Kultour

Nr. 18 –

Theater

Erinnerung!

Die Philosophin Susan Sontag hat es auf den Punkt gebracht: Die Problematik subjektiver und auch kollektiver Erinnerung in der (Post-)Moderne besteht nicht primär darin, «dass Menschen sich anhand von Fotografien erinnern, sondern dass sie sich nur noch an die gesehenen Fotografien erinnern» – und nicht an die Gegebenheiten dahinter. Was für eine Rolle spielt Erinnern im Theater? Seine besondere Möglichkeit liegt darin, die Erinnerung erzählerisch und szenisch immer wieder neu zu hinterfragen – und Bilder aus der Vorstellungskraft heraus zu entwickeln.

«Erinnerung!», der Titel für den Mai im Zürcher Theaterhaus Gessnerallee, liest sich wie ein Aufruf. Die Zürcher Gruppe mikeska:plus:blendwerk spielt in «In my room: Die Geschichte von Julie» mit dem Erinnerungsvermögen der ZuschauerInnen, derweil die Basler Formation CapriConnection in «Ars Moriendi» zu Henry Purcells Komposition «Funeral Music for Queen Mary» an den verdrängt geglaubten und doch allgegenwärtigen Tod erinnert.

Auch Tine van Aerschot beschäftigt sich in «We Are not Afraid of the Dark» mit dem Tod, Boris Nikitins «Universal Export» wiederum unternimmt eine Reise in unser Gehirn. Alexandra Bachzetsis setzt sich in «Etude» mit dem Körpergedächtnis auseinander, während Nicole Seiler die ZuschauerInnen dazu bringt, sich im Dunkeln durch Geräusche an gesehene Choreografien zu erinnern. Übrigens: Im ganzen Monat Mai ist der Eintritt für BewohnerInnen des Zürcher Kreises 5 gratis.
Adrian Ricklin

«Erinnerung!» in: Zürich Theaterhaus Gessnerallee, Do, 3., bis So, 27. Mai 2012. Detailliertes Programm: www.gessnerallee.ch.

Festival

25. Oltner Kabarett-Tage

Um die Schweizer Kabarettszene vor dem Altern zu bewahren, ehrt die Gesellschaft Oltner Kabarett-Tage zu ihrem Jubiläum nicht nur die gestandenen Schweizer KomikerInnen Ursus & Nadeschkin mit dem Ehrencornichon, sondern lanciert auch das 1. Oltner Kabarett-Casting. Am 8. Mai werden sich die drei besten NachwuchskünstlerInnen oder -ensembles einer professionellen Jury und dem Publikum stellen. Und die Voraussetzungen für einen rundum gelungenen und qualitativ hochstehenden Kabarettabend könnten besser nicht sein. Denn die GewinnerInnen der Vorausscheidung gehen mit den unterschiedlichsten Programmen an den Start.

Das Publikum darf sich auf originelle Mundartchansons, Bewegungskomik und szenische Einlagen freuen, gewürzt mit einer gepfefferten Prise Selbstironie. Den KünstlerInnen winkt ein Förderpreis von 10 000 Franken – und ein Auftritt bei den 26. Oltner Kabarett-Tagen.
Cornelia Brunnschweiler

«Finalabend Kabarett-Casting» in: Olten Schwager Theater, Di, 8. Mai 2012, 20.15 Uhr. Im Rahmen der 25. Oltner Kabarett-Tage, Mi, 2., bis So, 13. Mai 2012. Detailliertes Programm: www.kabarett.ch.

Kulturlandsgemeinde

«Auch Ausserrhoden hat sein kKL» lautete 2005 der Aufruf zur ersten «kleinen Kulturlandsgemeinde». Die drei Buchstaben, die für eine der prestigeträchtigsten Kulturinstitutionen der Schweiz, das Kultur- und Kongresszentrum Luzern, stehen, wurden gezielt gewählt: Mit einem Jazz-Doppelkonzert eröffnete die ausserrhodische Kulturstiftung eine Diskussionsrunde zur kantonalen Kulturpolitik. Seither findet jährlich am ersten Mai-Wochenende eine Kulturlandsgemeinde statt.

Die siebte Ausgabe ist der «Freiheit» gewidmet – am Samstag im Durchgangszentrum für AsylbewerberInnen Alpenblick in Wienacht-Tobel, das seit einem Jahr leer steht, am Sonntag in Lutzenberg: Unter dem Titel «Ich bin so frei – Freispiele, Freiheitsrechte, Freigeister» wird in drei Plattformen das freie Denken, Reden und Austauschen erprobt; sechs Begegnungen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten sollen zum Nachdenken über gelebte, zugeschriebene oder bedrohte Freiheiten anregen und Werkstätten zum freien Tun, Erleben und Begegnen einladen.

Der demnächst 95-jährige Zürcher Plastiker Gottfried Honegger wird am Sonntag eine Rede zum Thema «Freiheit» halten; die Gästeliste reicht von der Historikerin Elisabeth Joris, den FilmemacherInnen Fanny Bräuning und Peter Liechti und dem Dichter und Rapper Jürg Halter alias Kutti MC bis zu Zenmeister Marcel Geisser, alt Nationalratspräsidentin Gret Haller oder dem ehemaligen WOZ-Journalisten Constantin Seibt.
Adrian Ricklin

«Kulturlandsgemeinde» in: Wienacht-Tobel Alpenblick, Sa, 5. Mai 2012, ab 10 Uhr. Lutzenberg Schule Gitzbüchel, So, 6. Mai 2012, ab 11 Uhr. www.kulturlandsgemeinde.ch

Fotografie

Kameramuseum Vevey

Auch wenn wir uns über die eifrig knipsenden TouristInnen, die überall auf der Welt Sehenswürdigkeiten belagern, das Maul zerreissen – ein Leben ohne Fotografie, Film und Fernsehen ist heute kaum mehr vorstellbar. Den Ursprüngen dieser Kunst widmet sich das Schweizer Kameramuseum in Vevey. Vor vier Jahren wurde mit der Neugestaltung und Neuinterpretation der Dauerausstellung «L’œil de la photographie» begonnen. Diesen Samstag wird die letzte Etappe dieser Hommage an eine der prägendsten Erfindungen der Neuzeit eröffnet. Die Ausstellung «Au temps des plaques» veranschaulicht die Entwicklung, die die Fotografie der industriellen Fertigung von Trockenplatten zu verdanken hat.

Kinder können den Zauber optischer Täuschungen anhand eines selbst gebastelten Thaumatrops entdecken. Ältere lockt die Möglichkeit, selbst ein Negativ abzuziehen, so wie es vor fast einem Jahrhundert gemacht wurde. Am Sonntag, 6. Mai, findet die Fotobörse statt – ein Muss für alle Fotografiebegeisterten. SammlerInnen bieten gebrauchte Ausrüstung, verschiedenste Antiquitäten und Raritäten an, die das Liebhaberherz höherschlagen lassen.
Cornelia Brunnschweiler

«L’œil de la photographie» und «Au temps des plaques» in: Vevey Kameramuseum, Dauerausstellungen, Vernissage Sa, 5. Mai 2012, 11 Uhr. 
Di–So, 11–17.30 Uhr. Fotobörse: So, 6. Mai 2012, 
8.30–17 Uhr. Anmeldung fürs Negativabziehen: 
021 925 34 80. www.cameramuseum.ch

Migration und Kunst

Macht und Sprache

«Austria we love you! Wir werden dich nie verlassen!» steht in dicken Buchstaben und mit pinker Farbe hervorgehoben auf der Website von maiz.at. Der Verein wurde 1994 von MigrantInnen in Linz gegründet mit dem Ziel, ihre eigenen Lebensbedingungen zu verbessern in einem Land, in dem sie bleiben möchten, doch nicht wirklich willkommen sind. Nebst Beratungs- und Bildungsangebot realisiert Maiz auch Projekte im Forschungsbereich und ist in der Kulturarbeit tätig. Rubia Salgado, eine der Mitbegründerinnen von Maiz, kommt in die Autonome Schule Zürich und erzählt anhand von Projektbeispielen über die Kulturarbeit der Organisation. Im Zentrum der Projekte steht die Sprache: Sie wird als ein Mittel zur Herstellung gesellschaftlicher Anerkennung verstanden, das die Realität sowohl konstruiert wie auch verändert.
Silvia Süess

«Die Welt benennen: Kritische Bildungs- und Kulturarbeit in der Migrationsgesellschaft» in: Zürich Autonome Schule, Mi, 9. Mai 2012, 19 Uhr. 
www.schuel.ch

Konzert

Daniel Studer

Der Zürcher Jazzclub Moods bietet Schweizer MusikerInnen ein attraktives und anspruchsvolles Artist-in-Residence-Programm an. An drei Mittwochen können sie einen Abend mit zwei Konzerten gestalten. Bei der einen Gruppe, die neu sein muss, spielen sie selbst mit, die zweite soll eine sein, auf die sie aufmerksam machen wollen.

Im Mai liegt das Programm in den Händen des Bassisten Daniel Studer. Er hat sich für ein Zahlenspiel mit Quartetten entschieden: «Zwei und zwei» steht für den ebenfalls bassspielenden Peter K Frey, den Bassklarinettisten Hans Koch und den Posaunisten Giancarlo Schiaffini. Am zweiten Datum folgt «Vier» mit dem Bratschisten Frantz Loriot, dem Pianisten Christ Wiesendanger und dem Schlagzeuger Daniel Weber. Zum Abschluss heisst es «Drei und eins» mit Harald Kimmig (Violine) und Alfred Zimmerlin (Cello), die Eins steht für den Pianisten Jacques Demierre. Als Gäste geladen sind der Klarinettist Jürg Frei mit einer Klanginstallation, Katharina Weber und Balts Nill (siehe WOZ Nr. 17/12 ) sowie die beiden Pianistinnen/Komponistinnen Annette Schmucki und Petra Ronner, die mit elektronischem Sampler unterwegs sind.
Fredi Bosshard

Daniel Studer «Artist in Residence» in: Zürich Moods im Schiffbau, Mi, 9./16./23. Mai 2012, 20.30 Uhr. www.moods.ch