Fumoir : Teil 3 der Entzugstrilogie

Nr. 21 –

Esther Banz über das Leben als Exraucherin.

Mit dem Rauchen aufhören ist gut für die Lunge und überhaupt für die physische Gesundheit – aber so ein Rauchstopp kann anderes ernsthaft strapazieren, das weiss ich jetzt.

Deshalb an dieser Stelle ein gut gemeinter Rat an FreundInnen und Bekannte von Personen, die ihr Laster eben aufgegeben haben: Lässt ein nicht mehr rauchender Nikotinjunkie in Ihrer Gegenwart ganz salopp Sprüche fallen wie «Dieser Entzug macht mich noch verrückt», dann brauchen Sie sich nicht gleich zu fürchten – aber ein Wink ist es allemal, was die Verfassung des Sprücheklopfers betrifft. Als guter Freund oder verbundene Kollegin erkundigen Sie sich fortan in regelmässigen Abständen, wie es ihr/ihm geht. Und haken nach, wenn ein ausweichendes «Ganz gut» (gefolgt von einer längeren, unangenehmen Pause) die Antwort ist.

Denn es könnte sein, dass sich der betreffende Mensch etwas schämt, nicht nur wegen der vielen Süssigkeiten, die er jetzt konsumiert, sondern auch wegen der bösen Gedanken, die ihn ständig heimsuchen.

Denn so sieht sein neues Leben aus: Er joggt jetzt jeden Tag, um Kalorien zu verbrennen und Aggressionen abzubauen. Das nützt, aber es stimuliert auch. Seine Freundin ist überrumpelt, wird misstrauisch – und geht.

Nun steht der liebe Freund ohne Zigaretten und ohne Beziehung da, und wenn das so weitergeht, schon bald auch ohne Wohnung, denn dieser Mensch gehört jetzt zwar zu den bevorzugten NR-MieterInnen, aber die nächtlichen Aggressionsschübe können den NachbarInnen nicht länger zugemutet werden, also muss er ausziehen.

Er findet etwas Neues, das ist etwas teuer, aber dafür gut isoliert. Bald hat er Mühe, die Krankenkassenprämien zu bezahlen, weshalb er sich vertrauensvoll an seinen ehemaligen Hausarzt wendet, obwohl er eigentlich zuerst ins HMO-Zentrum gehen müsste mit seinen Knieproblemen, denn dort behandeln sie ihn auf Anordnung der Krankenkasse nicht mehr. Sein einstiger Hausarzt sagt: «Dieses eine Mal. Und hier sind die Schmerztabletten. Aber es ist super, haben Sie mit dem Rauchen aufgehört. Das Kniegelenk lassen Sie sich dann subito ersetzen, sobald Sie wieder liquid sind!» Als die Schmerzen allzu gross werden, geht der Exraucher in den Notfall, sie nehmen ihm im Spital das marode Gelenk raus, aber ein neues gibt es nicht.

Die Existenzängste, die den Exraucher nun plagen, verstärken sich. Er überlegt sich, in psychiatrische Behandlung zu gehen, aber die müsste er ja auch selbst bezahlen. Wenigstens die dreihundert Franken, die er monatlich spart, in etwas Sinnvolles investieren, denkt er sich. Yoga etwa.

Einzig – auch die dreihundert Franken fehlen ihm, seit er seinen Job wegen zu vieler unentschuldigter Absenzen verloren hat. Er kauft sich im Brockenhaus ein Buch mit vielen Bildern von Yogastellungen, mehrere Ratgeber, die im Regal stehen, das mit «Lebensberatung» angeschrieben ist, sowie eine verdorrte Pflanze, die aufzupäppeln er zu seiner neuen Aufgabe machen will. Im Discounter nebenan besorgt er sich noch eine Familienpackung Schokoriegel. Einen Festnetzanschluss hat er nicht mehr, und das Handy wurde mittlerweile abgestellt. Seine treuen Freunde versuchen, ihn per Mail zu erreichen, aber unser Exraucher kann sich nicht vorstellen, dass noch jemand etwas von ihm wissen will, weshalb er seinen elektronischen Briefkasten nicht einmal mehr konsultiert. Er ist jetzt ganz allein mit seiner kranken Pflanze.

Trotzdem widersteht er der Versuchung – er sagt sich: «Probleme hat jeder. Der Nichtraucher hat eins weniger.» Und die neue Ruhe des Offline-Daseins gefällt ihm. Ausserordentlich gut.

Esther Banz ist freie Journalistin 
und lebt in Zürich.