Fumoir: Schweizer Qualität

Nr. 8 –

Yusuf Yesilöz über «Füdli» und andere touristische Attraktionen

Ich hatte kürzlich die undankbare Aufgabe, einer Reisegruppe den Slogan einer rechten Schweizer Partei zu erklären. So war es dazu gekommen: Nach langer Zeit habe ich wieder einmal einen Landsmann besucht, der in einem touristischen Ort in den Berner Bergen ein Restaurant führt. Wir haben in seiner Nachmittagspause reichlich über die Luft und das Wasser unserer weit entfernten Heimat geredet und auch die Köstlichkeiten genossen.

Später auf dem Weg zum Bahnhof wurde ich von einer Touristengruppe aus Asien angehalten mit der Bitte, sie vor einem Plakat zu fotografieren. Da alle auf dem Foto sein sollten, brauchten sie jemanden, der es schiesst. «Natürlich mache ich das gerne!», sagte ich auf Englisch, mit überwiegendem kurdischem Akzent, und sie nahmen lächelnd Position vor dem grossen Plakat, auf dem unter einem freundlichen Sünneli in fetter Schrift folgender Slogan stand: «SVP – Schweizer Qualität».

Bevor ich abdrückte, wollte eine Frau, die Älteste in der Gruppe von dreizehn Personen, plötzlich wissen, was dieser Spruch bedeute, ob das Plakat etwa für eine touristische Attraktion werbe. Ich sagte leise, dass dies nur ein Wahlslogan der grössten Partei des Landes sei. Ob ich noch etwas über diese Partei wisse, war die nächste Frage. Da ich kurz vorher mit meinem Landsmann über die vielen traurigen Verhaftungen kurdischer PolitikerInnen in der Türkei gesprochen hatte, hatte ich plötzlich ein Blackout, was diese banale Information über die Schweiz betraf.

Ich fragte, ob einer aus der Gruppe ein iPhone habe, ich könne in Kürze auf Google etwas Aussagekräftiges über diese Partei herausfinden. Alle dreizehn AsiatInnen zogen ein iPhone hervor, so schnell und geübt, wie eine Soldatengruppe ihre Bajonette zückt. Die Reiseleiterin und ich surften gemeinsam.

Wir beschränkten unsere Suche im Internet auf die Zeitungen jenes Tages. Es erschienen zahlreiche Artikel über diese Partei, und was die Schweizer Qualität à la SVP angeht, wurden wir sehr schnell fündig. Dabei wog die Absurdität schwer, vieles war mit gesundem Menschenverstand kaum zu erklären.

Eine junge blonde Nationalrätin beispielsweise bezeichnete männliche Politiker ihrer Partei, die sie nicht ins Parteipräsidium wählen wollten, als «Männer ohne Füdli». Ich übersetzte den Satz für die Reiseleiterin, und sie wiederum übersetzte in die Sprache der Gruppe, worauf die fünf Männer mit ihrer rechten Hand ihre Hintern abtasteten. Die Frauen lachten schallend. Verstanden hat es aber keiner. Ich war mit dem Übersetzen überfordert und versuchte in meiner Not, diesen verflixten Sachverhalt mit einem Spruch aus meiner Sprache zu erklären: «Man hat der Maus, hier die junge Politikerin, reichlich Schnaps gegeben, und diese hat einen riesigen Kater herausgefordert.» Das verstanden die TouristInnen jedoch auch nicht.

Ich hatte unterdessen meinen Zug verpasst. Die Gruppenleiterin besprach sich mit ihren Leuten. Sie entschieden, sich vor einem anderen Hintergrund fotografieren zu lassen. Sie hatten nicht genug Zeit dafür, dass ich ihnen andere Qualitäten dieses Landes zeigte, von denen es durchaus welche gäbe. Sie hatten es eilig, in das nächste Land zu kommen.

Ganz in der Nähe entdeckten wir eine Tankstelle, deren Besitzerfirma kürzlich von Aserbeidschanern übernommen worden war. Die Gruppe rannte – wie die Küken – hinter der Reiseleiterin hin. Eine farbige Tanksäule im Hintergrund, lächelten alle glücklich in die Kamera. Sie riefen im Chor: «Take a picture of best quality!»

Yusuf Yesilöz ist Schriftsteller und
lebt in Winterthur, seine jüngsten Bücher erschienen im Limmat-Verlag.