Asylgeschäft : Auftrag erneut nicht ausgeschrieben

Nr. 15 –

Das Bundesamt für Migration missachtet weiterhin das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen.

Im März hat der Bundesrat bekannt gemacht, dass das Bundesamt für Migration (BFM) jahrzehntelang gegen das Gesetz verstiess, als es Aufträge für die Betreuung von Asylsuchenden ohne öffentliche Ausschreibung vergab. Nutzniesserin war die ORS Service AG, ein Zürcher Dienstleistungsunternehmen, das in den letzten zwanzig Jahren vom Bund immer wieder bevorzugt wurde und so zum führenden Unternehmen in der Asylbetreuung aufsteigen konnte. In seiner Antwort auf eine Interpellation von SVP-Nationalrat Heinz Brand versicherte der Bundesrat, dass «die Neuausschreibung dieser Dienstleistungen» noch in diesem Jahr vorgesehen sei.

Jetzt zeigt sich aber: Die Migrationsbehörde hält sich weiterhin nicht an das Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen, sie macht weiter wie bisher. Den Zuschlag für die Betreuung einer jüngst eröffneten Asylunterkunft im Kanton Bern erhält – einmal mehr – die ORS Service AG, ohne dass es zuvor eine öffentliche Ausschreibung gegeben hätte.

Faktische Monopolstellung

Anfang April eröffnete das Bundesamt für Migration ein neues Asylzentrum auf dem Tschorren in der Berner Gemeinde Hasliberg. Die Armeeunterkunft soll – befristet auf die nächsten sechs Monate – als Asylzentrum genutzt werden und Platz für rund 130 Asylsuchende bieten. «Damit sollen kurzfristige Spitzen bei Asylgesuchseingängen aufgefangen werden», schreibt das BFM in einer Medienmitteilung. Die Asylunterkunft wird von der Sicherheitsfirma Securitas bewacht, eine Begleitgruppe mit Personen aus der Gemeinde und dem BFM soll während der Betriebsdauer «einen laufenden Erfahrungsaustausch pflegen».

Was das BFM verschweigt: Für die Betreuung der Asylsuchenden ist die ORS zuständig. Das Unternehmen hat sich auf die Betreuung und Unterbringung von Asylsuchenden spezialisiert: Es beschäftigt heute gemäss eigenen Angaben rund 600 MitarbeiterInnen, betreut rund 6500 Asylsuchende pro Tag und betreibt alle sieben Bundeszentren sowie über fünfzig Unterkünfte in verschiedenen Kantonen. Die ORS verdient ihr Geld seit zwanzig Jahren vornehmlich mit staatlichen Aufträgen. Laut Wirtschaftsauskunftsdienst Teledata betrug ihr Umsatz im Jahr 2010 55 Millionen Franken (siehe WOZ Nr. 49/11 ). Damit ist die ORS die grösste Spielerin im Millionengeschäft mit Asylsuchenden. Die Firma ORS kommentiert keine Geschäftszahlen.

Das Bundesamt für Migration bestätigt der WOZ, dass die Firma ORS den Zuschlag für die Asylunterkunft auf dem Tschorren erhalten hat. «Wir greifen damit auf einen erfahrenen Partner zurück», sagt BFM-Sprecher Michael Glauser. Und die Ausschreibungspflicht, die man seit 1996 hätte befolgen müssen? Wurde sie jetzt eingehalten, wie der Bundesrat Anfang März ankündigte? «Nein», sagt der BFM-Sprecher, «der Auftrag wurde nicht ausgeschrieben.» Man habe den Auftrag bereits im letzten Herbst vergeben, entschuldigt Glauser seine Behörde. Das war, bevor SVP-Nationalrat Heinz Brand den Bundesrat auf die faktische Monopolstellung der ORS aufmerksam machte.

BFM hätte noch einmal prüfen sollen

Brand findet die erneute Vergabe ohne öffentliche Ausschreibung «merkwürdig». Das BFM habe Besserung gelobt, bleibe aber den Beweis dafür schuldig: «Es ist bedenklich, wenn sich das BFM mutwillig über das Gesetz hinwegsetzt.» Auch wenn der Entscheid schon letzten Herbst gefallen sein sollte, entbindet das die Migrationsbehörde nicht davon, ein seit sechzehn Jahren geltendes Gesetz zu beachten. «Das BFM hätte nach der Antwort des Bundesrats noch einmal auf den Entscheid zurückkommen müssen», sagt Brand.

Das BFM versichert, dass es künftig «in Übereinstimmung mit dem Gesetz mehrere Unternehmen offerieren lassen» will.