «zehn einflussreichsten jungen Männer Afrikas».

Seine Popularität verdankt Malema jedoch nicht nur seinen umstrittenen Äusserungen, sondern auch dem desolaten Zustand der Wirtschaft und der Ungleichverteilung zwischen Schwarz und Weiss. So befindet sich siebzehn Jahre nach Ende der Apartheid und der ANC-Machtübernahme noch immer ein Grossteil der Wirtschaft und des Grundbesitzes in den Händen der Weissen, noch immer leben rund 45 Prozent der fünfzig Millionen SüdafrikanerInnen von weniger als zwei Dollar am Tag. Die meisten von ihnen sind Schwarze.

Eine Villa mit Bunker

Die geplante Landreform, bei der bis 2014 dreissig Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche an Schwarze übergeben werden sollte, wurde auf 2025 verschoben. Die Programme «Affirmative Action» und «Black Economic Empowerment», die schwarze Beschäftigte gezielt fördern und die Industrie in den Besitz von Schwarzen überführen sollten, haben nur wenige – dem ANC nahestehende Personen – reich gemacht. Die schwarze Bevölkerungsmehrheit hat von diesen Massnahmen nicht profitiert. Die erhofften Veränderungen der Sozialstrukturen blieben aus. Mehr als die Hälfte der schwarzen SüdafrikanerInnen unter 25 Jahren sind arbeitslos.

Wenig überrascht es daher, dass Malema die Jugendlichen zu begeistern vermag. Er spricht ihre Sprache, greift brennende Themen auf und fordert Gerechtigkeit für die kommenden Generationen. Seine AnhängerInnen scheint es nicht zu stören, dass sich Malema derweil in Sandton, einem Vorort von Johannesburg, eine Villa mit Bunker und Helikopterlandeplatz bauen lässt – für umgerechnet 1,8 Millionen Franken. Bei einem offiziellen Monatsgehalt von 4500 Franken werfen auch sein Hang zu teuren Uhren und Kleidern sowie sein Flair für luxuriöse Autos viele Fragen auf – genauso wie seine Beteiligungen an verschiedenen Liegenschaften und an einer Farm in Limpopo. Es wird vermutet, dass Malema in seiner Heimatprovinz bei der Vermittlung von öffentlichen Aufträgen seine Beziehungen spielen liess und dafür Geld erhielt.

Trotz dieser Ungereimtheiten und seiner temporären Suspendierung wird Malema weiter eine wichtige Stimme in Südafrika bleiben. Noch immer ist er eine Identifikationsfigur für Millionen von Enttäuschten und Zukurzgekommenen. Oder wie es der südafrikanische Autor Max du Preez beschrieb: «Malema sagt den Weissen im Fernsehen ‹fuck you›, obwohl er aus einer Township kommt. Das möchten viele andere Schwarze auch, können es aber nicht.»