Bank Wegelin: Ein Gottesdienst mit Hummler

Nr. 12 –

Privatbanker Konrad Hummler redete gern und viel über Gott und die Welt. Als seine Bank zusammenkrachte, schwieg er. Jetzt redet er wieder – über Geld und Konrad Hummler.

Konrad Hummler ist ein «gmögiger» Schwerreicher. Andere seiner Kaste verlassen am Morgen die Tiefgarage im ausserrhodischen Teufen und verschwinden dort nach der Arbeit am Abend wieder. Nicht so der Mann aus dem St. Galler FDP-Adel. Der rundliche Banker ist ein Mann zum Anfassen. Er bewohnt eine unscheinbare Villa an einer viel befahrenen Ausfallstrasse. Er fährt mit dem Velo zur Post, er nimmt am Dorfleben teil, er fördert die Kultur. Das sagt einer aus dem Dorf. Man könne ihn beim Wandern antreffen und mit dem «Koni» über Gott und die Welt reden. Das Leben auf dem Land ist unkompliziert, sicher und gemächlich. Und steuergünstig. Der grandiose Ausblick auf den Alpstein und der tiefe Steuerfuss in Teufen ziehen Reiche an. Vor fünf Jahren residierten in den Hügeln über St. Gallen 250 Millionäre. Mittlerweile sollen es 500 sein. Die Infrastruktur ist top, das Bauland teuer. Teufen, ein Katzensprung von St. Gallen gelegen, ist auch Steuerfluchtort für reiche St. GallerInnen. Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz lebt hier, also der Mann, an den die Bank Wegelin den Grossteil ihres Geschäfts verkauft hat, das nun in der neu gegründeten Bank Notenstein weiterlebt. Desgleichen der FC-St.-Gallen-Präsident, Kickboxer und Trampolinhüpfer Dölf Früh oder die Textilindustriellen Alfred Kriemler und Max Hungerbühler.

Oboe, Orgel und Bankeruniform

Es ist Sonntag, die Appenzellerbahn schleicht durchs Dorf. Bloss vor der katholischen Kirche herrscht nervöses Treiben. Leute verschwinden im Halbdunkel der Kirche. Diakon Stefan Staub hat Hummler zum «Gespräch an der Kanzel» über Werte eingeladen. Der Termin war lange vor dem Notverkauf von Wegelin an Raiffeisen vereinbart.

Die Kirche ist fast bis auf den letzten Platz besetzt. Oboe und Orgel intonieren die Bach-Kantate «Ich steh’ mit einem Fuss im Grabe». Dann setzt die Lobeshymne des Diakons ein. Der Name Hummler stehe für Verantwortung. Der Banker habe das sinkende Schiff nicht verlassen, er stehe für seine MitarbeiterInnen und KundInnen ein. Und beziehe jetzt Prügel in den Medien. Er bedankt sich beim Banker, dass er sich trotzdem den Fragen stelle. Hummler als Retter seiner MitarbeiterInnen. Was hat der Notverkauf, was die gut gehenden Geschäfte der letzten Jahrzehnte den Teilhabern der Bank eingebracht? Sind Geschäfte mit Steuerfluchtgeldern mit einer christlichen Haltung vereinbar? Die Atmosphäre ist kuschlig. Kein Platz für kritische Fragen.

Konrad Hummler erhebt sich aus einem der vorderen Bänke und begibt sich in seiner Bankeruniform zur Kanzel. Er spricht vom schönen Morgen und der gesegneten Landschaft. Und dann sagt er: «Früher zeigte die Kurve nach oben, jetzt zeigt sie nach unten. Hoffentlich können wir die rechtliche Auseinandersetzung doch noch zu einem guten und anständigen Ende führen.» Was sich jetzt ereigne, sei mit Fassung zu tragen. Er habe kein Selbstmitleid.

Zum Fall Wegelin ist im Gottesdienst nichts Neues zu erfahren. Das Verfahren in den USA läuft. Jedes Wort zählt. Keine Rede davon, dass jeder Franken, der am Fiskus vorbeigeht, ein guter Franken sei. Einsicht? Fehlanzeige. Der Provokateur Hummler verlegt sich, unterstützt vom diakonischen Stichwortgeber, aufs Philosophieren und das Allgemeinmenschliche. Der Mann, dessen Vermögen die «Bilanz» letztes Jahr auf 350 Millionen Franken schätzte, sagt über sein Verhältnis zu Geld: «Geld ist ein praktisches Tauschmittel. Wer die Geldwirtschaft verteufelt, liegt ebenso falsch wie der, der sie zum Selbstzweck erhebt.» Und dann sondert er noch einige Allgemeinplätze ab, von den wahren Freunden, die man erkennt, wenn es einem dreckig geht, zum Wort von der Krise als Chance sagte er: «Das können nur Leute sagen, die noch nie eine richtige Krise erlebt haben.» Und schliesslich wartet Konrad Hummler mit einigen Bibelzitaten auf. Es ist langweilig. Es ist Gottesdienst. Den KirchenbesucherInnen gefällts. Sie applaudieren Konrad Hummler. Und schreiten dann zur Kommunion.

Risse im Bild

Über Konrad Hummler ist schon fast alles geschrieben. Dass er aus der Mitte der Gesellschaft kommt, aus dem FDP-Kuchen, aus der Offizierskaste, aus der UBS-Welt und sich dennoch als querdenkender Aussenseiter darstellt, als Anarchist (der die eigene Bank in die Luft gejagt hat). Dass er ein Provokateur ist, ein bewunderter Verfasser eines viel gelesenen Anlagekommentars, ein Mäzen und so weiter. Der Gottesdienst hat an diesem stilisierten Bild nichts geändert. Es ist kein neuer Hummler zum Vorschein gekommen. Ob der neue Hummler der alte bleibt, wird erst das Ende des Justizverfahrens in den USA ergeben. Risse hat das Bild längst bekommen.

Selbst die AusserrhoderInnen glauben den Mantras dieses Blenders nicht mehr, und auch die eigenen Leute zweifeln. An der Delegiertenversammlung der FDP Ausserrhoden stimmte ein Drittel für die Ja-Parole zur Abschaffung der Pauschalbesteuerung. Und die AusserrhoderInnen schafften die Pauschalbesteuerung ab. Selbst in der Millionärsgemeinde Teufen stimmte eine Mehrheit dafür.