Fumoir: Endlich Werbung gucken

Nr. 17 –

Esther Banz über ihr Leben als Exraucherin

Ich habs letzten Monat angekündigt, und es war ernst gemeint: Schluss mit Rauchen. Erstaunlich, die Methode Allen Carr hat tatsächlich funktioniert, bis jetzt, ich bin seit bald einem Monat Exraucherin. Oder wie der mittlerweile an Lungenkrebs Verstorbene sagen würde: «Endlich Nichtraucherin.» Das sind wunderbare Nachrichten. Sie möchten sicherlich gerne mit mir darauf anstossen, Sie Exraucherin oder Immer-schon-Nichtraucher. Sie begrüssen mich im Kreise der Winner, klopfen mir auf die Schulter und prosten mir zu, während Sie Ihr Glas in die Höhe halten: «Auf den Erfolg!» So denke ich mir das. Wir sind uns aber zum Glück nicht begegnet in den letzten Wochen. Ich habe gesellige Anlässe gemieden. Nicht aus Selbstschutz oder Trotz, sondern weil es stimmiger schien, mir langweilige Fernsehsendungen und schlechte Werbeclips reinzuziehen.

Besonders eingeprägt haben sich mir die Werbebotschaften von Parship, einer sogenannten Partneragentur für «Singles mit Niveau». Als Nichtsingle übersehe ich diese Werbung normalerweise. Oder vielleicht sind mir die Clips in der Vergangenheit deshalb nie aufgefallen, weil ich als Raucherin in den Pausen immer vor die Tür trat und die Werbeblöcke verpasste. Aber jetzt schaue ich mir diese Werbung an, und es überrascht mich nicht, dass keineR der SchauspielerInnen raucht. Denn wer raucht, steigt mit fetten Minuspunkten in den Niveauwettbewerb ein. Er oder sie muss sich selber ein Niveaudefizit attestieren. Krass.

Im Parship-Werbespot sagt der gut aussehende und Erfolg suggerierende Schauspieler, sein Leben sei eigentlich perfekt, es fehle nur noch die richtige Partnerin – mit ihr zusammen wäre sein Leben noch perfekter. Logisch, leuchtet ein, die Steigerung von perfekt ist perfekter, auch wenn perfekt ja eigentlich schon das Nonplusultra ist. Perfekter als perfekt, das ist ein bisschen wie schneeweiss gebleichte Zähne. Oder wie der Fünfer und das Weggli, Tag für Tag.

Perfekter als perfekt ist ein hoher Anspruch, nicht nur für Singles, die das (eigentlich perfekte) Alleinsein satthaben. Aber mindestens perfekt muss das Leben heutzutage schon sein, sonst hat man etwas falsch gemacht. Es gibt zwar kein Recht auf ein perfektes Leben, das leuchtet bestimmt auch Menschen mit Niveau ein, aber man kann sich ja wenigstens Mühe geben, der Perfektion ein bisschen näher zu kommen. Mit dem Rauchen aufhören und insgesamt gesünder leben, sich das Fett und die Falten wegmachen lassen, einen besseren Partner finden, die Steuern optimieren, den Sex ebenfalls (dafür gibts ja mittlerweile Medikamente), FDP wählen und so weiter. Und dann hoffen, dass man selber nie eine Krise hat, gegen die selbst der Arzt kein Rezept weiss, nachdem das perfekte Medikament versagt hat. Oder nachdem die perfekte Partnerin gegangen ist.

Ich stelle mir dieses Niveauleben anstrengend vor. Aber vielleicht ist das eine Fehlüberlegung, vielleicht sind die andern auch nicht so perfekt. Aber weil sich die meisten nicht getrauen zuzugeben, dass sie Defizite haben, tun sie so, als wäre alles schon perfekt. Dann ist der Partner, der fehlt, eben das i-Pünktchen – und nicht mehr. Und die Leere, die die Nikotin-Enthaltsamkeit mit sich bringt, ist nur ein temporär nicht so idealer Zustand, nicht ein kalter Entzug, der einen halb verrückt macht. Das einzig Positive an diesem Zustand: Wildfremde Menschen erzählen einem von ihren eigenen Abgründen. Sogar die perfekt wirkende Ärztin. Ich weiss jetzt, dass sie Exraucherin ist – und heute abhängig von Nikotinkaugummis. Fast hätte ich sie gefragt, ob sie meine beste Freundin werden möchte.

Esther Banz ist Journalistin 
und lebt in Zürich.