Kultour

Nr. 11 –

Konzert

Couper Decaler électronique

Couper Decaler nennt sich eine der wichtigsten Spielarten zeitgenössischer Popmusik des frankofonen Afrikas. Douk Saga (1975–2006), Lino Versace und andere Mitglieder des selbst ernannten Jetsets haben 2003 den spektakulären Auftrittsstil in der ivorischen Diaspora in Paris kreiert, der innerhalb kürzester Zeit die Musiklandschaft der Elfenbeinküste revolutionierte.

Ein Couper-Decaler-Song wird in wenigen Stunden aufgenommen: Die Sänger improvisieren über einen festgelegten Grundbeat, der Arrangeur erfindet anschliessend die Songstruktur. Animation und Atalakou sind eine Spezialität der ivorischen DJs – Atalakou bedeutet, einen Lobgesang zu kreieren. Alle ZuhörerInnen können in den Studios von Abidjan einen eigenen Song bekommen; wer nicht singen kann, nimmt sich GastsängerInnen, die Lautkombinationen, Textfetzen oder Namenslisten der Song-Sponsoren singen.

Die Initiative dafür, Couper-Decaler-MusikerInnen mit in Deutschland ansässigen MusikerInnen wie Melissa Logan, Ted Gaier oder Carsten «Erobique» Meyer zusammenzubringen, ging von der Gruppe Gintersdorfer/Klassen aus, die seit 2005 in Tanz-, Performance- und Theaterinszenierungen Phänomene aus der Côte d’Ivoire untersucht. 2010 hat sich die Zusammenarbeit auf die Produktion von Songs ausgedehnt. Sie handeln vom politischen Konflikt, der die Elfenbeinküste im Frühjahr 2011 in den Bürgerkrieg trieb.
Adrian Riklin

Couper Decaler électronique in: Zürich Perla-Mode, Sa, 17. März, 23 Uhr. www.perla-mode.net

Matana Roberts

Die afroamerikanische Saxofonistin Matana Roberts thematisiert in ihren «Coin Coin»-Projekten ihre eigene Geschichte (siehe WOZ Nr. 7/11) und die Spuren, die ihre VorfahrInnen im 18. und 19. Jahrhundert im Süden der USA hinterlassen haben. Den Fokus legt Roberts in ihrem zwölfteiligen Zyklus auf die Geschichte der Frauen in ihrer Familie. «Coin Coin» ist eine Musik gewordene Hommage an Marie Thérèze «Coincoin» Metoyer, die im Süden Louisianas lebte und sich im 19. Jahrhundert von ihrem Sklavinnendasein befreien konnte.

In «Gens de Couleur Libre», das Roberts im Februar 2011 in der Zürcher Roten Fabrik auf die Bühne brachte, setzte sie sich mit ihren AhnInnen und der Musik im französischsprachigen Louisiana auseinander. «Chapter 2: Mississippi Moonchile» spielt im frühen 20. Jahrhundert. Afroamerikanische Familien entfliehen dem harten Leben in den Baumwollgebieten des Südens und suchen im Norden nach einem besseren. Mit dem Opernsänger Jeremiah Abiah, dem Trompeter Jason Palmer, der Pianistin Shoko Nagai, dem Bassisten Thomson Kneeland und dem Schlagzeuger Tomas Fujiwara stehen Roberts für «Mississippi Moonchile» MusikerInnen aus der ganzen Welt zur Seite.
Fredi Bosshard

Matana Roberts: Coin Coin «Mississippi Moonchile» in: Zürich Rote Fabrik, Do, 22. März, 20.30 Uhr. www.rotefabrik.ch

Lesung

Jehoschua Kenaz

Jehoschua Kenaz (geb. 1937 in Petach Tikwa) ist einer der bekanntesten Schriftsteller Israels und ein prominenter Kritiker der israelischen Besatzungspolitik. In deutscher Sprache liegen unter anderem seine Romane «Nach den Feiertagen», «Hinter der Wand» sowie «Landschaft mit drei Bäumen» vor.

Im Zürcher Literaturhaus liest Kenaz auf Einladung von Omanut, dem Verein zur Förderung jüdischer Kunst in der Schweiz, aus seinem Erzählband «Die Nachmittagsvorstellung», der dieser Tage auf Deutsch erschienen ist. Darin berichtet der Autor in neun Erzählungen vom Alltag von Menschen in Israel. Seine Texte sind von grosser Eindringlichkeit und erfüllt von Zärtlichkeit für ihre ProtagonistInnen. So etwa «Zimmer Nummer 10», worin ein Sohn seinen alternden Vater zu einer Untersuchung ins Krankenhaus begleitet. In Details wie dem Binden der Schnürsenkel oder dem Parkiermanöver des Vaters lässt Kenaz die Beziehung zwischen diesen zwei Menschen Gestalt annehmen.
Adrian Riklin

Jehoschua Kenaz in: Zürich Literaturhaus, 
Di, 20. März, 20 Uhr. www.literaturhaus.ch

Theater

Bildbeschreibung

«Man stelle sich vor: Alles, was geschieht, geschehen ist und geschehen wird, sei festgefroren in einem einzigen Augenblick», schreibt Renata Burckhardt, die Regisseurin von Heiner Müllers 1929–1995) «Bildbeschreibung» (1984): «Ein Weinglas fällt vom Tisch, zerbricht und setzt sich gleichzeitig wieder zusammen. Eine Frau wird erwürgt und taucht gleichzeitig wieder auf, ein Mann schläft mit der Frau und tritt gleichzeitig aus dem Haus, um zur Arbeit zu schreiten. Lebende sind schon tot, Tote wieder lebend.»

Müllers «Beschreibung» einer Bilderlandschaft findet auf mehreren Ebenen statt – durch die Komposition von Text, Sound, Bildern und Schauspielerin entsteht für die ZuschauerInnen und ZuhörerInnen ein Raum für die vielfältigen Welten, die Müller aufwirft. Burckhardt und das Theater Marie bringen Müllers «Bildbeschreibung» auf die Bühne – als musikalische Wortperformance mit der Schauspielerin Miriam Japp als Solistin).
Adrian Riklin

«Bildbeschreibung» in: Aarau Theater Tuchlaube, Di, 20. März, 20.15 Uhr, Do, 22. März, 20.15 Uhr. Einführung jeweils 20 Uhr in der Theaterbar.
www.tuchlaube.ch

Film

Filmfestival Schaffhausen

Der Auftakt ist der Jugend gewidmet: Das Filmfestival Schaffhausen eröffnet mit einem Jugendkurzfilmwettbewerb. Junge FilmerInnen präsentieren hier ihre Erstlinge, hoffen auf Anerkennung und vielleicht sogar einen Preis. Der letztjährige Gewinner war Saladin Dellers mit seinem Film «Ich?».

Weiter geht es mit der Vorpremiere von Jeff Nichols’ «Take Shelter», ein Drama über eine Familie in Ohio. Samantha und Curtis führen ein glückliches Leben mit ihrer gehörlosen Tochter Hannah, bis Curtis – von schrecklichen Albträumen heimgesucht – wie besessen einen Sturm-Schutz-Bunker im Hinterhof zu bauen beginnt. Zu sehen in Schaffhausen sind ausserdem der Dokumentarfilm «Wir Kinder vom Napf» der Schweizer Regisseurin Alice Schmid, das soeben mit einem Oscar ausgezeichnete iranische Drama «A Separation» von Asghar Farhadi oder «Atmen» des österreichischen Schauspielers und Regisseurs Karl Markovics.

Für solche, die es gruselig mögen, gibt es dieses Jahr im Tap Tab eine Splatter-Movie-Night mit der rabenschwarzen Komödie «Kill Me Please» von Olias Barco und «The Texas Chain Saw Massacre» von Tobe Hooper.
Silvia Süess

16. Filmfestival Schaffhausen in: Schaffhausen Kammgarn, Mi, 21., bis So, 25. März. 
www.filmfestivalschaffhausen.ch

Filme gegen Rassismus

Er ist kein Aktivist und kein Weltverbesserer: Eine zufällige Begegnung macht den Schuhputzer Marcel Marx zu einem Flüchtlingshelfer. Aki Kaurismäkis Film «Le Havre» erzählt in wunderschönen Bildern die Geschichte eines einfachen Mannes mit gutem Herzen: Als ihm der Flüchtlingsjunge Idrissa über den Weg läuft, kann er nicht anders, als dem Kind zu helfen – aus reiner Menschlichkeit.

Das Kino in der Reitschule zeigt Kaurismäkis Film im Rahmen der Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus, in der auch Referate, Theatervorstellungen, Konzerte und Podiumsdiskussionen stattfinden. Zu sehen ist auch Markus Imhoofs Drama «Das Boot ist voll» (1980), das auf dem gleichnamigen Buch des Schweizer Schriftstellers Alfred A. Häsler basiert. Sechs Flüchtlinge schaffen 1942 die Einreise in die Schweiz, doch hier sind sie alles andere als willkommen … Weitere Filme zum Thema zeigen das Kino Kunstmuseum mit «White Material» (2009) von Claire Denis und dem französischen Animationsfilm «Le chat du rabbin» (2011) von Joann Sfar und Antoine Delesvaux sowie das Kino Cinématte und das Kino Lichtspiel mit diversen Kurzfilmen.
Silvia Süess

Aktionswoche der Stadt Bern gegen Rassismus in: Bern, Mi, 21., bis Mi, 28. März. Filme gegen Rassismus: Fr, 23., bis So, 25. März. 
www.bern.ch/integration